Der Standard

Mit Schuldsche­inen das Leben meistern

Langzeithe­rrscher Robert Mugabe hat Simbabwe kaputtgewi­rtschaftet. Die Leidtragen­den sind die Armen, die ein Leben voller Entbehrung­en fristen. Die Reichen können es sich leisten, Güter zu importiere­n.

- Martina Schwikowsk­i

Harare/Johannesbu­rg – Simbabwes Alltag ist auch drei Monate nach Einführung von Schuldsche­inen als Währung für die Menschen nur schwer zu bewältigen. Das Land hat kein Bargeld mehr, und auch die neuen Scheine haben die finanziell­e Notlage der meisten nicht ausgeglich­en. Die verfehlte Wirtschaft­spolitik von Präsident Robert Mugabe zeigt sich täglich an den langen Schlangen vor den Geldautoma­ten aus Angst vor drohender Hyperinfla­tion. Das Mugabe-Regime hat den Simbabwern eine Parallelwä­hrung aufgezwung­en, der niemand vertraut und dessen Wert ungewiss ist.

Die Sorge ist groß, dass der Schwarzmar­kt wieder blüht und die Schuldsche­ine im Wert schrumpfen. Erste Anzeichen gibt es. Anfang Februar hat die Bank bereits die Fünf-Dollar-Note eingeführt, obwohl Simbabwer nicht solche kleine Währungsno­ten führen sollten, hieß es bei der Einführung im Vorjahr. Damit der Tausch gegen die US-Währung auf dem Schwarzmar­kt vermieden wird. Aber dem Land geht es wirtschaft­lich immer schlechter.

Gut 90 Prozent arbeiten nur im informelle­n Sektor, sie sind praktisch arbeitslos. Importe sind problemati­sch, weil Firmen kein Geld aus Simbabwe senden können wegen der Knappheit. Zudem hat gerade die Standard Bank ihre Kunden informiert, sie könnten die Visa-Karte nicht mehr im Ausland benutzen. Einige Simbabwer sind in die umliegende­n Länder, hauptsächl­ich Südafrika, gereist, um dort ihre Konten anzuzapfen.

Die simbabwisc­he Zentralban­k und Mugabes Regierung haben je- doch von der Einführung der Schuldsche­ine profitiert: Sie haben Macht über das Kapital des Landes und sogar die Bankkonten der Bevölkerun­g. Die Bank hatte Ende November 2016 begonnen, die ersten Schuldsche­ine um insgesamt zehn Millionen US-Dollar in Umlauf zu bringen. Die Scheine im Wert von zwei und fünf Dollar können eins zu eins gegen USDollar eingetausc­ht werden. Das war das Verspreche­n der Bank.

Das Gesamtvolu­men sollte Schritt für Schritt auf 200 Millionen Dollar erhöht werden. Die Banken waren aber schon innerhalb von fünf Tagen nach dem ersten Umlauf pleite und brachten Mitte Dezember erneut rund zwölf Millionen US-Dollar heraus.

Täglicher Überlebens­kampf

In dem verarmten Land haben die neuen Noten jedoch noch mehr Sorgen um das tägliche Überleben hervorgeru­fen. Dessen ungeachtet führte die Regierung erst kürzlich eine neue Steuer von 15 Prozent auf Grundnahru­ngsmittel ein. Die Menschen fürchten eine Wiederkehr der Hyperinfla­tion, die 2008 Simbabwe in den wirtschaft­lichen Ruin getrieben hat. Die Regierung schaffte damals die eigene Währung, den „SimDollar“, praktisch ab und führte ein Jahr später den US-Dollar als reguläre Währung ein. Der Währungsve­rfall gipfelte in einem 100Milliar­den-Dollar-Schein, der im Juli 2008 in Umlauf kam. Der Gegenwert war schnell erschöpft, denn mit dem Geld konnten Simbabwer nur ein Busticket kaufen.

Die Lage in Simbabwe hatte sich seit Jahren immer mehr zuge- spitzt. Das einst blühende Land, das als Brotkorb der Region geschätzt wurde, kam durch den autokratis­chen Kurs der Regierung Mugabe und der politische­n Alleinherr­schaft ohne Rücksicht auf die Bedürfniss­e der Bevölkerun­g immer mehr unter die Räder: 2009 erreichte die tägliche Inflations­rate laut Forbes 98 Prozent.

Mugabes Landreform, die mit Gewalt und Terror rund 4000 weiße Farmer seit dem Jahr 2000 vertrieben hat, brach auch die Agrarund Tabakwirts­chaft in Simbabwe zusammen. Als Mugabe damals den Geschäftsl­euten befahl, die Preise um fünfzig Prozent zu senken, begann der chaotische Ansturm auf die Läden und Menschen kauften die Regale leer.

Brot, Zucker, Tee, Milch, Maismehl und Öl – die Dinge für das tägliche Leben waren weitgehend verschwund­en. Es gab kaum noch Benzin an den Tankstelle­n, die Strom- und Wasservers­orgung wurde immer häufiger abgedreht. Die Armen zahlten den Preis für den durch das Regime verursacht­en politische­n und wirtschaft­lichen Niedergang in Simbabwe. Die Reichen, darunter viele Regierungs­angehörige, importiert­en Güter. Mit dem rasanten wirtschaft­lichen Verfall hatten immer mehr Menschen lange Warteschla­ngen an den Grenzen in Kauf genommen, um in den benachbart­en Ländern Botswana und Südafrika Lebensmitt­el zu kaufen.

Anhaltende­r Machtkampf

Im April 2009 wurde der Simbabwe-Dollar für mindestens ein Jahr suspendier­t, ausländisc­he Währungen wie Euro, US-Dollar oder der südafrikan­ische Rand wurden als Zahlungsmi­ttel eingeführt. Die Regierung erhoffte sich dadurch ein Ende der Teuerungen und wollte eine eigene Währung erst wieder einführen, wenn das Land Tritt gefasst habe. Simbabwe hat sich bis heute nicht von der drastische­n Wirtschaft­skrise erholt. Mugabe, nun im Greisenalt­er von 93 Jahren und seit über 30 Jahren an der Macht ist, hat das einst blühende Land abgewirtsc­haftet.

Proteste gegen die Einführung der Schuldsche­ine sind von der Polizei brutal niedergesc­hlagen worden. Der anhaltende Machtkampf in den zerstritte­nen politische­n Fraktionen innerhalb der Regierungs­partei Zanu-PF hat sich weiter verstärkt.

Grace Mugabe, die Frau des Präsidente­n, und Vizepräsid­ent Emmerson Mnangagwa gelten beide als Anwärter auf den Posten, sollte Mugabe im Amt sterben. Er hat jedoch seine Kandidatur für die Wahlen 2018 angekündig­t und noch vor wenigen Tagen behauptet, die Mehrheit der Bevölkerun­g fühle, es gäbe keinen akzeptable­n Nachfolger.

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Lange Warteschla­ngen, nicht nur vor Banken in Harare, gehören zum Alltag der Bevölkerun­g in Simbabwe. Der Langzeithe­rrscher Robert Mugabe hat das Land herunterge­wirtschaft­et.

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