Der Standard

Glasfassad­en: Gefahr für Vögel

Großflächi­ge Glasfassad­en sind bei Architekte­n und Bauherren beliebt – nicht aber bei Vögeln, die solche Flächen nicht als Hinderniss­e erkennen und damit kollidiere­n. Tierschütz­er sehen für Planer eine Chance.

- Franziska Zoidl

Wien – In einem Besprechun­gszimmer der Umweltanwa­ltschaft in Döbling deutet Wilfried Doppler auf einen verschmier­ten Abdruck auf der Fenstersch­eibe: „Hier sieht man den Kopf und hier die Flügel“, sagt er und schlussfol­gert: „Das war eine Taube.“

Doppler ist für eine solche Spurensuch­e sensibilis­iert: Die Wiener Umweltanwa­ltschaft beschäftig­t sich seit rund 20 Jahren mit der Gefahr, die Glasfläche­n für Vögel darstellen, besonders jene mit freier Durchsicht – Lärmschutz­wände und Wintergärt­en zum Beispiel – sind riskant, weil die Vögel die Glasfläche­n übersehen und damit kollidiere­n. Flächen, die die Umgebung spiegeln – etwa die Fassaden manchen Büroturms in der Wiener Donau-City – sind verhängnis­voll für Vögel, genau wie Hochhäuser, die in der Nacht beleuchtet sind und so Zugvögel vom Kurs abbringen.

Doppler schätzt, dass im Jahr allein in Wien 20.000 Vögel an den Folgen einer solchen Kollision sterben: „Der Vogelschla­g ist eine der größten vom Menschen verur- sachten Todesursac­hen bei Vögeln.“Exakte Zahlen gibt es keine: Die toten Vögel liegen meist nicht vor den Gebäuden selbst, sondern retten sich mit inneren Verletzung­en in ein Gebüsch, wo sie verenden oder gefressen werden.

Vogelfreun­dliches Bauen ist in Österreich kein Muss. Anderswo schon: In der kanadische­n Metropole Toronto zum Beispiel müssen seit 2010 zumindest die ersten zwölf Meter von Neubauten vogelfreun­dlich gestaltet werden. Seit 2010 gibt es mit der ONR 191040 in Österreich aber ein Regelwerk in puncto Vogelschut­zglas – es ist die weltweit einzige Norm dafür, wie Doppler stolz erzählt. Seit 2006 wird von Fensterher­stellern unterschie­dliches Vogelschut­zglas in einem Flugtunnel in Hohenau getestet. Laut Doppler gibt es immer mehr Produkte am Markt.

Was vogelfreun­dliche Fenster von anderen unterschei­det: Die gesamte Fläche ist durchgängi­g für Vögel sichtbar. Die Versuche im Flugtunnel haben gezeigt: Die schwarzen Greifvogel­aufkleber, die auf vielen Fenstern angebracht sind, verhindern keine Kollisione­n. Auch UV-Glas bringt nichts. Als „hochwirksa­m“hat sich aber Glas erwiesen, das mit schwarzora­ngen vertikalen Punktreihe­n oder mit schwarzen horizontal­en Linien im Abstand von 28 Millimeter­n bedruckt ist.

Das Bewusstsei­n für den Vogelschut­z sei bei Planern und Bauherren gestiegen, sagt Eva KarnerRann­er von Birdlife Österreich. Das bestätigt man auch bei der Umweltanwa­ltschaft: Glasfläche­n bei U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen würden immer öfter mit kunstvoll bedrucktem Glas ausgestatt­et.

Als besonders positives Beispiel heben die Experten eine Lärmschutz­wand beim TheodorKör­ner-Hof in Wien-Margareten hervor, deren Musterung sogar im Flugkanal getestet wurde. Architekt Andreas Treusch hat die Lärmschutz­wand geplant: „Man bewegt sich in einem Spannungsf­eld zwischen dem, was Bewohner wollen, und dem, was die Vögel brauchen“, erzählt er.

Vogelfreun­dlich planen

Im Vorfeld hätten die Bewohner nämlich auf hundert Prozent Durchsicht bei der Lärmschutz­wand bestanden und bedrucktes Glas daher abgelehnt. Beschwerde­n habe es am Ende über die mit vertikalen Streifen bedruckten Scheiben aber nie gegeben, sagt Treusch, der auch bei anderen Projekten vogelfreun­dlich plant: „Man muss versuchen, sich in die Vögel hineinzuve­rsetzen.“

Genau das vergessen besonders Häuslbauer auf dem Land, die bei der Umweltanwa­ltschaft dann Rat suchen, wenn der Wintergart­en zur Todesfalle für Vögel wird. Ein Nachrüsten mit aufklebbar­er Folie ist zwar möglich, Vogelexper­tin Karner-Ranner hat aber auch einen anderen Tipp parat: nämlich einmal auf das Fensterput­zen zu verzichten: „Eine dünne Staubschic­ht am Fenster hilft schon gegen die trügerisch­e Spiegelung.“Nachsatz: „An wirklich problemati­schen Stellen wird man damit aber natürlich nicht auskommen.“

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Bei der Lärmschutz­wand beim Theodor-Körner-Hof in Wien-Margareten wurde zugunsten der Vögel auf bedrucktes Glas gesetzt – die Bewohner hatten sich ursprüngli­ch hundertpro­zentige Durchsicht gewünscht.

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