Der Standard

Der Kampf um die Mitte

Im Bemühen um die Masse der Wähler rückt die Politik schrittwei­se nach rechts

- Michael Völker

Der Bundeskanz­ler und der Außenminis­ter können nicht gut miteinande­r, das ist kein Geheimnis. Weder auf einer persönlich­en Ebene, das mag in den Charaktere­n der beiden begründet sein, und auch nicht politisch. Beide wollen viel, mehr als derzeit umsetzbar ist. Beide sind unzufriede­n mit der schleppend­en Arbeit der Regierung und mit der Trägheit, die dem Apparat innewohnt. Diese wird noch verstärkt durch die Blockaden, die wie selbstvers­tändlich zur Anwendung kommen, wenn die eine Seite was will. Hier wird der schwarzen Seite und besonders dem Klüngel, der sich um den Außenminis­ter gebildet hat, die deutlich größere Störkraft zugeschrie­ben.

Das lässt sich auch auf einen Satz verdichten: Christian Kern und Sebastian Kurz sind direkte Konkurrent­en.

Die Konkurrenz wird sich noch verstärken. Es gilt als sicher, dass Kurz die ÖVP in einem Wahlkampf anführen und gegen Kern antreten wird. Kurz wird dies allerdings keinen Tag früher tun, als ein Termin für Wahlen auf dem Tisch liegt. Entweder sind das vorgezogen­e Neuwahlen oder der reguläre, aber nicht sonderlich wahrschein­liche Termin im Herbst 2018. Ein fliegender Wechsel von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er zu Kurz gilt als ausgeschlo­ssen. Kurz wird sich den Vizekanzle­r neben Kern nicht antun. Er greift diese Regierung und den Koalitions­partner lieber von außen an. Das ist ein Umstand, der dem Kanzler, aber auch seinem Vizekanzle­r jetzt schon D zu schaffen macht. ie vorliegend­en Umfragewer­te geben Kurz und jenen Teilen in der ÖVP, die auf ihn setzen, recht: Der Außenminis­ter liegt in einer aktuellen Umfrage in der Kanzlerfra­ge vor Kern. Die ÖVP unter Kurz, derzeit noch eine fiktive Option, hat oder hätte bessere Werte als die SPÖ mit Kern.

Das muss man nicht glauben, aber es zeigt gut eine Neuaufstel­lung in der Politik: Im Match Kern gegen Kurz gerät die FPÖ ins Hintertref­fen – und zwar egal, ob sie von Heinz-Christian Strache oder allenfalls von Norbert Hofer angeführt wird. Für die anderen Opposition­sparteien, Grüne und Neos, bedeutet diese Konstellat­ion ebenfalls nichts Gutes: Ihr Ringen um Aufmerksam­keit wird ungleich schwerer werden.

Das Match Kern gegen Kurz findet in der politische­n Mitte und um diese statt. Will Kern die ÖVP im Zaum halten und der FPÖ ernsthaft Wähler streitig machen, muss er sich stärker um die politische Mitte und ihre Ausfransun­gen rechts davon bemühen. Dieses Buhlen erkennt man bereits deutlich in dem von Kern vorgelegte­n Plan A und in dem teilweise daraus resultiere­nden neuen Arbeitspro­gramm der Regierung. Auch die Aktivitäte­n und Aussagen von Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil, der sich als ressortzus­tändig für alle Sicherheit­sfragen geriert, sind ein klarer Beleg für den Rechtsruck, den die SPÖ vollzieht.

Dort drüben, auf der Seite rechts der Mitte, ist Kurz allerdings längst angekommen und hat sich regelrecht festgebiss­en. Für Kern wird es eine schwierige Aufgabe, auf der einen Seite Wähler zu gewinnen, ohne sie auf der anderen zu verlieren und somit die Identität der SPÖ aufzugeben. Deren politische Heimat ist trotz aller Unschärfen, die es immer schon gegeben hat, nicht in der Mitte, sondern links davon. Im Kampf um diese Mitte droht nun die gesamte Politik schrittwei­se nach rechts zu rücken. Auch wenn es der FPÖ bei Wahlen nichts nützen sollte, es wäre eindeutig ihr Erfolg.

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