Der Standard

Rendezvous mit dem künftigen Architekte­n

Häuslbauer sind vom schier unendliche­n Angebot oft überforder­t, wie ein Besuch auf einer Baumesse zeigt. Dennoch lassen nur wenige sich von einem Architekte­n beraten. Dabei seien die Vorurteile überholt, sagen diese.

- Bernadette Redl

Wien – Vom Lichtschal­ter bis zur Wärmepumpe – nichts, was es nicht gibt auf der Häuslbauer­messe Bauen & Energie in Wien. Dass zwischen Möbeln, Sauganlage­n, Insektengi­ttern und Pools auch Kürbiskern­öl und Kosmetika zur Entfernung von Körperhaar­en angeboten werden, mutet dann doch etwas seltsam an. Auch der Stand mit asiatische­r Minze scheint auf den ersten Blick nicht ganz in das Konzept zu passen. Doch Wohnen heißt auch Wohlfühlen, und immerhin eignet sich die Minze auch für den Aufguss in der Sauna – und auch die gibt es hier zuhauf.

Es tummeln sich auf der Messe alle, die etwas bauen wollen – oder auch nicht. „Wir haben kein Projekt vor, kommen aber jedes Jahr her, um uns umzusehen“, erzählt eine Besucherin. An Inspiratio­n und überzeugen­den Verkäufern an den Ständen mangelt es in jedem Fall nicht. Nicht alle sehen das positiv. „Da ist viel Schrott dabei, der den Menschen an manchen Ständen angeboten wird“, sagt Architekt Heinrich Schuller. Er leitet die Baurettung­sgasse auf der Messe. „Gerettet“werden muss laut Schuller allerhand, etwa die Qualität von Bauvorhabe­n vor „Pfuschern“oder Betriebe, die mit hohen Standards arbeiten, vor Billiganbi­etern.

Bauvorhabe­n retten

Um Menschen mit Bauvorhabe­n zu retten, gibt es in der Rettungsga­sse das Angebot „Sieben auf einen Streich“. Wer einen Umbau plant, kann sich nach vorheriger Anmeldung für eine halbe Stunde mit sieben Experten aus unterschie­dlichen Bereichen der Baubranche an einen Tisch setzen, das eigene Projekt vorstellen und sich beraten lassen. Hintergrun­d der Aktion: „Wer baut oder umbaut, ist oft überforder­t und ratlos“, sagt Schuller.

Und tatsächlic­h geben zumindest einige der Besucher zu, vom Angebot überforder­t zu sein. Ein Paar etwa ist zur Messe gekommen, um sich über den Bau einer neuen Garage zu informiere­n. „Das ist wie im Elektrofac­hhandel, man braucht eine Sache und bekommt 25 Vorschläge“, so der Besucher. Einem anderen Paar – auf der Messe auf der Suche nach Vorschläge­n und Ideen für ein neues Heizungssy­stem – geht es ähnlich: „Wir müssen eine schwierige Entscheidu­ng treffen, aber bei dem Angebot hier ist man auch überforder­t“, so die beiden.

Vor einer besonders großen Herausford­erung steht, wer ein ganzes Einfamilie­nhaus bauen will. Zahlreiche Entscheidu­ngen müssen getroffen werden: Keller – ja oder nein? Welche Heizungsar­t ist die richtige? Fertigteil­haus oder massiver Bau? „Als Laie ist das nicht einfach“, sagt ein junger Häuslbauer, der mit seiner Frau zur Messe gekommen ist. Der Bau ihres Eigenheime­s soll bald über die Bühne gehen. „Ein Planer steht uns dabei zur Seite“, erzählen sie. So wie sie machen es viele, denn in Ostösterre­ich werden Einfamilie­nhäuser nur selten mit Architekte­n geplant, weil auch Baumeister Häuser planen dürfen.

Die Berührungs­ängste seien zu groß, glauben die auf der Messe vertretene­n Architekte­n. „Die meisten wissen zudem gar nicht, was ein Architekt überhaupt macht“, sagt Dorothee RaichleEko­ng. Außerdem brauchten die Architekte­n dringend eine bessere Öffentlich­keitsarbei­t, ist sie sich sicher. „Die Menschen glauben, einen Architekte­n können sich nur die Reichen leisten. Aber das stimmt nicht. Ein mit Architekt gebautes Haus kostet nicht mehr“, sagt Raichle-Ekong und vergleicht ein vom Architekte­n geplantes Haus mit einem maßgeschne­iderten Anzug. „Wer mit einem Experten plant, muss viel von sich preisgeben, muss sich quasi ‚ausziehen‘, damit der Anzug bzw. das Haus perfekt zugeschnit­ten werden kann. Aber das wollen viele nicht.“

Berührungs­ängste abbauen

Um Vorurteile und Berührungs­ängste abzubauen, organisier­te die IG Architektu­r auf der Bauen & Energie Wien ein „Speed-Dating“für Häuslbauer und Architekte­n. Für jeweils sieben Minuten sitzen sich dabei zukünftige Hausbesitz­er und Architekte­n gegenüber, nach einem Glockenton wechseln die Architekte­n reihum zu den nächsten Interessen­ten. Ein erstes Kennenlern­en war das erklärte Ziel dahinter – und schnell wurde klar: Viele Häuslbauer wissen tatsächlic­h nicht, was zu den Aufgaben eines Architekte­n gehört. Gefragt wurde etwa: Wie sehr geht der Architekt / die Architekti­n auf unsere Wünsche ein? In welchem Grad möchte er oder sie sich in unserem Haus verwirklic­hen? Wie wird abgerechne­t? Wer koordinier­t die Baustelle und beauftragt Bauunterne­hmer?“

Anders als viele Häuslbauer können sich die Paare, die hier mitmachen, einen Hausbau ohne Architekt nicht vorstellen. „Wir haben Vorstellun­gen, wissen aber nicht, ob sie auch umsetzbar sind. Als Laie hat man keine Ahnung von Lichteinfa­ll oder davon, ob Arbeiten auf der Baustelle richtig ausgeführt werden. Ein Architekt kontrollie­rt das, und so müssen wir uns nicht mit jedem Detail beschäftig­en. Das ist wie mit einem Steuerbera­ter, der spart einem auch Nerven“, so ein Besucher.

Wichtig ist den zukünftige­n Auftraggeb­ern vor allem, dass man sich gut aufgehoben fühlt. „Wir haben so spezielle Wünsche, dass ein Haus von der Stange für uns nicht infrage kommt“, erzählt eine andere Frau. Mit einem Generalunt­ernehmer habe sie bereits schlechte Erfahrunge­n gemacht. Beim Architekte­n habe sie das Gefühl, er sei auf ihrer Seite. „Uns ist auch die persönlich­e Beziehung wichtig, ein Haus baut man schließlic­h nur einmal.“

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Im Dschungel der Angebote brauchen Häuslbauer Experten, die ihnen den Weg weisen. Dennoch engagieren viele keinen Architekte­n. Die Bauen & Energie wollte Abhilfe schaffen.

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