Was aus der Gurlitt- Sammlung wurde
Vor fünf Jahren wurde die Sammlung Gurlitt beschlagnahmt. Die ernüchternde Bilanz: Von den 1580 Kunstwerken gelten erst 520 als geklärt, drei der fünf als NSRaubkunst identifizierten wurden restituiert.
Wien – Zum fünften Mal jährt sich dieser Tage die Beschlagnahme einer Kunstsammlung, die bis heute ein unrühmliches Bild auf die deutschen Behörden wirft. Zwei Jahre zuvor war ein gewisser Cornelius Gurlitt über eine Personenkontrolle in einem Zug von Zürich nach München ins Visier der Steuerfahnder geraten.
Am 28. Februar 2012 betraten Zollbeamte die im Münchener Stadtteil Schwabing liegende Wohnung des damals 80-Jährigen und stießen auf eine unerwartet große Menge an Kunstwerken. Exakt 1259, wie eine spätere Inventarisierung ergab, die kurzerhand beschlagnahmt wurden. Eine Aktion, die in keinem Verhältnis zu einer etwaigen Steuerschuld stand und für die nie jemand Rechenschaft ablegen sollte.
„Schwabinger Kunstfund“
Bekannt wurde die Sicherstellung des fortan verharmlosend als „Schwabinger Kunstfund“bezeichneten erst im Herbst 2013. Er entpuppte sich als Restbestand des Depots des in der Ära der Nationalsozialisten tätigen Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, Vater des Cornelius. Die Sammlung war und ist eine Melange aus ehemals verfemter deutscher Avantgarde der Ka- tegorie „Entartete Kunst“und Trouvaillen vorangegangener Generationen. Manches davon auch NS-Raubkunst – in welchem Umfang, ist bis heute ungeklärt.
Eine unter internationalem Druck eiligst einberufene Taskforce sollte innert eines Jahres die Herkunft von knapp 500 „verdächtigen“Werken klären. Bis November 2015 hatte man fünf Kunstwerke zweifelsfrei als in der NS-Zeit entzogen identifiziert, restituiert wurden bislang allerdings nur drei: Max Liebermanns Gemälde Reiter am Strand und Henri Matisse Femme assise im Mai 2015 sowie jüngst Adolphe Menzels Zeichnung eines Kircheninterieurs. Camille Pissarros im Februar 2015 als Raubkunst deklariertes Gemälde La Seine vue du Pont-Neuf harrt ebenso noch einer Rückgabe wie eine Zeichnung Carl Spitzwegs seit Okto-ber 2014. Woran es sich spießt, war aktuell nicht in Erfahrung zu bringen. Eine diesbezügliche Anfrage an die Pressestelle der Kulturstaatsministerin blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Im Jänner 2016 hatte die Taskforce Monika Grütters einen vorläufigen Abschlussbericht vorgelegt. Im Detail legte er auch Zeugnis von völliger Überforderung und mangelndem Verständnis für die Provenienzthematik ab. Ingeborg Berggreen-Merkel, Leiterin der Taskforce, hatte fachliche Beurteilungen von Experten ignoriert und sogar ins Gegenteil verkehrt.
Zwischendurch hatte Cornelius Gurlitt sein Häuschen in Salzburg räumen lassen, wo sich im Februar 2014 weitere 315 Kunstwerke fanden. Mit Ölbildern von Monet, Manet (siehe Foto) oder Renoir überstieg dieser Fund im Wert jenen von Schwabing deutlich. NSRaubkunstverdacht galt auch hier. Als Gurlitt im Mai 2014 verstarb, vermachte er seinen Besitz dem Kunstmuseum Bern. Der Erbantritt sollte sich verzögern, da Gurlitts Cousine seinen Letzten Willen in allen Instanzen anfocht. Erst im Dezember 2016 erklärte das Oberlandesgericht München das Testament für gültig.
Anfang vergangenen Jahres ging das „Projekt Provenienzrecherche Gurlitt“in die Verantwortung des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste über. Der über die Website abrufbare Status ist mehr als ernüchternd: von den insgesamt 1578 aufgefunden Kunstwerken gelten gerade einmal 520 – und damit ein knappes Drittel – als geklärt. Für 680 ist ein NS-Raubkunstverdacht weiterhin nicht auszuschließen, ebenso für 325 der Rubrik „Entartete Kunst“, da diese teilweise „Leihgaben rassisch oder politisch Verfolgter waren“.
Salzburger Fund ungeklärt
Der jüngste Zwischenbericht datiert von Juli 2016: 568 Werke befänden sich in der „vertieften Erforschung“, für 91 habe sich der Verdacht auf NS-Raubkunst erhärtet. Ein aktueller Überblick? Auf STANDARD- Anfrage war Projektleiterin Andrea Baresel-Brand zu keinem Gespräch bereit.
Zum Forschungsstand der in Salzburg aufgefundenen 315 Kunstwerke informierte man schriftlich: Für 184 liegt eine Basisrecherche vor, sechs davon konnten abgeschlossen werden. Zwei gelten als unbedenklich, vier wurden als „ungeklärt“eingestuft.
Der komplette Abschlussbericht dürfte erst Ende des Jahres vorliegen.