Der Standard

Freiwillig­e Selbstkont­rolle

Die britische Band The xx gastierte in der Wiener Marx-Halle. Romy Madley Croft, Oliver Sim und Jamie Smith spielten vor gut 7000 Menschen ein Programm mit eloquenter Chronik – und keiner Note zu viel.

- Karl Fluch

Wien – Die Welt mag oft grau und trist erscheinen, die Zukunft nicht als Verspreche­n, sondern wie eine Drohung wirken. Aber nachdem wir alle nur mit einem Leben am Start sind, müssen wir trotzdem das Rennen machen. Dass es in all der echten und vermeintli­chen Dunkelheit Lichtblick­e gibt, beweisen The xx. Ein britisches Trio, das mit minimalen Mitteln maximale Wirkung erzielt. Im Lebensbere­ich Moll und Schmoll spätestens seit der Pubertät gut eingelebt, vertonen die drei Briten seit nunmehr drei Alben Gefühle der Verlorenhe­it und Isolation, beschreibe­n das Sehnen nach Zuneigung und Wärme, all den sozialen Mist, der in den digitalen Netzwerken einfach nicht und nicht funktionie­rt. Also raus ins Leben. Muss ja. Brrr.

Das funktionie­rt musikalisc­h so gut, dass die Band für ihr 2009 erschienen­es Debüt den Mercury Music Prize erhielt und seitdem auf Welterober­ungskurs ist. Zurzeit befinden sich The xx auf Europatour­nee, am Donnerstag spielte das Trio in Wien in der mit 7000 Menschen schon lange ausverkauf­ten Marx-Halle. Deren unterkühlt­er Charme harmoniert­e mit der Darbietung. Spartanisc­h war das Bühnenbild, das Trio, das sich kaum bewegt, angetan in Schwarz, dazu weißes Licht, das von rotierende­n Spiegelwän­den in den Saal reflektier­t wurde.

In diesem Ambiente führten Romy Madley Croft, Oliver Sim und Jamie Smith ihre Kunst auf. Mit Bass, Gitarre und Elektronik schaffen sie eine ökonomisch­e Popmusik. Diese nimmt sich nicht selten wie ein tiefgefror­ener R ’n’ B aus, der stellenwei­se auftaut. Dort apert eine rare Schönheit heraus, die noch im schwärzest­en Bühnenbild zu strahlen beginnt.

Smith, der als Jamie xx auch als Solokünstl­er ein Star ist, besorgt hinten den Rhythmus. Industrieb­ässe, spärlich beträufelt von akustische­n Zärtlichke­iten. Betupft wird das von Crofts Gitarrensp­iel, in Schwingung versetzt vom Bassspiel Sims. Dessen Gesang lädt die Musik von The xx mit Emotion auf. Es ist ein warmes Idiom, das sich seinen Weg durch düstere Sujets bahnt. Das geht rein. Auf Platte und live.

Der Saal gab sich von Beginn an entzückt, der Zuspruch rührte die Band spürbar, das Konzert war am Ende wie ein durchgängi­ger Groove wahrzunehm­en. Bloß nach fünf, sechs Titeln nahm die Band ein wenig den Schwung raus, bremste. Eine kleine Zäsur, die die darauffolg­enden Stücke noch mehr überzeugen ließ. Titel wie VCR vom Debüt oder das mit falschen Fanfaren eröffnende Dangerous vom neuen Album I See You könnte man stellvertr­etend für diese seltsam höhepunktl­ose Show nennen.

Durchkompo­nierte Show

The xx setzten nicht auf einzelne Ausreißer nach oben, ihre Darbietung wirkte wie ein durchkompo­niertes Album mit einer eloquenten Chronik. Croft ließ ihre Haare schwingen, Sim rackerte am Bass, doch alles blieb kontrollie­rt. Bloß keine Jams, kein Scheiß, keine Note zu viel. So endeten viele Songs mit einem kleinen Twist. Da spürte man, da hätte sich die Band jetzt hinreißen lassen können, tat es aber nicht. Diese freiwillig­e Selbstkont­rolle gehört mit zur Überzeugun­gskunst dieser Musik. Der Saal tobte, die Band nahm den Zuspruch dankbar entgegen.

Die Welt mag oft grau und trist erscheinen. Shows wie diese geben Hoffnung. The xx brachten das Gefühl auf den Weg. Für sich, für uns. Ein großer Abend.

 ??  ?? Romy Madley Croft ließ ihre Haare schwingen, Oliver Sim rackerte am Bass, doch alles blieb kontrollie­rt: The xx in der Marx-Halle.
Romy Madley Croft ließ ihre Haare schwingen, Oliver Sim rackerte am Bass, doch alles blieb kontrollie­rt: The xx in der Marx-Halle.

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