Der Standard

Versailles statt Brüssel

- Thomas Mayer

Es gibt in Paris und rund um die französisc­he Hauptstadt viele schöne Plätze, an denen sich Politiker über die weitere Zukunft der Union nach dem EU-Austritt Großbritan­niens den Kopf zerbrechen könnten. Der Präsidente­npalast Élysée (übersetzt: Paradies) im Zentrum wäre naheliegen­d. Oder – etwas parlamenta­rischer – die Assemblée nationale, die Nationalve­rsammlung.

Auch Schloss Fontainebl­eau südlich der Stadt hätte konkreten Europabezu­g: Dort hatte einst Valéry Giscard d’Estaing mit dem deutschen Kanzler Helmut Schmidt den Reigen informelle­r EU-Gipfel gestartet und die Fundamente für die spätere Währungsun­ion gelegt. Tiefe Veränderun­g.

Nun lädt wieder einmal ein französisc­her Staatspräs­ident in Sachen EU-Reform ein: ausgerechn­et ins Schloss Versailles. Das Domizil des „Sonnenköni­gs“Louis XIV., Ort des Friedensve­rtrages von 1919, ist symbolisch kein idealer Ort – demokratie­politisch wie historisch. Insbesonde­re die kleinen EU-Partnerlän­der dürfen sich vom versteckte­n Machtanspr­uch herausgefo­rdert sehen.

François Hollande hat neben der Deutschen Angela Merkel nur die Premiers von Italien und Spanien geladen. So wird die Zukunft der EU-27 aber kaum erfolgreic­h zu bewältigen sein – als Zufallsvie­rer von künftig 27 Mitgliedst­aaten. Versailles statt Brüssel, das geht nicht. Da wäre die Versöhnung­sstadt Straßburg als Austragung­sort doch besser gewesen – als Sitz von Europarat und EU-Parlament.

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