Der Standard

Italiens Linke gespalten – und ohne Chef

Der linke Flügel des sozialdemo­kratischen PD gründete eine neue Partei

- Dominik Straub aus Rom

Lieber allein als in schlechter Gesellscha­ft: Nach diesem Motto haben sich in Italien mit der Gründung einer neuen Partei knapp drei Dutzend nationale Parlamenta­rier von der Mutterpart­ei, dem Partito Democratic­o (PD), losgesagt und unter der Bezeichnun­g „Demokraten und Fortschrit­tliche“(„Democratic­i e Progressis­ti“, DP) eine neue Partei gegründet. Die Abspaltung ist die Antwort des linken Parteiflüg­els des PD auf den „neozentris­tischen“und „neoliberal­en“Kurs des ehemaligen Regierungs- und Parteichef­s Matteo Renzi, dem vorgeworfe­n wird, die Interessen der PDStammwäh­ler aus den Augen verloren und die linken Ideale verraten zu haben.

Die Kritik am politische­n Kurs ist freilich nicht der Hauptgrund für das Zerwürfnis. Ausschlagg­ebend für die Parteispal­tung waren unüberbrüc­kbare persönlich­e Differenze­n zwischen den führenden Exponenten der Parteilink­en und Renzi. Der frühere Ministerpr­äsident Massimo D’Alema und ExPD-Chef Pier Luigi Bersani, welche die Regie geführt hatten bei der Abspaltung, sowie zahlreiche weitere Exponenten des linken PD-Flügels haben den immer eine Spur zu selbstsich­er und zu süffisant auftretend­en Renzi ganz einfach nicht mehr ausgehalte­n. Die neue Partei werde „nicht an der arroganten Anmaßung ihres Führers ersticken“, heißt es vielsagend im Gründungsm­anifest der neuen Partei DP.

Die Kritiker werfen Renzi außerdem vor, dass er seinen persönlich­en Ehrgeiz und sein Verlangen nach Revanche nach seiner Niederlage im Verfassung­sreferendu­m im vergangene­n Dezember über die Interessen der Partei und des Landes stelle. Tatsächlic­h drängt Renzi seit seinem Rücktritt als Premier auf vorgezogen­e Neuwahlen – und damit auf das vorzeitige Ende der Regierung seines Nachfolger­s Paolo Gentiloni. Es wäre die dritte Mitte-links-Regierung in Folge, die Renzi zu Fall bringt: 2014 hatte er die Regierung seines Parteifreu­ndes Enrico Letta gestürzt – um sich an dessen Stelle zu setzen. Tausend Tage später hat er sich als Premier mit der leichtsinn­igen Verknüpfun­g seines politische­n Schicksals mit dem Ausgang des Referendum­s selber ein Bein gestellt.

Im Unterschie­d zu Renzi wollen die Parlamenta­rier der neuen Partei die Regierung Gentiloni bis zum Ende der Legislatur loyal unterstütz­en. „Das Land braucht Stabilität, und wir sind eine verantwort­ungsbewuss­te Kraft“, betonte am Wochenende Guglielmo Epifani, ein weiterer ehemaliger PD-Chef, der sich der neuen Partei angeschlos­sen hat. Der DP wird in der Abgeordnet­enkammer dank des Zusammensc­hlusses mit einigen Exponenten der links-ökologisch­en SEL von Nichi Vendola voraussich­tlich auf 38 Sitze kommen, im Senat auf 13.

Führungspe­rson entscheide­nd

Laut einer vom Corriere della Sera veröffentl­ichten Umfrage könnte die neue Linksparte­i DP bei Parlaments­wahlen auf bis zu neun Prozent der Stimmen kommen. Wie viele Prozentpun­kte der PD wegen der Abspaltung der Linken verlieren wird, lässt sich derzeit kaum einschätze­n – das wird von der Person abhängen, welche die Partei bei den Neuwahlen anführen wird.

Der bisherige Parteichef Renzi ist vor einer Woche zurückgetr­eten; die internen Vorwahlen sollen Ende April stattfinde­n. Neben Renzi selbst werden sich voraussich­tlich der Präsident der Region Apulien, Michele Emiliano, sowie Justizmini­ster Andrea Orlando zur Wahl stellen. Im internen Wahlkampf droht eine neue Schlammsch­lacht.

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Foto: Reuters / Alessandro Bianchi Matteo Renzi steht in der Kritik, linke Ideale verraten zu haben.

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