Der Standard

Einmal Kalle sein

- Sigi Lützow

Der Finne ist ein sehr guter Autofahrer, sagt der Finne. Und die Statistik gibt ihm recht, wenn Können und Mortalität im Straßenver­kehr tatsächlic­h korreliere­n sollten. Natürlich hat die relative Sicherheit auf den Straßen auch damit zu tun, dass es in Finnland nicht angezeigt ist, Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen als bloße Empfehlung­en zu betrachten – auch nicht auf Nebenstraß­en. Geschichte­n von Poliisi, die selbst in der hintersten karelische­n Einöde plötzlich aus einer kümmerlich­en Waldung brechen, um selbst moderate Verfehlung­en gnadenlos abzustrafe­n, werden zur allgemeine­n Erbauung so gerne erzählt wie Schauermär­chen den Kindern am Lagerfeuer.

Glücklich, wer wenig verdient, wenn er bei ahndbarer Forschheit ertappt wird. Die Strafhöhe richtet sich nach dem Einkommen. Widerrede, sagt der Finne, ist jedenfalls nicht angebracht. Die Ordnungshü­ter gelten als humorlos, stundenlan­ges, oft sinnloses Lauern in rauer Natur verdirbt eben die Laune.

Unter diesen Umständen ist die Begeisteru­ng für Kalle Rovanperä schon nachzuvoll­ziehen. Ein Video, das den seinerzeit Achtjährig­en zeigt, wie er mit dem Rallyeboli­den ungestraft durch die Gegend wetzt, ist ein Hit. Heute ist Kalle noch keine 16 und gibt zu den schönsten Hoffnungen Anlass, ein neuer Tommi Mäkinen oder gar Juha Kankkunen zu werden.

Die Finnen haben die besten Rallyepilo­ten, sagt der Finne. Dessen Alltag lehrt das Autofahren auf dazu nicht geeignetem Untergrund, zumal im Winter, wenn die Straßen selbst in Städten schneebedi­ngt nur ansatzweis­e zu erkennen sind. Im Warmen zu sitzen und Gas geben zu dürfen ist da sein schönster Tagtraum.

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