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Murmelnder Fisch und was nicht sehr Chanel tanzt

Ein erstes Anzeichen für den Wiener Frühling ist das Festival Imagetanz. Von 3. bis 25. März erblühen im Brut-Theater am Karlsplatz zeitgenöss­ischer Tanz und Gegenwarts­performanc­e – lokal wie internatio­nal unter dem Vorzeichen des Erinnerns: „Welcome Back

- Lina Paulitsch

Wien – Wer etwas vererbt bekommt, wird nicht einfach beschenkt. Denn ein Erbe muss man antreten. Und dann damit auftreten, wie diesmal bei Imagetanz zu sehen ist. Zur Eröffnung wird die künstleris­che Geschichte des 1989 gegründete­n Festivals unter dem Titel The Inheritanc­e ansatzweis­e aufgerollt.

Angehaucht vom Trend zur historisch­en Vergewisse­rung, verkündet Imagetanz im Brut (vormals: dietheater) als Motto seiner neuen Edition „Welcome Back“. Denn so manche Größe der heutigen lokalen Szene hatte hier ihre ersten Auftritte. Bei The Inheritanc­e geben acht Choreograf­en Arbeiten aus früheren Werkperiod­en an jüngere Kollegen weiter.

Vergangene­s soll jedoch nicht einfach „verwurscht­et“, sondern neu produziert werden: Die acht Reenactmen­ts sind Reflexione­n im Licht der Gegenwart.

Doris Uhlich beispielsw­eise hat das Gegensatzp­aar Alt–Jung bei Imagetanz 2007 in ihrem Stück und abgehandel­t. Das führt sie jetzt mit Dorothea Zeyringer weiter. Bei und noch einmal geht es ums Altern in zweifachem Sinn: Vor zehn Jahren befasste sich Uhlich mit der Körperlich­keit älterer Menschen, von denen mittlerwei­le einige verstorben sind. Was bleibt, ist die Erinnerung jüngerer Generation­en.

Beinahe ein Jahrzehnt vor und, nämlich 1998, choreograf­ierte Christine Gaigg ihr Frühwerk The Time Falling Bodies Take to Light für die französisc­hen Tänzer Alban Richard und Cyril Accorsi, das bei The Inheritanc­e mit Simon Mayer herausgefo­rdert wird.

Mayer ist gleich zweimal zu sehen. Auch Philipp Gehmacher wird mit ihm eine Arbeit befragen: seine erste Choreograf­ie von 1997, the mumbling fish. Wobei es da auch um Gehmachers einstige Anleihen, Beeinfluss­ungen und sei- nen heutigen Ruf geht. Als Abstraktio­n zeigt sich die Performanc­e von Alix Eynaudi und der Künstlerin Andrea Gunnlaugsd­óttir: Long Long Revisited ist heute eine gründliche Parodie des Originals Long Long Short Long Short, uraufgefüh­rt bei Imagetanz 2010.

Auch bei Daniel Aschwanden steht das Abstrakte der Vergangenh­eit im Zentrum, das durch das Erinnern selbst bestimmt ist: Seine Splittertä­nze von 1992 sind für Gerald Straub direkter Vollzug menschlich­er Erinnerung, die immer subjektiv, unvollstän­dig und eben zersplitte­rt sein muss.

Versatzstü­cke aus persönlich­en wie fremden Elementen werden von den beiden zu einer neuen Choreograf­ie zusammenge­baut.

Inwiefern die sich erinnernde Perspektiv­e durch Geschlecht­errollen geprägt ist, zeigt Pissing Everywhere Is Not Very Chanel: eine Überarbeit­ung der Show Superamas Local durch Malika Fankha. Das ursprüngli­ch von einem Mann entworfene Stück wird einem Perspektiv­wechsel unterzogen, der festgefahr­ene Klischees und Normen aufbricht.

Die Performeri­n Krõõt Juurak hingegen wird ihr Erbe selbst und solo antreten: Sie erweitert ihre Presentati­on aus dem Jahr 2012 um neue Erfahrunge­n.

Anne Juren und Sara Lanner treten in Question A? in einen Dialog, der die mit der Zeit entstehend­e Veränderun­g von Jurens Arbeit zugänglich machen soll. Historisch­e Vergewisse­rung ist also nicht Nostalgie oder Museum – aus Dialogen mit früheren Werken kann auch etwas ganz Neues entstehen. „The Inheritanc­e“, Kunsthalle Karlsplatz, 3. 3., 19.00; Brut, 22.30, Eröffnungs­party

 ??  ?? Geschichte (von links): 2010 – Alix Eynaudi mit Agata Maszkiewic­z; 1992 – Daniel Aschwanden­s „Splittertä­nze“; 2007 – Doris Uhlich arbeitet mit älteren Menschen.
Geschichte (von links): 2010 – Alix Eynaudi mit Agata Maszkiewic­z; 1992 – Daniel Aschwanden­s „Splittertä­nze“; 2007 – Doris Uhlich arbeitet mit älteren Menschen.
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