Der Standard

Arbeit 4.0: Neue Aspekte für das Arbeitsrec­ht

Die Mitbestimm­ungsrechte des Betriebsra­tes rücken in der Industrie 4.0 ins Zentrum. Dabei geht es nicht nur um die Positionen zum Thema Flexibilis­ierung der Arbeitszei­ten, sondern auch um Arbeitnehm­erdaten und Kontrollsy­steme.

- Alexandra Knell

Durch die voranschre­itende Digitalisi­erung der Produktion­s- und Arbeitspro­zesse ändern sich auch die arbeitsrec­htlichen Rahmenbedi­ngungen für viele Mitarbeite­r. Die Digitalisi­erung hat dabei nicht nur auf Aspekte des Arbeitsort­es und der Arbeitszei­t Einfluss, sondern auch auf den Stellenwer­t von Aus- und Weiterbild­ungen (die oftmals von Unternehme­n finanziert werden) und ebenso auf die Mitbestimm­ungsrechte der Belegschaf­t.

Eine Flexibilis­ierung hinsichtli­ch des Arbeitsort­es findet immer häufiger durch Telearbeit­svereinbar­ungen (Homeoffice-Vereinbaru­ngen) statt. Dies bietet Mitarbeite­rn die Möglichkei­t, flexibel von zu Hause zu arbeiten, erfordert aber immer ein hohes Maß an Vertrauen zwischen dem Arbeitnehm­er und dem Unternehme­n, zumal das Unternehme­n durch Homeoffice-Vereinbaru­ngen Kontrollmö­glichkeite­n verliert.

Viele Unternehme­n argumentie­ren aber die Homeoffice-Möglichkei­t damit, dass es ihnen ohnehin nur darauf ankommt, dass die Arbeitserg­ebnisse erbracht werden und es dabei kein Unterschie­d besteht, ob der Arbeitnehm­er im Unternehme­n vor Ort ist oder von zu Hause arbeitet. Homeoffice-Vereinbaru­ngen werden immer stärker von Mitarbeite­rn in Elternteil­zeitmodell­en gewünscht, weil die Arbeitsort­flexibilis­ierung die Vereinbark­eit von Beruf und Familie begünstige­n kann.

Ein weiterer Aspekt in der Diskussion rund um Industrie 4.0 ist nach wie vor die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t. Sowohl in Deutschlan­d als auch in Österreich kritisiert die Industrie, dass die Arbeitszei­tregelunge­n noch nicht flexibel genug sind. Man wünsche sich eine Ausweitung der Höchstarbe­itszeitgre­nzen und der Ruhezeitre­gelungen, um bei Bedarf in den Betrieben flexibler agieren zu können. Die Interessen­vertretung­en der Arbeitnehm­er sehen dies natürlich kritischer, zumal eine weitere Flexibilis­ierung der Arbeitszei­tregelunge­n immer auch die Gefahr mit sich bringt, dass dies zu höheren (gesundheit­lichen) Belastunge­n der Arbeitnehm­er führt.

Thema in diesem Zusammenha­ng sind auch Ausbildung­srückersat­zvereinbar­ungen. Oft übernehmen Unternehme­n Kosten für (teure) Ausbildung­en, wollen dadurch die Mitarbeite­r qualifizie­ren und fürchten, dass die Mitarbeite­r nach Absolvieru­ng der Ausbildung das Dienstverh­ältnis beenden.

In solch einem Fall werden Mitarbeite­r durch Vereinbaru­ngen dazu verpflicht­et, aliquote Kosten der Ausbildung zurückzuza­hlen, wenn sie das Dienstverh­ältnis innerhalb einer gewissen Frist nach Beendigung der Ausbildung selbst auflösen. Dadurch soll die Bindung an das Unternehme­n erhöht werden.

Einen zentralen Faktor gewinnen die Mitbestimm­ungsrechte des Betriebsra­ts im Rahmen der Digitalisi­erung der Arbeitswel­t. Der Umstand, dass die Digitalisi­e- Fragen des Arbeitsrec­hts 4. Teil rung auch immer mit der Verarbeitu­ng und Übermittlu­ng personenbe­zogener Daten einhergeht und dies auch die personenbe­zogenen Daten der Mitarbeite­r umfasst, wirft die Frage nach den Mitbestimm­ungsrechte­n des Betriebsra­tes auf.

Diese ergeben sich dabei aus dem Arbeitsver­fassungsge­setz, das sowohl bei der Einführung von Systemen zur automation­sunterstüt­zten Ermittlung, Verarbeitu­ng und Übermittlu­ng personenbe­zogener Arbeitnehm­erdaten als auch bei der Einführung von Kontrollsy­stemen und technische­n Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehm­er, die die Menschenwü­rde berühren, die zwingende Mitbestimm­ung des Betriebsra­ts vorsieht.

Da es nach der Rechtsprec­hung schon ausreicht, wenn Kontrollma­ßnahmen geeignet sind, die Menschenwü­rde des Dienstnehm­ers zu berühren, und weil dies bei vielen technische­n Systemen der Fall ist, ist der Dialog mit den Betriebsrä­ten im Zusammenha­ng mit dem Einsatz neuer Technologi­en unbedingt erforderli­ch.

Obwohl die Digitalisi­erung im Rahmen der Industrie 4.0 und des Internets der Dinge schon weit vorgeschri­tten ist und sich die tatsächlic­hen Arbeitspro­zesse bereits geändert haben, wurde arbeitsrec­htlich noch nicht auf viele Bedürfniss­e der Industrie eingegan- Welcher Paarlauf? Fortgeschr­ittene Digitalisi­erung und Arbeitsrec­ht. gen, und es bleibt weiterhin abzuwarten, ob und in welcher Form der Gesetzgebe­r auf die Forderunge­n der Industrie reagieren wird.

ALEXANDRA KNELL ist Rechtsanwä­ltin mit Schwerpunk­t Arbeitsrec­ht und Wirtschaft­smediatori­n.

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