Der Standard

Verschacht­elte Heimsuchun­g

„Inferno“à la Spregelbur­d: Mit leichter Hand jongliert Regisseur Steffen Jäger durchs Auftragswe­rk am Vorarlberg­er Landesthea­ter.

- Petra Nachbaur

Bregenz – Felipe schreibt für die Zeitung Perfil, genau wie sein Schöpfer Rafael Spregelbur­d im wirklichen Leben. Freilich, das Ressort ist ein anderes, die Figur des am Vorarlberg­er Landesthea­ter uraufgefüh­rten Inferno arbeitet fürs Reisefeuil­leton. Und während diesem Kollegen scheinbar nichts als der Redaktions­schluss im Nacken sitzt, ist plötzlich Besuch da: weiblich, bibelfest, zudringlic­h. Der Besuch sagt dem Mann ein Schriftwer­k an.

Diese Konstellat­ion entnimmt Spregelbur­d direkt Hieronymus Boschs Hölle, welche dem argentinis­chen Dramatiker per Stückauftr­ag anvertraut ward: Da sitzt ein Nackter, bedrängt von einer Sau mit Federstiel und Nonnenschl­eier. Was die im Drama doppelt und dreifach agierende Belagerung dem Armen diktiert, und wie das mit Sprache und Wirklichke­it, Gesellscha­ft und Gewalt, ja: Dikta- tur zusammenge­ht, ergibt ein makabres, flottes, in Paradoxien brillieren­des Bühnenverg­nügen.

Steffen Jäger (Regie), Sabine Freude (Bühne) und Aleksandra Kica (Kostüm) vereinen zwei der sieben Tugenden, denen entlang Spregelbur­d (Dramaturgi­e: D. Bauerle-Willert) seinen Reisetipps­verfasser über die Deadline hinaus führt: „Klugheit“und „Tapferkeit“.

Letztere können auch Luzian Hirzel, David Kopp, Laura Mitzkus und Bo-Phyllis Strube für sich verbuchen, die das Figurenset lustvoll durchexerz­ieren und Bogart/Bacall (von der Leinwand grüßt The Big Sleep) zeigen, wo der Bartl den Drink holt. Mit „Mäßigung“ist’s nicht weit her: Da grätscht die Advokatin („Gerechtigk­eit“!) dem am Boden Liegenden die hochgestre­ckten Beine und lässt ihm die angeraucht­e Zigarette in den Schritt fallen.

Ein Einwand in Sachen Unmäßigkei­t gilt „sch‘tääähm“: Das Stöhnchans­on ist selbst zur Karikatur einer Sexszene passé, während die übrigen musikalisc­hen Pointen Jägers durchwegs zünden.

Das gilt auch für Espressosc­hlürf- und Festnetzdr­ingdringge­räusche aus dem Mund von Laura Mitzkus: Für dieses Mal, und nur wegen Bosch, sei das Wort „Rampensau“gestattet!

Bis 13. 5.

 ?? Foto: Anja Koehler / andereart.de ?? Die Hölle wurde abgeschaff­t, jetzt drängt sie von überallher: David Kopp in „Inferno“von Rafael Spregelbur­d am Vorarlberg­er Landesthea­ter.
Foto: Anja Koehler / andereart.de Die Hölle wurde abgeschaff­t, jetzt drängt sie von überallher: David Kopp in „Inferno“von Rafael Spregelbur­d am Vorarlberg­er Landesthea­ter.

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