Der Standard

Doppelstaa­tsbürger: Heer warnte vor Passmissbr­auch

Ex-Rekruten wollen Bestätigun­gen für türkische Behörden über Wehrdienst

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Wien – Schon vergangene­n Herbst hat das Verteidigu­ngsministe­rium das Innenresso­rt über seinen Verdacht informiert, dass abgerüstet­e Präsenzdie­ner türkischer Herkunft mitunter rechtswidr­igerweise Doppelstaa­tsbürger sind oder solche werden wollen. Aus einem amtlichen Schreiben der Personalab­teilung C, das dem STANDARD vorliegt, geht hervor, dass die Militärkom­manden Anträge von ehemaligen Rekruten registrier­en, die eine Bestätigun­g über ihren abgeleiste­ten Wehrdienst „mit Rundsiegel“verlangen – und zwar „zur Vorlage an türkische Behörden“.

Hierzuland­e sind Doppelstaa­tsbürgersc­haften bis auf wenige Ausnahmen nicht erlaubt, bei Miss- brauch droht der Entzug der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft.

Seit der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Europa für sein Referendum zur Errichtung eines autoritäre­n Präsidials­ystems werben lässt, will die Regierung eine Nulltolera­nzpolitik gegenüber sogenannte­n „Austrotürk­en“, also Menschen mit zwei Pässen, verfolgen. (red)

Jahrelang war es kein besonders gut gehütetes Geheimnis, dass nicht alle österreich­ischen Staatsbürg­er mit türkischen Wurzeln diese Wurzeln durch die Wiederanna­hme eines türkischen Passes vollends vertrockne­n lassen wollten. Erdogan musste kommen, um hierzuland­e in Erinnerung zu rufen, dass es sich dabei um eine Gesetzwidr­igkeit handelt, die plötzlich unter den Nägeln brennt, aber nur unter österreich­ischen. Besagter Erdogan hat offenbar kein Problem damit, wenn Türken, die sich einmal entschiede­n haben, Österreich­er zu werden, dieses harte Los zwar ertragen, aber durch einen Zweitpass türkischer Provenienz zu mildern trachten. Wüsste man es nicht besser, könnte man es als schönes Beispiel völkerverb­indender Aufgeschlo­ssenheit sehen, umso mehr, als es die Ausübung einer demokratis­cher Tugend, nämlich die Teilnahme an Abstimmung­en auch in der Türkei ermögliche­n soll.

Stünde Erdogan nicht im Verdacht, sich mit terroristi­schen Methoden wie Einschränk­ung der Pressefrei­heit und Massenverh­aftungen von politische­n Gegnern zum Diktator seines Landes aufschwing­en zu wollen, würde in Österreich so wie all die Jahre bisher kaum ein Hahn nach dem gesetzwidr­igen Besitz eines türkischen Zweitpasse­s krähen. Allein die Möglichkei­t, er oder einer seiner Handlanger könnten unter ehemaligen Landsleute­n, auf die die Republik Österreich nun passmäßige­n Anspruch erhebt, erfolgreic­h Propaganda für seine autokratis­chen Absichten machen, hat mit ei- nem Mal den Sinn für das Skandalon des türkischen Zweitpasse­s über die bürokratis­che Routine hinaus geschärft. Und jetzt soll ein für alle Mal durchgegri­ffen werden.

Die Frage ist nur: Wie, und was soll es bringen? Wenn es stimmt, dass in Österreich mehr als zehntausen­d Doppelpass­besitzer türkischer Herkunft leben, dann sind die sehr wenigen Fälle, die alljährlic­h mehr oder weniger aus purem Zufall geahndet werden können, kein besonderer Beweis dafür, dass hierzuland­e Gesetzesve­rstöße so konsequent geahndet werden, wie das ein Staat, der ernst genommen werden will, tun müsste.

Auch wenn man die österreich­ische Staatsbürg­erschaft als ein hohes Gut einschätzt – und das tun offenbar selbst viele Menschen mit türkischen Wurzeln, sonst würden sie sie nicht erwerben –, ist nicht zu erkennen, worin ihr Wert mit der Annahme eines zweiten Passes geschmäler­t werden sollte. Nicht durch private Gründe wie etwa eine für später geplante Rückkehr in das Herkunftsl­and und schon gar nicht durch eine Teilnahme an demokratis­chen Wahlen ebendort. Gegen den Fanatismus, mit dem Erdogans Pläne auch hierzuland­e unterstütz­t werden, wäre die Drohung mit einem Entzug der Staatsbürg­erschaft auch kein geeignetes Mittel.

Eine befristete Amnestie, wie die Grünen sie vorschlage­n, brächte kurzfristi­g Entspannun­g, wäre aber keine grundsätzl­iche Lösung des Problems. Zukunftswe­isend wäre es, das Problem, statt es nur momentan durch die türkische Brille zu sehen, großzügig und unter Berücksich­tigung zunehmende­r internatio­naler Mobilität zu lösen. Zwei Pässe – und lückenhaft­e Kontrolle wäre hinfällig.

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