Kraft macht Zwischenstation auf einem Höhepunkt
Mit seinem ersten Einzelgold gelang Stefan Kraft in Lahti der Einzug in den Olymp der Skispringerei. Der 23-jährige Salzburger hat noch genügend Träume. Erst führte der Normalschanzenweltmeister aber das Mixed-Team zu Silber hinter Deutschland, vor Japan.
So oder so konnte der Sonntag Stefan Krafts Samstag nicht überbieten. Aber immerhin, der Normalschanzenweltmeister holte im Mixed mit Daniela Iraschko-Stolz, Michael Hayböck und Jacqueline Seifriedsberger Silber, 36,2 Punkte hinter den souveränen Deutschen. Im Jubel darüber sparte Kraft noch Energie für Kommendes. Die Siegerehrung für beide Bewerbe fand am Sonntagabend im Zentrum Lahtis statt. Allerdings hinterließ Österreichs sechster Normalschanzenweltmeister, der abgesehen vom Skifliegen zehnte Einzelchampion des ÖSV, durchaus den Eindruck, ausreichend Gas für einen zweiten Streich am Donnerstag auf der Großschanze zu haben.
Das Phänomen
Kann Kraft erneut zuschlagen, steigt er zum ersten österreichischen Doppelweltmeister im Einzel auf – darum haben sich selbst ausgewiesene Goldhamsterer wie Thomas Morgenstern vergeblich bemüht. Heinz Kuttin, dem Kraft das erste Gold als Trainer besorgte, wäre über weiteres gutes Gelingen nicht perplex: „Wenn du gut hineinstartest, kommt der Rest viel leichter“, sagte der 46-jährige Kärntner. Kraft sei in den vergangenen Wochen, seit seinem Sieg zum Tourneeauftakt in Oberstdorf, ohnehin zu einem Phänomen geworden. „In die Vierschanzentournee startet er super, wird krank, muss einen Weltcup sausen lassen und ist jetzt in einer bestechenden Form.“
Die Haube vor dem neuen Champion zog auch Werner Schuster, dessen Schützlinge Andreas Wellinger und Markus Eisenbichler am Samstagabend ordentlich attackiert hatten, schlussendlich aber auch mit Silber und Bronze ziemlich zufrieden waren. Dem nun schon seit neun Jahren als Cheftrainer der Deutschen wirkenden Vorarlberger, dem erst vor zwei Jahren in Falun Severin Freund das erste Einzelgold (auf der Großschanze) präsentiert hatte, schwant Übles: „Vor der WM habe ich noch gesagt, auf der Kleinen ist Kraft vielleicht leichter zu schlagen als auf der Großen.“
Schusters ehemaliger Stamser Schützling Gregor Schlierenzauer hatte sich nach Rang 24 am „Mitfeiern, Mitfiebern“mit Kraft gelabt. „Das ist natürlich etwas Schönes. Einmal die andere Seite zu sehen, von unten nach oben zu schauen und auch das einmal zu spüren.“Für den Weltrekordweltcupsieger hat Kraft nicht nur „die mentale Schublade sehr gut im Griff zurzeit“, sondern speziell auch „das Skisprungtechnische und das Set-up“.
Kraft, der sich als Jugendlicher im alpinen Skilauf versucht hatte, beim SV Schwarzach von einem Freund für das Springen begeistert und dann von Coach Christian Wallner besonders gefördert worden war, passt mit seinen 1,70 Me- tern Körpergröße und 56 Kilogramm (als Nasser quasi) zum derzeit gepflegten Sprungstil.
In den ersten Saisonen nach seinem Debüt im Weltcup (Bischofshofen 2012) konnte sich der Eisenbahnersohn im Schatten von Thomas Morgenstern und vor allem Schlierenzauer drucklos entwickeln, genoss aber andererseits wie auch sein Freund Hayböck zuweilen nicht die größte Aufmerksamkeit bezüglich Betreuung.
Mit dem Ende der Ära Morgenstern, dem Antritt von Kuttin als Cheftrainer und den auch verletzungsbedingten Problemen von Schlierenzauer waren Kraft und Hayböck gefordert. Bei der Vierschanzentournee 2014/15 duellierten sie sich in aller Freundschaft mit dem besten Ende für Kraft. WM-Bronze auf der Normalschanze und -Silber im Team in Falun signalisierten dann den endgültigen Durchbruch.
Die Werkzeuge
Die aktuelle Konstanz Krafts, der vier seiner bisher acht Weltcupsiege in dieser Saison feierte und mit dem WM-Triumph achtmal en suite auf dem Podest stand, speist sich auch aus dem tadellosen Material, das den Österreichern zu Gebote steht. Vor allem bei der Skipräparierung und auf dem Anzugssektor hüpft Kuttins Team derzeit keine andere Nation etwas vor.
Grund genug, das Beste noch zu erwarten. Der Gesamtweltcup, schon in dieser Saison greifbar, und ein Olympiasieg in Pyeongchang, wo Kraft jüngst einmal siegte und einmal Zweiter wurde, stehen zuvorderst auf der Agenda. „Ich habe vor, dass ich noch lange springe“, sagte Kraft in Lahti. „Heimweltmeister in zwei Jahren, da fällt mir noch sehr viel ein.“