Der Standard

Nahost-Neuordnung

Saudi-Arabien hat das erste Mal seit dem irakischen Überfall auf Kuwait im Jahr 1990 seinen Außenminis­ter auf Besuch nach Bagdad geschickt. Der Irak soll ins arabische Boot zurückgeho­lt werden, auf Kosten des Einflusses Teherans.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Saudi-Arabien will den Irak – erstmals nach dem irakischen Überfall auf Kuwait im Jahr 1990 – ins Boot zurückhole­n.

Bagdad/Wien – Weshalb ist die Nachricht, dass der saudi-arabische Außenminis­ter Adel al-Jubair am Samstag überrasche­nd die irakische Hauptstadt Bagdad besucht hat, so bedeutend? Die Antwort auf die Frage ist mehrteilig: Es geht eben um viel mehr als nur das irakisch-saudische Verhältnis, das seit 1990 – als irakische Truppen Kuwait überfielen und auch Saudi-Arabien bedrohten – keine Besuche auf dieser Ebene mehr erlaubt haben.

1990 wurden die diplomatis­chen Beziehunge­n abgebroche­n, danach war kein saudischer Außenminis­ter mehr in Bagdad. In den 1980ern hatte Saudi-Arabien den Irak im Krieg gegen den Iran unterstütz­t. Schwierig war das Verhältnis aber auch vorher – und ebenfalls nach 2003. Mit dem Sturz Saddams ging – aus der Perspektiv­e Saudi-Arabiens – der Irak der sunnitisch-arabischen Welt quasi verloren: Es gab eine neue schiitisch­e politische Elite, die zum Teil nach Teheran schaute.

Und genau hier ist der Besuch zu verorten: Saudi-Arabien startet einen Versuch, den Irak wieder zurück ins arabische Boot – gegen den Iran – zu holen. Das ist umso wichtiger, als das ja in Syrien, wo der mit dem Iran verbündete Bashar al-Assad einstweile­n an der Macht bleibt, nicht gelungen ist.

Es geht um nichts Geringeres als die Neuordnung der Region nach „Daesh“, dem „Islamische­n Staat“, der zwar noch nicht besiegt, aber territoria­l stark zurückgedr­ängt ist. Wer wird das Vakuum füllen, das er hinterläss­t? Jedenfalls nicht der Iran und seine Klienten, meinen die Saudis, und präsentier­en sich nun als Hüter des Arabismus. Der Islam tritt dabei in den Hintergrun­d, denn es sollen ja auch arabische Schiiten angesproch­en werden.

Härte auch gegen Libanon

Saudi-Arabien ist in den letzten beiden Jahren mit jenen arabischen Staaten, die den harten saudischen Kurs gegen den Iran nicht voll mitgetrage­n haben, hart umgesprung­en: Dem Libanon etwa wurde deshalb sogar vorübergeh­end die Militärhil­fe gestrichen. In den Irak schickte Riad Ende 2015 einen saudischen Botschafte­r – auch er der erste residente seit 1990 –, der öffentlich über die schiitisch­en irakischen Milizen und den iranischen Einfluss herzog und deshalb 2016 hinausgewo­rfen wurde.

Nun versucht es Saudi-Arabien offenbar mit einer Umarmungs- politik, Soft Power: Auch den Libanon unterstütz­t es wieder, obwohl dort im Vorjahr ein Hisbollah-Kandidat, Michel Aoun, Präsident geworden ist. Soft Power heißt jedoch nicht weich gegen den Iran. Saudi-Arabien sieht sich dabei von der neuen US-Regierung Donald Trumps gestärkt, der bei seiner Pressekonf­erenz mit Israels Premier Benjamin Netanjahu laut von einer arabischen Militärall­ianz träumte (die mit Israel gegen den Iran kooperiert).

Die Regierung von Premier Haidar al-Abadi ist bis zu einem gewissen Ausmaß entgegenko­mmend, obwohl iranische Unterstütz­ung bisher ein wichtiges Element im irakischen Kampf gegen den IS ist. Jubair hatte bei der Sicherheit­skonferenz in München die Iran-gestützten schiitisch­en Milizen im Irak heftig kritisiert. Abadi weiß, dass dies auch die Trump-Position ist.

Ein weiteres intern irakisches Element in diesem großen Bild ist der einstmals wilde und junge schiitisch­e Mullah Muqtada al- Sadr, bei dessen Demonstrat­ionen jüngst „Iran raus“skandiert wurde. Er macht den Sunniten in Mossul, die von radikalen Schiiten als Kollaborat­eure des IS gesehen werden, versöhnlic­he Angebote. Und er stärkt Abadi den Rücken gegen dessen Vorgänger Nuri alMaliki, der ins Premiersam­t zurückkehr­en will. Die irakischen Sunniten brauchen, um gegen Angebote des jihadistis­chen Islam immun zu werden, einen Garanten für ihren Platz im mehrheitli­ch schiitisch­en Irak. Dafür bietet sich Saudi-Arabien an.

Diesen Job hätte aber auch gerne die sunnitisch­e Türkei: Präsident Tayyip Erdogan schwenkt immer mehr auf die Saudi-TrumpLinie ein, was den Iran betrifft, verfolgt im Irak und in Syrien aber auch eigene Interessen. Er hält ja auch gar nicht damit hinterm Berg, dass die Türkei ihre Einflusszo­ne über ihre Grenzen hinaus vergrößern will. Das ist, was der Iran seit Jahren tut – und auch sagt. Und nun bekennt sich auch Saudi-Arabien offen dazu.

 ?? Foto: AFP / AM Irak ?? Der saudische Außenminis­ter Adel al-Jubairi am Samstag in Bagdad bei seinem irakischen Amtskolleg­en Ibrahim al-Jafari. Die beiden sind keine natürliche­n Freunde. Als Premier verfolgte Jafari 2005 die Schiitisie­rung des Irak. Und Jubair wetterte in...
Foto: AFP / AM Irak Der saudische Außenminis­ter Adel al-Jubairi am Samstag in Bagdad bei seinem irakischen Amtskolleg­en Ibrahim al-Jafari. Die beiden sind keine natürliche­n Freunde. Als Premier verfolgte Jafari 2005 die Schiitisie­rung des Irak. Und Jubair wetterte in...

Newspapers in German

Newspapers from Austria