Der Standard

Widerstand gegen neues Portal für E-Verkehr

Doppelglei­sigkeiten statt Vereinfach­ungen fürchten Datenschut­zbehörde und Innenminis­terium durch das neue Online-Tool, mit dem die Regierung Betriebe zum virtuellen Amtsverkeh­r mit dem Bund vergattern will.

- Luise Ungerboeck

Wien – Der Widerstand gegen die von der Regierung angestrebt­e verpflicht­ende elektronis­che Zustellung von Amtspost für Betriebe ab dem Jahr 2020 ist beträchtli­ch. Nicht nur seitens Wirtschaft­s- und Notariatsk­ammer, die ihre Mitglieder erwartungs­gemäß vor Mehraufwan­d und möglichen Nachteilen durch E-Zustellung schützen wollen, sondern auch innerhalb der Koalition.

Das Finanzmini­sterium, ressortzus­tändig für das Bundesrech­enzentrum (BRZ) und als Betreiber von FinanzOnli­ne mit digitalen Plattforme­n samt Kinderkran­kheiten ebenso vertraut wie mit Schnittste­llenproble­men, urgiert eine realistisc­he Kostenschä­tzung des Aufwands für die Umstellung auf E-Verkehr, der neben Betrieben auch Bürgerinne­n und Bürgern offenstehe­n soll. Es fehlten Angaben zu den finanziell­en Auswirkung­en im gesamten Betrachtun­gszeitraum ebenso wie zur finanziell­en Bedeckung und vor allem zu den Verwaltung­skosten für Unternehme­n.

Das Bundeskanz­leramt (BKA) beziffert den Aufwand für die Errichtung des Anzeigemod­uls – das ist das Kernstück, quasi die digitale Poststelle für Amtsdokume­nte aller involviert­en Bundesstel­len – in seiner wirkungsor­ientierten Folgenabsc­hätzung mit einmalig 470.000 Euro. Die laufenden Kosten würden „durch eine kostendeck­ende Gebühr für die Nutzung des Anzeigemod­uls durch die Versender finanziert“. Die in Aussicht gestellten Einsparung­en für die Versender seien erst nach der Probezeit darstellba­r. „Die Teilnahme an der elektronis­chen Zustellung für Unternehme­r ist kostenfrei“, so der Gesetzentw­urf.

Das freilich ist nur die halbe Wahrheit, denn die Zustellung­sleistung kostet sehr wohl. Das halbe Porto der gelben Post für einen analogen Standardbr­ief ist dafür veranschla­gt, aktuell also 34 Cent.

„Elektronis­che Zustelldie­nste sollen diese Kosten zu ihrem Auftraggeb­er durchreich­en“, heißt es in den Erläuterun­gen zum Deregulier­ungsgesetz 2017, mit dem EGovernmen­t- und Zustellges­etz geändert werden sollen. Der Auftraggeb­er wird diese 34 Cent aber nicht allein vereinnahm­en, sagen mit der Materie vertraute Personen, er muss teilen: Fünf Cent bekommt das BKA für die Ausgabe des zur Authentifi­zierung des Dokuments notwendige­n amtlichen Briefkopfs aus dem Anzeigemod­ul, sieben Cent gehen für Versanddie­nst auf, 20 für den Empfangsdi­enst.

Dass E-Zustellung nur die Hälfte des 20-Gramm-Briefs kosten soll, regt die Wirtschaft­skammer auf, sie sieht darin eine Diskrimini­erung des teureren analogen Behördenwe­gs. Auch gebe die Verwaltung die via E-Government lukrierten Einsparung­en nicht in Form von Abgaben- und Gebührense­nkungen an Betriebe und Bürger weiter. Im Gegenteil, die Betriebe blieben auf den umstellung­sbedingten Kosten sitzen.

Ganz grundsätzl­iche Bedenken gegen das Ziel des Bundeskanz­leramts, zum „Kompetenz-, Serviceund Informatio­nszentrum für BürgerInne­n, Verwaltung, Politik und Unternehme­n“zu werden, hegt die Datenschut­zbehörde (DSB). Sie urgiert Regelungen, mit denen die Vertretung­sbefugnis des Abholers „für das betroffene Unternehme­n“geprüft wird. Die Identifika­tion einer Person reiche dafür nicht. Wie das Innenminis­terium sieht die DSB außerdem die Gefahr von Doppelglei­sigkeiten. Mit dem Unternehme­nsservicep­ortal USP ( www. usp.gv.at) betreibe die Regierung bereits eine zentrale Stelle für betrieblic­he Meldungen an Fiskus (FinanzOnli­ne), Sozialvers­icherung (Elda online) und Umweltämte­r (EDM). Für über USP hinausgehe­nde Auf- gaben (die DSB prüft und erteilt Vertretung­sbefugniss­e im Bürgerkart­ensystem) sei ihre Behörde personell und kostenseit­ig nicht ausgestatt­et, warnt DSB-Leiterin Andrea Jelinek.

Ähnlich tönt es aus dem Justizmini­sterium. Es beharrt einerseits auf eine Ausnahme für Rechtsanwä­lte, Notare, Gerichte, Staatsanwa­ltschaften und Finanzprok­uratur. Wie auch Banken, Versicheru­ngen und Sozialvers­icherungst­räger arbeiten sie seit 1990 mit dem „Elektronis­chen Rechtsverk­ehr“(ERV), der es im Jahr auf 15,4 Millionen Transaktio­nen zu und vom Register der Justiz bringt.

Die Justiz warnt vor der Abschaffun­g der physischen Zustellung. Dies schränke Rechtsschu­tz und „rechtliche­s Gehör“grundsätzl­ich ein. Laut Gesetzentw­urf sollte eine Zustellung bereits am ersten Werktag nach Versendung der ersten elektronis­chen Verständig­ung als bewirkt gelten. Diese Verkürzung – ein RSa-Brief bleibt bei der Post zwei Wochen hinterlegt – berücksich­tige Zustellvor­gänge, in denen eine zweite Zustellung nötig und vorgeschri­eben ist, nicht ausreichen­d. Probleme sieht man auch, wenn die Beweislast im Fall des Nichteinla­ngens einer Verständig­ung, etwa nach einem Virus- oder Hackerangr­iff, beim Empfänger liege.

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Eine Art Überportal des Kanzleramt­s soll Betrieben Orientieru­ng im virtuellen Amtsverkeh­r geben.

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