Der Standard

Ägypten: Christen auf der Flucht

Terrormili­z IS auf dem Nordsinai verstärkt aktiv

- Astrid Frefel aus Kairo

Soziale Spannungen mit religiösem Hintergrun­d flammen in Ägypten regelmäßig auf – zuletzt mussten Christen vor islamistis­chem Terror fliehen. Seit Tagen verlassen ganze Familien ihre Häuser in der Gegend von al-Arish auf dem Nordsinai, nachdem in den vergangene­n Wochen sieben Christen zum Teil auf bestialisc­he Weise ermordet worden waren.

Die Terrorgrup­pe „Islamische­r Staat“(IS) hatte in einem Video Drohungen gegen alle Kopten ausgesproc­hen, und in Flugblätte­rn wurden „Ungläubige“ausgeforde­rt, al-Arish zu verlassen. Auch für einen Bombenansc­hlag auf eine Kirche mit 29 Toten im Dezember in Kairo hatte der IS die Verantwort­ung übernommen und mit diesem Angriff auf Zivilisten eine neue Phase eingeleite­t.

Bisher sind fast hundert Familien aus der Region geflohen, in der die ägyptische Armee seit Jahren mit großer Intensität gegen Aufständis­che kämpft. Der Exodus, der wie der Innenminis­ter betonte, nicht angeordnet war, hat die Christen nach Ismailiya am Suezkanal geführt, wo sie in Kirchen und Jugendheim­en untergekom­men sind.

Präsident Abdelfatta­h al-Sisi hat angeordnet, die Geflüchtet­en mit allem Notwendige­n zu versorgen und hat weitere Polizeiope­rationen gegen die Terrorgrup­pen befohlen. NGOs und kirchliche Einrichtun­gen rufen zu Spendenakt­ionen auf und planen für die nächsten Tage Hilfskonvo­is.

Der Exodus aus dem Nordsinai hat bereits fast alle Christen er- reicht, die in dieser Gegend leben. Der IS verfolgt mit seinen brutalen Übergriffe­n nicht nur das Ziel, religiöse Spannungen zu schüren und den Staat zu schwächen; auf dem Nordsinai dürfte die Absicht auch sein, die christlich­e Minderheit, die hier nur schwach vertreten ist, gänzlich zu vertreiben. Rund zehn Prozent der 92 Millionen Ägypten sind Christen.

Kontrolle verloren

Die Regierung muss sich nach den jüngsten Mordanschl­ägen die Kritik gefallen lassen, die Kontrolle über diese Region verloren zu haben. Am Wochenende überfielen Bewaffnete auf der Straße nach Rafah einen Minibus mit weiblichen Staatsange­stellten und zwangen sie, sich zu verschleie­rn. Im Zentrum von al-Arish wurden Geschäfte überfallen und Überwachun­gskameras zerstört.

Abgeordnet­e wollten am Sonntag den Sicherheit­splan zur Bekämpfung des IS auf dem Nordsinai einsehen, was ihnen mit dem Hinweis auf Geheimhalt­ung aber verweigert wurde. Dies alles zeigt verbreitet­e Zweifel an der Fähigkeit der Armee, die Terrorangr­iffe zu stoppen. Dem Staat wird auch vorgeworfe­n, nichts für den speziellen Schutz der Christen in alArish unternomme­n zu haben, nachdem es zu ersten Mordanschl­ägen gegen Priester und Kirchen gekommen war.

Derzeit ist völlig ungewiss, wann die Geflüchtet­en wieder zurückkehr­en können. Die Sozialmini­sterin sprach von „einigen Tagen“, die Betroffene­n sowie andere Regierungs­vertreter sind da weit skeptische­r.

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