Der Kampf um die Mitte
Im Bemühen um die Masse der Wähler rückt die Politik schrittweise nach rechts
Der Bundeskanzler und der Außenminister können nicht gut miteinander, das ist kein Geheimnis. Weder auf einer persönlichen Ebene, das mag in den Charakteren der beiden begründet sein, und auch nicht politisch. Beide wollen viel, mehr als derzeit umsetzbar ist. Beide sind unzufrieden mit der schleppenden Arbeit der Regierung und mit der Trägheit, die dem Apparat innewohnt. Diese wird noch verstärkt durch die Blockaden, die wie selbstverständlich zur Anwendung kommen, wenn die eine Seite was will. Hier wird der schwarzen Seite und besonders dem Klüngel, der sich um den Außenminister gebildet hat, die deutlich größere Störkraft zugeschrieben.
Das lässt sich auch auf einen Satz verdichten: Christian Kern und Sebastian Kurz sind direkte Konkurrenten.
Die Konkurrenz wird sich noch verstärken. Es gilt als sicher, dass Kurz die ÖVP in einem Wahlkampf anführen und gegen Kern antreten wird. Kurz wird dies allerdings keinen Tag früher tun, als ein Termin für Wahlen auf dem Tisch liegt. Entweder sind das vorgezogene Neuwahlen oder der reguläre, aber nicht sonderlich wahrscheinliche Termin im Herbst 2018. Ein fliegender Wechsel von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner zu Kurz gilt als ausgeschlossen. Kurz wird sich den Vizekanzler neben Kern nicht antun. Er greift diese Regierung und den Koalitionspartner lieber von außen an. Das ist ein Umstand, der dem Kanzler, aber auch seinem Vizekanzler jetzt schon D zu schaffen macht. ie vorliegenden Umfragewerte geben Kurz und jenen Teilen in der ÖVP, die auf ihn setzen, recht: Der Außenminister liegt in einer aktuellen Umfrage in der Kanzlerfrage vor Kern. Die ÖVP unter Kurz, derzeit noch eine fiktive Option, hat oder hätte bessere Werte als die SPÖ mit Kern.
Das muss man nicht glauben, aber es zeigt gut eine Neuaufstellung in der Politik: Im Match Kern gegen Kurz gerät die FPÖ ins Hintertreffen – und zwar egal, ob sie von Heinz-Christian Strache oder allenfalls von Norbert Hofer angeführt wird. Für die anderen Oppositionsparteien, Grüne und Neos, bedeutet diese Konstellation ebenfalls nichts Gutes: Ihr Ringen um Aufmerksamkeit wird ungleich schwerer werden.
Das Match Kern gegen Kurz findet in der politischen Mitte und um diese statt. Will Kern die ÖVP im Zaum halten und der FPÖ ernsthaft Wähler streitig machen, muss er sich stärker um die politische Mitte und ihre Ausfransungen rechts davon bemühen. Dieses Buhlen erkennt man bereits deutlich in dem von Kern vorgelegten Plan A und in dem teilweise daraus resultierenden neuen Arbeitsprogramm der Regierung. Auch die Aktivitäten und Aussagen von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der sich als ressortzuständig für alle Sicherheitsfragen geriert, sind ein klarer Beleg für den Rechtsruck, den die SPÖ vollzieht.
Dort drüben, auf der Seite rechts der Mitte, ist Kurz allerdings längst angekommen und hat sich regelrecht festgebissen. Für Kern wird es eine schwierige Aufgabe, auf der einen Seite Wähler zu gewinnen, ohne sie auf der anderen zu verlieren und somit die Identität der SPÖ aufzugeben. Deren politische Heimat ist trotz aller Unschärfen, die es immer schon gegeben hat, nicht in der Mitte, sondern links davon. Im Kampf um diese Mitte droht nun die gesamte Politik schrittweise nach rechts zu rücken. Auch wenn es der FPÖ bei Wahlen nichts nützen sollte, es wäre eindeutig ihr Erfolg.