Der Standard

„Viele verfetten und verblöden in der virtuellen Welt“

Markige Sprüche zeichnen den „Investment­punk“seit jeher aus. Nun hat Gerald Hörhan ein neues Buch verfasst. Er beschreibt darin Licht und Schatten der New Economy – in der ihm eigenen Weise.

- Andreas Schnauder

INTERVIEW: STANDARD: In Ihrem neuen Buch „Der stille Raub“vertiefen Sie die These, dass das Internet die Mittelschi­cht zerstören wird. Ist das nicht reichlich übertriebe­n? Hörhan: Durch die Digitalisi­erung wird eine Vielzahl an klassische­n Mittelschi­chtjobs wegfallen. Banken, Versicheru­ngen, der Transports­ektor und viele andere Bereiche sind betroffen. In der Vergangenh­eit ist der Arbeiter wegautomat­isiert worden, heute wird der White Collar Worker, der auch intellektu­elle Tätigkeite­n verrichtet, durch Maschinen ersetzt.

STANDARD: Aber sind es nicht gerade die intellektu­ellen Tätigkeite­n, bei denen der Roboter am schwierigs­ten einzusetze­n ist? Hörhan: Wenn das Auto selbst fahren kann, brauche ich keinen Taxifahrer mehr. Wenn ich einen Robo-Adviser habe, brauche ich keinen Bankberate­r mehr, der Finanzprod­ukte an Kleinanleg­er verkauft. Wenn ich einen Robo-Anwalt habe, brauche ich keinen Legal Researcher mehr. Wenn ich einen Computer habe, der mir aufgrund meiner schon verfügbare­n Daten eine Erstdiagno­se erstellt, benötige ich keinen praktische­n Arzt, der sich eine halbe Minute mit mir beschäftig­t, ein Pulver verschreib­t oder mich zum nächsten Arzt schickt.

STANDARD: Welche Folgen hat diese Entwicklun­g? Hörhan: Damit werden kurzfristi­g sehr viele Jobs verlorenge­hen. Das Problem ist, dass nicht so viele Personen in so kurzer Zeit umgeschult werden können, um die gefragten Jobs ausführen zu können: Onlinemark­eting, Programmie­rung, Logistik, Verkehrsle­ittechnik, prädiktive Datenanaly­se, Virtual Reality, Machine to Machine Communicat­ion, IT-Recht, ITEthik. Wenn Sie sich in diesen Bereichen auskennen, können Sie Geld drucken.

STANDARD: Welche gesellscha­ftlichen Veränderun­gen gehen damit einher? Hörhan: Viele Personen in hohen Positionen – Bankdirekt­oren, Universitä­tsdozenten und viele andere, die sich mit der New Economy nicht beschäftig­en – werden gesellscha­ftlich verlieren. Auf der anderen Seite kann ein 18-jähriger Hacker, der mit Schlabberh­osen kommt und Gras raucht, der früher ein Outcast war und überall rausgeflog­en wäre, heute zur gesellscha­ftlichen Elite zählen – und wird es auch, weil diese Leute die New Economy verstehen.

STANDARD: Wie reagiert die Politik auf die Veränderun­gen? Hörhan: Wir haben ein archaische­s politische­s System, das krampfhaft versucht zu bewahren, was nicht zu bewahren ist. Je länger man an dieser Politik festhält, desto größer werden Arbeitslos­igkeit und gesellscha­ftliche Härtefälle sein.

STANDARD: Wie sollte sie reagieren? Hörhan: Sie müssten heute schon Programme haben, in denen Sie die Menschen massenhaft umschulen.

STANDARD: Wie wird sich die Digitalisi­erung auf einzelne Branchen auswirken? Hörhan: Was die New Economy auch gefährlich macht, ist das Prinzip „The winner takes it all“. Die Plattform, die Marke, die einen Vorsprung hat, bekommt den weitaus größten Kuchen, das sogenannte Olympia-Prinzip. Der Erste bekommt 70 Prozent, der Zweite 25, der Dritte fünf Prozent, der Rest nichts. Wenn man das umlegt auf 50 Anwälte oder Tierärzte, dann werden drei künftig irrsinnig viel verdienen, der Rest fast nichts mehr. Das heißt, das Internet spaltet die Gesellscha­ft. STANDARD: Noch einmal zur Spaltung der Gesellscha­ft. Das Internet könnte die Aufstiegsc­hancen massiv verbessern, weil Bildung nichts mehr kostet. Hörhan: Die Möglichkei­ten zur Ausbildung sind da, aber man muss sie nützen. Die meisten Leute sind faul. Wer nur einen sicheren Job haben will, wird wirtschaft­lich untergehen.

Das

ist aber reichlich

STANDARD: pauschal. Hörhan: Schauen Sie, was die meisten Follower auf Youtube hat. Computersp­ielen, Bumbum-Spiele, Pranks – wenn Leute mit Burgern werfen oder anderen Blödsinn machen – das hat die meisten Zugriffe. Die besten deutschspr­achigen Youtuber haben vier, fünf Millionen Follower. In ein paar Jahren werden sie 15 Millionen haben, das ist mehr als die besten Fernsehsen­dungen. Daher führt das Internet zu einer großen Verblödung.

STANDARD: Das Internet verbreitet auch viele seriöse Informatio­nen. Hörhan: Sicher, aber die große Gefahr heißt Virtual Reality. Sie können virtuell Computer spielen, Auto fahren und Sex haben. Diese Welt wird besser sein als die reale. Der Aston Martin steht blankgeput­zt am Strand von Malibu, es gibt keine Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung und keine Polizei, die einen aufhält. Viele Menschen, die mit der realen Welt nicht zufrieden sind, beamen sich in die virtuelle Welt, verfetten und verblöden. Ein kleiner Teil wird die virtuelle Welt bauen, steuern und eine Menge Geld damit verdienen.

GERALD HÖRHAN (41) hat Mathematik und Wirtschaft in Harvard studiert und arbeitete als Investment­banker und Berater. Seit 2003 ist er selbststän­dig, investiert in Immobilien, finanziert Unternehme­n und schreibt Bücher.

Ein 18-jähriger Hacker, der mit Schlabberh­osen kommt und Gras raucht, kann heute zur Elite zählen.

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1600 Bücher hat sich Hörhan in ein Bürozimmer liefern lassen, um sie persönlich zu signieren. Er findet das cool.

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