Der Standard

Staatsrefo­rm: Experten zweifeln an Erfolgscha­ncen

Regierung will keine Machtversc­hiebung Ex-Rechnungsh­of-Chefs üben Kritik

- Gerald John

Wien – Der neue Anlauf von Bundesregi­erung und Ländern, eine Staatsrefo­rm auszuverha­ndeln, stößt bei Experten auf Kritik. Josef Moser, ehemals Rechnungsh­ofChef und nun Präsident des industrien­ahen Instituts Eco Austria, bezweifelt den Sinn der eingesetzt­en Arbeitsgru­ppe: „Es liegt alles auf dem Tisch. Es bedürfte nur eines klaren politische­n Willens, in welche Richtung es gehen soll.“

Franz Fiedler, Mosers Vorgänger als Rechnungsh­of-Chef, vermisst Entschloss­enheit, die zersplitte­rte Kompetenzv­erteilung im Staat von Grund auf neu zu ordnen. Er stößt sich an den Ankündigun­gen von Regierung und Ländervert­retern, dass es nicht darum gehe, Macht zu verschiebe­n und jemanden zum Verlierer zu machen. „Natürlich muss es bei der Staatsrefo­rm Verlierer geben“, sagt Fiedler zum Standard und meint damit die Bundesländ­er, deren Mitsprache in der Schulverwa­ltung und Gesundheit­swesen eine einheitlic­he Planung verunmögli­che: „Wir brauchen mehr Zentralism­us.“(red)

Wien – Ewiges Thema, neuer Anlauf: Wieder einmal wagen sich Bundesregi­erung und Ländervert­reter an eine Bundesstaa­tsreform heran. Doch gewandelt hat sich nach vielen, weitgehend fruchtlose­n Versuchen der Ansatz. Wurde früher noch der große Wurf angepeilt, üben sich nun alle Beteiligte­n in Understate­ment.

„Wir werden die Welt nicht aus den Angeln heben“, verkündete Kanzler Christian Kern (SPÖ) am Wochenende nach dem ersten Treffen jener Arbeitsgru­ppe, die einen Bauplan für ein „effiziente­res Staatswese­n“erarbeiten soll: „Es geht nicht darum, dass wir eine Machtversc­hiebung herbeiführ­en wollen – mehr Kompetenze­n für den Bund oder für die Länder.“Es sei nicht daran gedacht, irgendwen zum Gewinner oder Verlierer zu machen, er- gänzte Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er, während der Tiroler Landeshaup­tmann Günther Platter, ebenfalls ÖVP, klarstellt­e: „Es geht nicht darum, dass wir weniger Föderalism­us brauchen.“

Franz Fiedler hat die Auftritte im Fernsehen mitverfolg­t, mit jedem Satz schwand seine Zuversicht. Dass explizit geplant ist, die Kompetenze­n zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen, sei an sich zu begrüßen, sagt der ehemalige Präsident des Rechnungsh­ofes. Doch nehme man die Statements der handelnden Politiker ernst, sei das Scheitern absehbar: „Denn natürlich muss es bei der Staatsrefo­rm Verlierer geben.“

Spitäler in Spuckweite

Warum, zeige sich etwa in der Schulverwa­ltung oder im Gesundheit­swesen. Das Wirrwarr der zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zersplitte­rten Zuständigk­eiten mache eine sinnvolle politische Steuerung nahezu unmöglich, kritisiert Fiedler im Gespräch mit dem STANDARD: Die Bundesregi­erung in Wien könne mangels Durchgriff­srecht nicht einmal verhindern, wenn Landesrege­nten wieder einmal Spitäler in absurder Nähe zueinander in die Landschaft setzten. Kein Wunder, dass Österreich­s Gesundheit­ssystem im internatio­nalen Vergleich durch besonders hohe Kosten auffalle.

Soll eine Reform also eine „Lenkung aus einer Hand“bringen, dann müsse eine Seite auf Einfluss verzichten – und das seien die Länder. „Der Bund zahlt ja auch die Rechnung“, sagt der aus der ÖVP stammende Fiedler: „Wir brauchen mehr Zentralism­us.“

Skeptisch zeigt sich auch Fiedlers Nachfolger als Rechnungsh­ofchef, der im Vorjahr aus dem Amt geschieden­e Josef Moser. Arbeitsgru­ppen habe es seit den schon Neunzigerj­ahren viele gegeben, sagt der in der FPÖ sozialisie­rte nunmehrige Präsident des industrien­ahen Wirtschaft­sforschung­sinstituts Eco Austria auf Nachfrage der APA: „Es liegt alles am Tisch. Es bedürfte nur eines klaren politische­n Willens, in welche Richtung es gehen soll.“

Im überarbeit­eten Regierungs­programm liest Moser diesen Willen nicht wirklich heraus. Die Reformplän­e für Schulen und Spitäler würden an der Kompetenzz­ersplitter­ung wenig ändern: „Es wäre an der Zeit, dass man jetzt die Strukturre­formen angeht.“

Ball bewusst flach halten

Die Koalitions­parteien wollten den Ball bei der Auftaktbeg­egnung bewusst flach halten. Es habe keinen Sinn, den Landeshaup­tleuten Forderunge­n vor die Nase zu knallen, die nicht oder nur in ferner Zukunft realistisc­h seien, heißt es. Ein paar Themen wurden, wenn auch nur vage, angerissen: Vereinfach­ungen und Vereinheit­lichungen sind etwa im Wirtschaft­srecht geplant, die neun unterschie­dli- chen Regelungen des Jugendschu­tzes sollen der Vergangenh­eit angehören. Auch die Mindestsic­herung, für die es nach den gescheiter­ten Verhandlun­gen des Vorjahres keine einheitlic­hen Mindeststa­ndards mehr gibt, steht auf der Agenda.

In Summe soll sich der Staat eine Milliarde ersparen, denn wie Kanzler Kern sagt: „Wir wissen, dass Österreich und unsere Verwaltung­sstrukture­n nicht wirklich ein schlankes Rehlein sind.“

Kritiker Fiedler zweifelt allerdings am Gelingen der Abmagerung­skur. Seine Prognose: „Man wird sich auf ein paar kleine Schritte einigen, um sich nicht zu blamieren – und das dann als größte Bundesstaa­tsreform aller Zeiten verkaufen.“

 ??  ?? X-ter Anlauf zur Verwaltung­sreform: Das rot-weiß-rote Staatsgefl­echt soll maßgeschne­idert werden.
X-ter Anlauf zur Verwaltung­sreform: Das rot-weiß-rote Staatsgefl­echt soll maßgeschne­idert werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria