Arbeit 4.0: Neue Aspekte für das Arbeitsrecht
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates rücken in der Industrie 4.0 ins Zentrum. Dabei geht es nicht nur um die Positionen zum Thema Flexibilisierung der Arbeitszeiten, sondern auch um Arbeitnehmerdaten und Kontrollsysteme.
Durch die voranschreitende Digitalisierung der Produktions- und Arbeitsprozesse ändern sich auch die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für viele Mitarbeiter. Die Digitalisierung hat dabei nicht nur auf Aspekte des Arbeitsortes und der Arbeitszeit Einfluss, sondern auch auf den Stellenwert von Aus- und Weiterbildungen (die oftmals von Unternehmen finanziert werden) und ebenso auf die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft.
Eine Flexibilisierung hinsichtlich des Arbeitsortes findet immer häufiger durch Telearbeitsvereinbarungen (Homeoffice-Vereinbarungen) statt. Dies bietet Mitarbeitern die Möglichkeit, flexibel von zu Hause zu arbeiten, erfordert aber immer ein hohes Maß an Vertrauen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Unternehmen, zumal das Unternehmen durch Homeoffice-Vereinbarungen Kontrollmöglichkeiten verliert.
Viele Unternehmen argumentieren aber die Homeoffice-Möglichkeit damit, dass es ihnen ohnehin nur darauf ankommt, dass die Arbeitsergebnisse erbracht werden und es dabei kein Unterschied besteht, ob der Arbeitnehmer im Unternehmen vor Ort ist oder von zu Hause arbeitet. Homeoffice-Vereinbarungen werden immer stärker von Mitarbeitern in Elternteilzeitmodellen gewünscht, weil die Arbeitsortflexibilisierung die Vereinbarkeit von Beruf und Familie begünstigen kann.
Ein weiterer Aspekt in der Diskussion rund um Industrie 4.0 ist nach wie vor die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich kritisiert die Industrie, dass die Arbeitszeitregelungen noch nicht flexibel genug sind. Man wünsche sich eine Ausweitung der Höchstarbeitszeitgrenzen und der Ruhezeitregelungen, um bei Bedarf in den Betrieben flexibler agieren zu können. Die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer sehen dies natürlich kritischer, zumal eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen immer auch die Gefahr mit sich bringt, dass dies zu höheren (gesundheitlichen) Belastungen der Arbeitnehmer führt.
Thema in diesem Zusammenhang sind auch Ausbildungsrückersatzvereinbarungen. Oft übernehmen Unternehmen Kosten für (teure) Ausbildungen, wollen dadurch die Mitarbeiter qualifizieren und fürchten, dass die Mitarbeiter nach Absolvierung der Ausbildung das Dienstverhältnis beenden.
In solch einem Fall werden Mitarbeiter durch Vereinbarungen dazu verpflichtet, aliquote Kosten der Ausbildung zurückzuzahlen, wenn sie das Dienstverhältnis innerhalb einer gewissen Frist nach Beendigung der Ausbildung selbst auflösen. Dadurch soll die Bindung an das Unternehmen erhöht werden.
Einen zentralen Faktor gewinnen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Rahmen der Digitalisierung der Arbeitswelt. Der Umstand, dass die Digitalisie- Fragen des Arbeitsrechts 4. Teil rung auch immer mit der Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten einhergeht und dies auch die personenbezogenen Daten der Mitarbeiter umfasst, wirft die Frage nach den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates auf.
Diese ergeben sich dabei aus dem Arbeitsverfassungsgesetz, das sowohl bei der Einführung von Systemen zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Arbeitnehmerdaten als auch bei der Einführung von Kontrollsystemen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer, die die Menschenwürde berühren, die zwingende Mitbestimmung des Betriebsrats vorsieht.
Da es nach der Rechtsprechung schon ausreicht, wenn Kontrollmaßnahmen geeignet sind, die Menschenwürde des Dienstnehmers zu berühren, und weil dies bei vielen technischen Systemen der Fall ist, ist der Dialog mit den Betriebsräten im Zusammenhang mit dem Einsatz neuer Technologien unbedingt erforderlich.
Obwohl die Digitalisierung im Rahmen der Industrie 4.0 und des Internets der Dinge schon weit vorgeschritten ist und sich die tatsächlichen Arbeitsprozesse bereits geändert haben, wurde arbeitsrechtlich noch nicht auf viele Bedürfnisse der Industrie eingegan- Welcher Paarlauf? Fortgeschrittene Digitalisierung und Arbeitsrecht. gen, und es bleibt weiterhin abzuwarten, ob und in welcher Form der Gesetzgeber auf die Forderungen der Industrie reagieren wird.
ALEXANDRA KNELL ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Arbeitsrecht und Wirtschaftsmediatorin.