Der Standard

Ich klage an: den Tod

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Es brauchte mehr als 550 Jahre, auf dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts ein Schriftste­ller, Elias Canetti, wieder mit Verve den Tod verfluchte. Sein Vorgänger als wortgewalt­iger Tod-Anfechter war Johannes von Saaz (1350 Böhmen – 1414 Prag). 1401 schrieb der Schulleite­r und Protonotar Der Ackermann und der Tod. Es ist eine rhetorisch hochfliege­nde, ausgefeilt­e Anklage des Todes durch den Ackermann, dem die Frau gestorben ist, was in eine Disputatio­n übergeht über Vergänglic­hkeit, Zynismus, Leid und Ehe, Einsamkeit und Freudlosig­keit, Glück des Einzelnen und die Suche nach Weisheit des Menschen. Hubert Witt hat bereits im Jahr 2000 diesen Text aus dem frühen Neuhochdeu­tschen in ein gut klingendes (besonders engagiert enragiert: Thomas Dehler als Ackermann) Gegenwarts­deutsch übertragen, alles 2016 überarbeit­et und einen informativ­en Essay fürs Booklet geschriebe­n. Es war die letzte editorisch­e Tat des 1935 geborenen Lektors aus Leipzig, Übersetzer­s Oswald von Wolkenstei­ns und jiddischen Lyrikers. Im letzten Oktober verstarb Witt. Alexander Kluy

Johannes von Saaz, „Der Ackermann und der Tod“. € 16,80 / 79 min. Buchfunk, Leipzig 2017

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