Altach muss nicht, Altach darf
Das 3:1 bei der Austria hat Trainer Scherb kaum verblüfft
Wien – Der Niederösterreicher Martin Scherb sagt, dass er Vorarlberg jedem nur empfehlen könne. Die Lebensqualität sei hoch – seit sie das überdimensionale Plakat, das bei der Autobahnabfahrt Altach hing, entfernt haben, wurde die Beschaulichkeit gesteigert. Auf der Wand stand „Winterkönig“geschrieben. „Das hat die Mannschaft gehemmt, war eine Bürde. Winterkönig ist über uns geschwebt wie das Schwert des Damokles.“Scherb, der im Jänner das Amt antrat, wollte diese Last abschütteln, gegen eine Lockerheit eintauschen. In den ersten beiden Frühjahrspartien gelang das nicht wirklich, 1:1 bei der Admira, 1:2 daheim gegen St. Pölten. Die Austria hat nun im Happel-Stadion für die Wende gesorgt, Altach siegte 3:1, für Scherb hatte sich das angekündigt. „Es gab keinen Grund, gestresst zu sein. Salzburg muss Meister werden, die Austria, Rapid und Sturm müssen nach Europa, die anderen gegen den Abstieg kämpfen. Wir sind die Einzigen, die nichts müssen, einfach nur Fußball spielen dürfen.“
Der 47-Jährige feierte jedenfalls seinen ersten Sieg als Trainer im Oberhaus. Ob er davon einmal seinen Enkelkindern erzählen wird, könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht schwören. „Momentan ist es eine wahnsinnige Erleichterung.“Scherb hat eine intakte, von Damir Canadi geformte Mannschaft übernommen. Er drehte nur sanft an kleinen Schrauben. Altach hat vor dominanter aufzutreten, will agieren statt reagieren. Wobei es logischerweise natürliche Grenzen gibt. „Gegen Salzburg wäre es naiv zu agieren.“
Die Austria bot sich als Kompromiss an. Die Wiener hatten letztendlich 68 Prozent Ballbesitz, aber das war so was von sekundär. Wie sagte doch der zweifache Torschütze Nikola Dovedan, der zu den unberechenbarsten Stürmern der Liga zählt: „Ballbesitz schießt keine Tore.“Der 22-Jährige, der sich als „Instinktfußballer“bezeichnet, gehört dem LASK, wurde an Altach verliehen, hält bereits bei neun Saisontoren, in Linz müssen sie ahnungslos sein.
Das 1:0 in der vierten Minute spielte Altach in die Karten, aber es war erstaunlich, wie abgeklärt die Gäste damit umgegangen sind. Das Gegentor fiel erst in der letzten Minute. Austrias Trainer Thorsten Fink sagte: „Altach war die bessere Mannschaft.“Er fügte ein „heute“an. „Denn es kann sein, dass wir am Ende der Meisterschaft die bessere Mannschaft sind.“Momentan ist sie um fünf Punkte schlechter. Jeden Tag besser als alle anderen ist laut Fink lediglich Salzburg. Die Austria fällt in keine Depression, diesen Zustand überlässt sie gerne Rapid. Fink: „Wir gewinnen gemeinsam, wir verlieren gemeinsam.“
Altach hat beschlossen, nie Winterkönig gewesen zu sein.