„Viele verfetten und verblöden in der virtuellen Welt“
Markige Sprüche zeichnen den „Investmentpunk“seit jeher aus. Nun hat Gerald Hörhan ein neues Buch verfasst. Er beschreibt darin Licht und Schatten der New Economy – in der ihm eigenen Weise.
INTERVIEW: STANDARD: In Ihrem neuen Buch „Der stille Raub“vertiefen Sie die These, dass das Internet die Mittelschicht zerstören wird. Ist das nicht reichlich übertrieben? Hörhan: Durch die Digitalisierung wird eine Vielzahl an klassischen Mittelschichtjobs wegfallen. Banken, Versicherungen, der Transportsektor und viele andere Bereiche sind betroffen. In der Vergangenheit ist der Arbeiter wegautomatisiert worden, heute wird der White Collar Worker, der auch intellektuelle Tätigkeiten verrichtet, durch Maschinen ersetzt.
STANDARD: Aber sind es nicht gerade die intellektuellen Tätigkeiten, bei denen der Roboter am schwierigsten einzusetzen ist? Hörhan: Wenn das Auto selbst fahren kann, brauche ich keinen Taxifahrer mehr. Wenn ich einen Robo-Adviser habe, brauche ich keinen Bankberater mehr, der Finanzprodukte an Kleinanleger verkauft. Wenn ich einen Robo-Anwalt habe, brauche ich keinen Legal Researcher mehr. Wenn ich einen Computer habe, der mir aufgrund meiner schon verfügbaren Daten eine Erstdiagnose erstellt, benötige ich keinen praktischen Arzt, der sich eine halbe Minute mit mir beschäftigt, ein Pulver verschreibt oder mich zum nächsten Arzt schickt.
STANDARD: Welche Folgen hat diese Entwicklung? Hörhan: Damit werden kurzfristig sehr viele Jobs verlorengehen. Das Problem ist, dass nicht so viele Personen in so kurzer Zeit umgeschult werden können, um die gefragten Jobs ausführen zu können: Onlinemarketing, Programmierung, Logistik, Verkehrsleittechnik, prädiktive Datenanalyse, Virtual Reality, Machine to Machine Communication, IT-Recht, ITEthik. Wenn Sie sich in diesen Bereichen auskennen, können Sie Geld drucken.
STANDARD: Welche gesellschaftlichen Veränderungen gehen damit einher? Hörhan: Viele Personen in hohen Positionen – Bankdirektoren, Universitätsdozenten und viele andere, die sich mit der New Economy nicht beschäftigen – werden gesellschaftlich verlieren. Auf der anderen Seite kann ein 18-jähriger Hacker, der mit Schlabberhosen kommt und Gras raucht, der früher ein Outcast war und überall rausgeflogen wäre, heute zur gesellschaftlichen Elite zählen – und wird es auch, weil diese Leute die New Economy verstehen.
STANDARD: Wie reagiert die Politik auf die Veränderungen? Hörhan: Wir haben ein archaisches politisches System, das krampfhaft versucht zu bewahren, was nicht zu bewahren ist. Je länger man an dieser Politik festhält, desto größer werden Arbeitslosigkeit und gesellschaftliche Härtefälle sein.
STANDARD: Wie sollte sie reagieren? Hörhan: Sie müssten heute schon Programme haben, in denen Sie die Menschen massenhaft umschulen.
STANDARD: Wie wird sich die Digitalisierung auf einzelne Branchen auswirken? Hörhan: Was die New Economy auch gefährlich macht, ist das Prinzip „The winner takes it all“. Die Plattform, die Marke, die einen Vorsprung hat, bekommt den weitaus größten Kuchen, das sogenannte Olympia-Prinzip. Der Erste bekommt 70 Prozent, der Zweite 25, der Dritte fünf Prozent, der Rest nichts. Wenn man das umlegt auf 50 Anwälte oder Tierärzte, dann werden drei künftig irrsinnig viel verdienen, der Rest fast nichts mehr. Das heißt, das Internet spaltet die Gesellschaft. STANDARD: Noch einmal zur Spaltung der Gesellschaft. Das Internet könnte die Aufstiegschancen massiv verbessern, weil Bildung nichts mehr kostet. Hörhan: Die Möglichkeiten zur Ausbildung sind da, aber man muss sie nützen. Die meisten Leute sind faul. Wer nur einen sicheren Job haben will, wird wirtschaftlich untergehen.
Das
ist aber reichlich
STANDARD: pauschal. Hörhan: Schauen Sie, was die meisten Follower auf Youtube hat. Computerspielen, Bumbum-Spiele, Pranks – wenn Leute mit Burgern werfen oder anderen Blödsinn machen – das hat die meisten Zugriffe. Die besten deutschsprachigen Youtuber haben vier, fünf Millionen Follower. In ein paar Jahren werden sie 15 Millionen haben, das ist mehr als die besten Fernsehsendungen. Daher führt das Internet zu einer großen Verblödung.
STANDARD: Das Internet verbreitet auch viele seriöse Informationen. Hörhan: Sicher, aber die große Gefahr heißt Virtual Reality. Sie können virtuell Computer spielen, Auto fahren und Sex haben. Diese Welt wird besser sein als die reale. Der Aston Martin steht blankgeputzt am Strand von Malibu, es gibt keine Geschwindigkeitsbeschränkung und keine Polizei, die einen aufhält. Viele Menschen, die mit der realen Welt nicht zufrieden sind, beamen sich in die virtuelle Welt, verfetten und verblöden. Ein kleiner Teil wird die virtuelle Welt bauen, steuern und eine Menge Geld damit verdienen.
GERALD HÖRHAN (41) hat Mathematik und Wirtschaft in Harvard studiert und arbeitete als Investmentbanker und Berater. Seit 2003 ist er selbstständig, investiert in Immobilien, finanziert Unternehmen und schreibt Bücher.
Ein 18-jähriger Hacker, der mit Schlabberhosen kommt und Gras raucht, kann heute zur Elite zählen.