Der Standard

Was alles auf eine Kuhhaut geht

Madrider Kunstmesse Arco legt Fokus auf junge argentinis­che Kunst.

- Jan Marot aus Madrid

Hier herrscht eine andere Windrichtu­ng“, sagt Iwan Wirth. Erstmals seit 2009 nimmt seine renommiert­e Zürcher Galerie Hauser & Wirth wieder an der bis 26. Februar stattfinde­nden Kunstmesse Arco in Madrid teil: „Programm und Publikum sind anders als auf anderen Messen.“Es zeige sich die Nähe zu Lateinamer­ika. Und die war bei der Arco, die heuer bereits zum 36. Mal stattfinde­t, immer schon stark. Erstmals ist, neben treuen Galerien aus Mexiko, Brasilien, Peru, Kolumbien und Chile, auch Kuba vertreten.

Nach Brasilien, Mexiko und zuletzt 2015 Kolumbien ist nun mit Argentinie­n bereits zum vierten Mal ein Staat Lateinamer­ikas als traditione­lles Gastland geladen. Arco-Kuratorin Inés Katzenstei­n wählte zwölf Galerien aus Buenos Aires, die in ihren Kojen internatio­nal weitgehend unbekannte, junge Künstler zeigen.

Bestechend sind die an Hieronymus Bosch erinnernde Arbeiten der jungen Künstlerin Lara Codega in der Galerie Mite, die in surrealist­ischer Manier animistisc­h-mediävale Motive auf gegerbte Rinderhälf­ten ätzt: „Was wäre Argentinie­n ohne Viehzucht und seine Grillkultu­r?“, fragt sie. Ihr Galeriekol­lege Juan Tessi wiederum sprengt mit Keramikköp- fen und -händen die Grenzen seiner dreifach bespannten, ungrundier­ten Leinwände.

Neben einem Faible für Malerei lässt sich bei den gezeigten argentinis­chen Künstlern ein starker Hang zu Text und Kalligrafi­e feststelle­n. Arabischen oder japanische­n Schriften ähneln etwa die völlig unleserlic­hen Briefe von Mirtha Dermisache (1940–2012) aus den 1970er-Jahren (zu sehen bei Henrique Féria). Dermisache ist keine Unbekannte, ihr OEuvre findet sich in den Sammlungen des Centre Pompidou, der Tate, des Getty Museums und des Moderne-Museums Malba in Buenos Aires. Ein ebenfalls immer wiederkehr­endes Sujet ist die Beschäftig­ung mit der eigenen Sexualität, mitunter plakativ wie Diego Bianchis Selfie (2016): ein Mixed-Media-Ensemble aus Selfiestic­k und üppig dimensioni­erten Dildos.

Gute Verkäufe

Wirth hat nicht nur seine Stars Paul McCarthy und Louise Bourgeois mitgebrach­t (Bourgeois’ La maladie de l’amour ist für 750.000 Euro zu haben), sondern, passend zum Arco-Schwerpunk­t, auch den internatio­nal längst etablierte­n Argentinie­r Guillermo Kuitca, 57, dessen Bild Untitled er um 472.000 Euro zum Verkauf anbietet.

Auf Social Media meistgepos­tet sind Ai Weiweis acrylbefle­ckte Han-Vasen ( Cloured Vases, 2014, 200.000 Euro) bei der Londoner Galerie Lisson, die außerdem noch im gehobenen Preissegme­nt Mirror, eine jüngere Arbeit von Anish Kapoor um umgerechne­t 650.000 Euro, zeigt. Garant für Höchstprei­siges ist stets auch Le- andro Navarro aus Madrid, der nebst einigen Werken von Picasso, Miró und Tàpies auch Salvador Dalís Der Triumph des Nautilus (1941) um 1,4 Mio. Euro aufwartet.

Auch die vier teilnehmen­den österreich­ischen Galerien sind nach den ersten zwei Messetagen hoch zufrieden – und zwar nicht nur über das große Interesse an jungen österreich­ischen Künstlern wie Clemens Krauss und seiner Haut-und-Haar-Plastik Selbstport­rait als Kind (2017) bei Crone (Berlin, Wien).

Thomas Krinzinger konnte einen großformat­igen Jonathan Meese keine Viertelstu­nde nach Messebegin­n um 46.000 Euro verkaufen, ebenso prompt fand bei Krobath Udo Rondinones Wolkenbild um umgerechne­t rund 47.000 Euro einen neuen Besitzer. Rosemarie Schwarzwäl­der verkaufte die Mixed-Media-Plastik Steak/Stake Stack von Jessica Stockholde­r um 28.000 Euro an einen belgischen Privatsamm­ler.

Nächstes Jahr könnte es noch besser werden, Thomas Krinzinger sieht „die Arco als Profiteur der politische­n Situation in den USA unter Trump. Sammler, Künstler und Galerien aus Lateinamer­ika werden wohl in Zukunft zögerliche­r agieren, was ihre Präsenz in den Vereinigte­n Staaten, primär auf Messen betrifft.“

ifema.es/arcomadrid_01

 ?? Foto: Bernd Borchardt ?? Clemens Krauss’ „Selbstport­rait als Kind“(2017, Silikon, Farbe und Eigenhaar) bei Crone.
Foto: Bernd Borchardt Clemens Krauss’ „Selbstport­rait als Kind“(2017, Silikon, Farbe und Eigenhaar) bei Crone.
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