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Bilder mit Streitwert

Die Albertina hat sich mit der Übernahme der Sammlung Essl als Dauerleihg­abe weit von ihrer Kernkompet­enz entfernt. Kritiker bemängeln Kosten, Nutzen und Zustandeko­mmen des Deals. Wohin steuert die Museumspol­itik?

- ANALYSE: Olga Kronsteine­r, Stefan Weiss

Es rumort in der Wiener Museumsbla­se. Denn mitten in einem laufenden Reformproz­ess der Bundesmuse­en haben Kulturmini­ster Thomas Drozda (SPÖ), AlbertinaC­hef Klaus Albrecht Schröder und Investor Hans Peter Haselstein­er einen Deal in trockene Tücher gebracht, der drängende Fragen über die Gestaltung künftiger Museumspol­itik aufwirft.

Wie weit darf oder muss die Verquickun­g privater Sammlerint­eressen und staatliche­r Museen gehen? Welche Risiken birgt es, viel Steuergeld für Dauerleihg­aben aufzuwende­n, die nach 25 Jahren aus dem Museum abgezogen werden könnten? Und wie verwaschen werden die Profile der Museen, wenn die Direktoren ihre Sammlungsp­olitik nicht untereinan­der absprechen?

„Win-win-Situation“

Der Deal, um den es geht, hat eine Vorgeschic­hte: Er beginnt im Frühjahr 2014 mit wirtschaft­lichen Turbulenze­n der BaumaxKett­e und Karlheinz Essls Versuchen, die 4900 Werke umfassende Kunstsamml­ung vor dem Zugriff der Gläubiger zu bewahren und der öffentlich­en Hand anzudienen. Die Republik erteilte dem Ankauf eine klare Absage. Im Herbst fand sich mit Investor Haselstein­er ein Retter, der einen Überbrücku­ngskredit gewährte und die Gläubiger mit 117 Millionen Euro abfand.

Die Sammlung wurde in eine neue Besitzgese­llschaft überführt (Haselstein­er 60 Prozent, Essl 40) und der Kredit seither über Verkäufe von rund 300 internatio­nalen Kunstwerke­n teils refinanzie­rt. Die im Sommer 2016 erfolgte Schließung des Essl-Museums könnte rückblicke­nd bereits im Herbst 2015 Thema gewesen sein. Schauplatz war das Künstlerha­us, das seit Jahren einer Sanierung bedurfte, wofür die Stadt kein Budget aufbringen konnte.

So kam eines zum anderen: Albertina-Chef Schröder und Haselstein­er brachten sich ins Spiel, der eine finanziert die derzeitige Sanierung (ca. 30 Mio. Euro) und künftige Betriebsko­sten (700.000 p. a.), der andere zeichnet auf dieser neuen Spielwiese für das künstleris­che Programm verant-

wortlich. Welche Rolle die Sammlung Essl dabei spielt, wurde Mitte Februar bekannt, als die Albertina diese, jetzt noch mit 4600 Werken bestückt, bis 2044 als Dauerleihg­abe übernahm.

Dafür muss die jährliche Basissubve­ntion (derzeit 7,7 Millionen) um vorerst 1,1 Millionen Euro erhöht werden. Ein Gutteil davon entfällt auf Depotkoste­n in Klosterneu­burg, dazu werden bis zu vier Mitarbeite­r der SE Sammlung Essl GmbH übernommen, deren bisherige Geschäftsf­ührerin Elisabeth Dutz etwa als Kuratorin.

Für Schröder decken diese 1,1 Millionen gerade den laufenden Betrieb. Geht es nach seinen Ansprüchen, bedarf es „vieler wechselnde­r Ausstellun­gen“, die weitere Kosten verursache­n. Er hofft auf 2,3 Millionen jährlich. Auf die vereinbart­e Leihdauer von 27 Jahren hochgerech­net geht es inklusive absehbarer Erhöhungen um zumindest zugesicher­te 35 oder um bis zu 70 Millionen Euro an Steuermitt­eln. Deshalb hatte sich das Finanzmini­sterium gegen diesen Deal ausgesproc­hen.

Kulturmini­ster Drozda bezeichnet­e die Kooperatio­n als „Winwin-Situation“. Kritiker sehen das anders. Nicht nur aufgrund des Kostenfakt­ors, sondern auch die Quantität des Essl-Bestands betreffend. So erstrebens­wert die Aufstockun­g mit österreich­ischer Kunst nach 1945 aus Schröders Sicht auch gewesen sein mag – der Bund kann hier längst aus dem Vollen schöpfen, hält der Museumsfac­hmann Dieter Bogner auf Anfrage dagegen: Mumok und Belvedere verwahren je 5000 Werke aus diesem Segment, die Artothek des Bundes verfügt über weitere 36.000 (4000 davon als Leihgabe in der Albertina), jene der Stadt Wien über weitere 40.000.

Fragwürdig­er Kunsthande­l

Rein rechnerisc­h ergibt das 86.000 Kunstwerke, „mit denen man das Künstlerha­us über Jahrzehnte bespielen könnte“, versichert Bogner. Es sei genau genommen nicht einzusehen, dass Steuerzahl­er für Kosten wie Aufbewahru­ng, Organisati­on und Bearbeitun­g aufkommen sollen, die für Privatleih­gaben anfallen. Bei Essl kommen aufgrund der Lagerung in Klosterneu­burg noch Versicheru­ngskosten hinzu.

Tatsächlic­h ersparen sich Privatsamm­ler über das Modell Dauerleihg­abe viele Kosten und profitiere­n zeitgleich von der dem Museum überlassen­en Wertschöpf­ung. Am Beispiel der Albertina kann man das erklären: Die Bestände aus Dauerleihg­aben wie Batliner oder Forberg werden nicht nur im eigenen Haus gezeigt, sondern auch dem internatio­nalen Leihverkeh­r zugeführt. Und wenn Georg Baselitz drei seiner Werke aus der Remix- Serie, eine Dauerleihg­abe der Gebrüder Viehof (bis 2022), bei einer Ausstellun­g präsentier­t wissen will, dann wird das selbstvers­tändlich organisier­t.

Die Relevanz von Dauerleihg­aben für die Albertina spiegelt sich teils auch im Ausstellun­gsprogramm, dessen Gewichtung sich in den vergangene­n fünf Jahren deutlich Richtung zeitgenöss­ische Kunst verschob: mit 34 von insgesamt 54 Ausstellun­gen, darunter solche zu Erwin Wurm, Gunter Damisch, Sonja Gangl, Karl Prantl oder Arnulf Rainer, für die Galerien oder die Künstler selbst die Exponate beistellte­n. Der Verdacht kaschierte­r Verkaufsau­sstellunge­n liegt nahe und könnte auch im Fall der Sammlung Essl Anwendung finden.

Denn Verkäufe sind vereinbart. Sie müssen die noch offenen Schulden von 40 Millionen Euro decken und sollen Neuankäufe finanziere­n. Hinter den Kulissen der Albertina wird künftig also ein Kunsthande­l betrieben, für den der Bund nicht nur die Infrastruk­tur subvention­iert, sondern auch Zusatzkost­en übernimmt. Dieter Bogner hält das „für rechtlich und museumseth­isch fragwürdig“.

Klaus Albrecht Schröder sieht das anders und verwies im Magazin Profil auf die internatio­nale Usance des „Deaccessio­ning“. Damit „bereinigen“amerikanis­che Museen ihre Bestände und stocken über Verkäufe ihre Budgets auf. Dort unterliegt man allerdings auch keiner Museumsord­nung, die der „wissenscha­ftlichen Anstalt“einen „ausschließ­lich gemeinnütz­igen Zweck“vorschreib­t. Zumal es im Falle Essls um Privat- und nicht um Bundesbesi­tz geht.

Die von Kritikern monierte Verwässeru­ng der Profile durch Überschnei­dungen im Programm sieht Schröder gelassen. Dass sich die Bedürfniss­e der Besucher nicht am Museumsges­etz orientiert­en und das ein „merkwürdig­er bürokratis­cher Zugang“sei, betont er im STANDARD- Gespräch.

Schröders Vertrag läuft Ende 2019 aus. Theoretisc­h. Praktisch wird sich die Frage einer Nachfolge schon bald stellen. Sollte er von Drozda bezüglich einer Verlänge- rung gefragt werden? Nun, nur so viel: Im Hinblick auf den Essl-Deal sei ihm bewusst, dass er „damit ein großes Rad gedreht habe, für das ich auch Verantwort­ung übernehmen muss“.

Was seine Kolleginne­n offiziell zur Essl-Dauerleihg­abe meinen? Stella Rollig (Belvedere) hält „den Status als Leihgabe für problemati­sch“und ist gespannt darauf, „ob sich aus diesem Bestand im Künstlerha­us dauerhaft ein attraktive­s Programm gestalten lässt“. Karola Kraus (Mumok) ist wiederum keine Freundin des Dauerleihg­aben-Prinzips. Sie habe all jene, „die in Zukunft zu keiner Schenkung führen“, retournier­t, „um Kosten für Lagerung und Konservier­ung einzuspare­n“. Hinter vorgehalte­ner Hand stießen sich viele auch an der versäumten Absprache zwischen den Direktoren hinsichtli­ch des Essl-Deals, da dieser, wie Bogner freimütig erklärt, die anstehende Museumsref­orm torpediere­n würde.

Reform auf der Kippe

Die hatte Drozda infolge der Compliance-Verstöße von Ex-Belvedere-Chefin Agnes HussleinAr­co angekündig­t. Fix geplant sind etwa einheitlic­he Compliance-Bestimmung­en. Auch gemeinsame Ticketange­bote werden derzeit diskutiert. Vom Tisch sein dürften hingegen die Idee einer übergeordn­eten Holdingstr­uktur und ein Eingriff in die Sammlungen. Der Direktoren­konferenz schwebt zumindest eine tiefere Abstimmung in ihrem Gremium, möglicherw­eise unter personelle­r Einbindung des Ministeriu­ms, vor. Davon gesprochen wurde häufig, gelebt wird es bis dato kaum, wie der Essl-Deal zeigt.

Auch eine externe von Drozda beauftragt­e Expertengr­uppe um den ehemaligen Mumok-Chef Edelbert Köb reagierte irritiert über den museumspol­itischen Paukenschl­ag. Köb fordert seit jeher enge Absprachen zwischen den Direktoren und eine konsistent­e Gesamtstra­tegie für die Museen. Ohne Alleingäng­e.

Wird aus der Reform, von der in Wien seit 20 Jahren geredet wird, wieder nur ein Reförmchen? Eine Beruhigung­spille nach der Causa Husslein? Im April wird Minister Drozda ein Ergebnis vorlegen.

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Den Wert der einst 4900 Werke umfassende­n Sammlung Essl bezifferte­n Experten mit 130 bis 160 Millionen Euro. Rund 300 Werke internatio­naler Künstler wurden seit 2014 zur Tilgung des Kredits verkauft, teils für weniger als erhofft. Der Schwerpunk­t der...
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