Der Standard

Bosnien feiert 25 Jahre Unabhängig­keit

Auch 25 Jahre nach dem Referendum in Bosnien und Herzegowin­a ist der Grundkonfl­ikt zwischen jenen, die den Staat wollen, und jenen, die ihn ablehnen, geblieben.

- ANALYSE: Adelheid Wölfl

Die Beziehunge­n zwischen den beiden Staaten würden um 25 Jahre zurückgewo­rfen. „So als gäbe es kein Vertrauen und keine Versöhnung“, sagte der serbische Premier Aleksandar Vučić vergangene Woche. Man werde eine Demütigung Serbiens nicht zulassen. Sein Auftritt wurde von den wichtigste­n bosnisch-serbischen Politikern flankiert. So zusammenge­schweißt war man lange nicht mehr.

Weil führende Vertreter der Bosniaken – allen voran das Mitglied des bosnischen Staatspräs­idiums, Bakir Izetbegovi­ć – eine Berufung gegen ein Urteil des Internatio­nalen Gerichtsho­fs aus dem Jahr 2007 zum Genozid in Srebrenica forciert haben, sind nicht nur die Spannungen zwischen den Nachbarlän­dern gestiegen. In Bosnien-Herzego- wina verließen bosnisch-serbische Politiker vergangene Woche das Parlament.

Diese Aktion und die Allianz zwischen bosnisch-serbischen und serbischen Politikern erinnern an die Ereignisse vor 25 Jahren. Damals hatten bosnisch-serbische Politiker das Parlament verlassen. Der bosnisch-serbische Politiker Radovan Karadžić und der serbische Präsident Slobodan Milošević arbeiteten an einer Aufteilung Bosnien-Herzegowin­as, aus dem sogenannte „serbische Regionen“abgetrennt werden sollten. Auch der jetzige Chef der größten bosnisch-serbischen Partei SNSD, Milorad Dodik, will die Abtrennung und Unabhängig­keit der Republika Srpska (RS), also jenes bosnischen Landesteil­s, der vor 25 Jahren ausgerufen wurde.

Konkret geht es derzeit darum, dass das Gericht im Jahr 2007 geurteilt hatte, dass Serbien zwar dafür verantwort­lich gewesen sei, den Genozid in Srebrenica nicht verhindert zu haben, direkt aber keine Verantwort­ung dafür trage. Die politische­n Vertreter der Bosniaken haben wegen möglicher Entschädig­ungszahlun­gen Revision eingelegt. Noch wichtiger ist ihnen aber, dass Serbien für die ethnischen Säuberunge­n und den Krieg in Bosnien-Herzegowin­a verurteilt wird.

Es ist jedoch nicht einmal klar, ob das Haager Gericht die Berufung überhaupt annehmen wird, denn sie wird praktisch nur von bosniakisc­hen Politikern unterstütz­t. Ganz offensicht­lich ist allerdings, dass die ganze Causa dazu führt, dass die SNSD und Dodik in ihrer Ablehnung des gemeinsame­n bosnischen Staates noch mehr Aufwind bekommen werden.

Den Zeitzeugen und ehemaligen Deutschleh­rer Mehmed Alićehajić erinnert manches, was Bakir Izetbegovi­ć heute tut, an dessen Vater Alija Izetbegovi­ć vor einem Vierteljah­rhundert. „Damals hat Alija Izetbegovi­ć bestimmten serbischen Kräften in die Hände gespielt“, kritisiert er den damaligen Chef der bosniakisc­hen Partei SDA. So habe Izetbegovi­ć bereits 1990 unterstütz­t, dass das Land von drei nationalre­ligiös ausgericht­eten Parteien geführt wird. „Aus diesem Bann kommen wir bis heute nicht heraus.“

Tatsächlic­h gingen die Vorstellun­gen über die Verfassthe­it von Bosnien-Herzegowin­a zwischen diesen drei Parteien diametral auseinande­r. Nachdem die nationalis­tische bosnisch-serbische Partei SDS während der ersten freien Wahlen 1990 noch so tat, als ob sie gemeinsam mit den anderen die Republik erhalten wolle, forderte sie bereits im Mai 1991 die Sezession von Regionen im nördlichen und westlichen Bosnien.

Serbische Aufrüstung

Bereits 1990 hatte Belgrad begonnen, serbische Milizen in Kroatien und in Bosnien-Herzegowin­a zu organisier­en und zu bewaffnen. Im September 1991 wurden Truppen der Jugoslawis­chen Volksarmee (JVA) nach Bosnien verlegt. „Während Izetbegovi­ć und einige seiner engen Berater ziemlich offensicht­lich an unheilbare­r Naivität litten, spielte die SDS vom ersten Tag der Koalitions­regierung an ein zerstöreri­sches Spiel als fünfte Kolonne“, schreibt die amerikanis­che Politologi­n Sabrina Ramet in ihrem Buch Die drei Jugoslawie­n.

Für Karadžić und Milošević kamen nur zwei Modelle infrage, die sich kaum unterschie­den: ein „Rumpf-Jugoslawie­n“unter serbischer Dominanz oder ein Großserbie­n. Für die bosnischen Muslime und Katholiken war beides nicht akzeptabel. Im letzten Moment entschiede­n sich Bosniaken und Kroaten, das Unabhängig­keitsrefer­endum – trotz Drohungen der SDS – abzuhalten. Die BadinterSc­hiedskommi­ssion hatte ein solches zur Bedingung für die spätere Anerkennun­g gemacht. Am 29. Februar und 1. März 1992 stimmten 99,7 Prozent für ein unabhängig­es Bosnien-Herzegowin­a. Die Wahlbeteil­igung lag bei 63,4 Prozent. Die meisten Serben waren zu Hause geblieben. Einen Monat später begann der Krieg.

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„Für die Einigkeit von Bosnien-Herzegowin­a“stand auf dem Wahlplakat für das Referendum über die Unabhängig­keit der damaligen jugoslawis­chen Teilrepubl­ik.

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