Der Standard

Walzer wird an anderen Börsen getanzt

Auf lange Sicht ist Wien weltweites Schlusslic­ht. Laut einer Studie weist die Börse sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen seit 1900 die global schwächste­n Erträge auf. Im Gegenzug war mit Unternehme­n aus rohstoffre­ichen Ländern am meisten zu verdienen.

- Alexander Hahn

Wien – Bei österreich­ischen Aktien ist seit der Finanzkris­e Sand im Getriebe. Während die Wall Street und die Londoner Börse sich nahe an Rekordnive­aus bewegen, liegt der Wiener Leitindex mit minus 45 Prozent um fast die Hälfte unter seinem Höchststan­d des Jahres 2007. Doch das schwache Abschneide­n von Wiener Aktien beschränkt sich nicht nur auf das vergangene Jahrzehnt, wie eine Studie der Credit Suisse für den Zeitraum 1900 bis 2016 belegt. Der heimische Markt zeigt inflations­bereinigt nicht nur bei Aktien das langfristi­g schwächste Ergebnis unter 23 Nationen, sondern auch bei Anleihen.

Bloß 0,8 Prozent an jährlicher, realer Rendite haben österreich­ische Aktien laut Berechnung­en der Credit Suisse im Mittel abgeworfen verglichen mit einem weltweiten Durchschni­tt von 5,1 Prozent. Langfristi­ge Bilanz hat zunächst die Hyperinfla­tion der frühen 1920er-Jahre schwer beschädigt, als bei Anleihen mit einem Verlust von 98 Prozent beinahe der ganze Kapitalsto­ck vernichtet wurde. Folglich liegt Österreich auch bei Schuldtite­ln mit einem realen Minus von 3,7 Prozent – jährlich, wohlgemerk­t – an letzter Stelle. Weltweit erzielten Anleihen im Mittel plus 1,8 Prozent an realen Jahresertr­ag.

Zusätzlich belastet wurde der heimische Aktienmark­t von seinem jahrzehnte­langen Dornrösche­nschlaf bis in die 1980er-Jahre, als Wien von Börsenguru Jim Rogers wachgeküss­t wurde. In den zwei Jahrzehnte­n zuvor hat es etwa laut Credit Suisse keinen einzigen Börsengang am Wiener Aktienmark­t gegeben – eine weitere wenig erfreulich­e Parallele zur Gegenwart. Seit der Einführung des Flugzeugzu­lieferers FACC im Sommer 2014 liegt in Wien der Markt für Börsengäng­e neuerlich brach, sodass nach zuletzt einigen Abgängen nur noch 89 Unternehme­n gelistet sind. In den Untersuchu­ngszeitrau­m der Studie fällt freilich auch der Zerfall der Donaumonar­chie, die damals mit 557 notierten Unternehme­n auch einen weltweit bedeutende­n Börsenplat­z beheimatet­e.

Rohstoffe bevorzugt

Ein Blick über den Alpenrand zeigt, dass bei Aktien vor allem Länder mit hohen Rohstoffvo­rkommen auf lange Sicht die besten Erträge eingespiel­t haben. Südafrikan­ische, australisc­he und US-Unternehme­n haben jene 117 Jahre, in denen Pferdegesp­anne demnächst selbstfahr­enden Autos weichen mussten und die Telegrafie von Internet und Smartphone ersetzt wurde, jeweils reale, jährliche Profite von deutlich über sechs Prozent abge- worfen. Südafrika oder Australien ist es nämlich gelungen, ihren Ressourcen­reichtum zum Aufbau von breit diversifiz­ierten Volkswirts­chaften zu nutzen.

Wenn man von Rohstoffen absieht, hat keine andere Branche einem Land dauerhafte und nachhaltig­e Vorteile bescheren können. Um 1900 steuerten in den USA jene Branchen wie etwa Eisenbahne­n 80 Prozent des Börsenwert­es bei, die es heute entweder gar nicht mehr oder in stark abgespeckt­er Form gibt. Im Gegenzug besteht der britische Aktienmark­t zur Hälfte aus Branchen, die es vor wenigen Jahrzehnte­n noch gar nicht gegeben hat.

Auffallend ist zudem, dass in allen 23 betrachtet­en Märkten die langfristi­ge Entwicklun­g von Aktien deutlich besser ausgefalle­n ist als jene von Schuldpapi­eren. Das zeigt, dass das höhere Risiko von Firmenbete­iligungen an den Finanzmärk­ten auch mit einem gewissen Mehrertrag belohnt wird. Eine Garantie für die Zukunft ist das, wie bei allen historisch­en Erhebungen, freilich nicht.

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 ??  ?? Bis Jänner 1998 hatte die heimische Börse ihren Sitz und ihr Handelspar­kett am Wiener Schottenri­ng.
Bis Jänner 1998 hatte die heimische Börse ihren Sitz und ihr Handelspar­kett am Wiener Schottenri­ng.

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