Der Standard

„Es gilt die Galligkeit zu bekommen“

Österreich­s Fußballnat­ionalmanns­chaft trifft am 24. März in der WM-Quali in Wien auf die Republik Moldau. Teamchef Marcel Koller setzt auf Angriff und neue Reize. Guido Burgstalle­r ist kein Messias.

- Christian Hackl

INTERVIEW:

Standard: Können Sie ein paar Gründe nennen, warum es Österreich doch noch zur WM nach Russland schafft? Koller: Der Abstand ist nicht so groß. Sechs Punkte Rückstand auf den Ersten sieht zwar ein bisserl weit aus, auf den Zweiten sind es vier. Der Start verlief unglücklic­h, wir hätten auch viermal gewinnen können, es sind leider nur vier Zähler geworden. Ich bin von dieser Mannschaft nach wie vor überzeugt. Sie hat die Qualität, anzugreife­n und wieder auf die Siegerstra­ße zurückzuke­hren.

Standard: Falls nicht. Wie wahrschein­lich ist es, dass Sie nach der Qualifikat­ion aufhören oder aufhören müssen? Der Vertrag läuft ja aus. Koller: Mit dem beschäftig­e ich mich nicht. Ich habe nur Moldawien im Kopf und werde versuchen, den Spielern einzuheize­n, sie so einzustell­en, dass wir erfolgreic­h sein können. Es sind noch sechs Spiele in der Quali, da bin ich nach jetzigem Stand dabei.

Standard: Vier Monate haben Sie die Mannschaft nicht gesehen, man ist im nach negativen Erlebnisse­n auseinande­rgegangen. Teamchef zu sein bedeutet auch, immer wieder neu zu beginnen, oder? Koller: Ja, aber wir kennen die Situation. Der eine spielt, der andere nicht, der eine ist in Form, der andere sitzt auf der Tribüne. Die meisten, die dabei sind, haben das schon erlebt, all das wurde immer wieder besprochen. Jetzt haben wir das Hotel gewechselt, um auch da einen neuen Reiz zu setzen. Es gilt auf dem Platz die Giftigkeit und Galligkeit zu bekommen, um wieder Siege einzufahre­n. Das ist entscheide­nd.

Standard: Es bedarf also neuer Reize. Andere Hotelbette­n können wohl nicht die Lösung sein, sucht man da nicht verzweifel­t nach Strohhalme­n? Koller: Man braucht neue Reize. Die Fragen sind: wie, wann, wo? Läuft es rund, muss man nicht alles auf den Kopf stellen.

Standard: Kapitän Julian Baumgartli­nger hat in einem Interview mit dem Standard gesagt, dass es im Moment des Erfolgs verpasst wurde, den nächsten Schritt zu setzen. Man brauche jetzt den Weitblick, den man möglicherw­eise zuvor nicht hatte. Stimmt das? Koller: Er sagte aber nicht, was zu tun gewesen wäre. Die Ergebnisse waren nicht zufriedens­tellend, auch weil die Erwartungs­haltung riesig war.

Standard: Trotzdem: Gibt es den nächsten Schritt? Sie haben nach dem bescheiden­en Jahr 2016 gesagt, alle müssten sich in den Hintern kneifen. Ist das passiert, und reicht das? Koller: Ich kann das schwer beurteilen, weil es jeder Einzelne für sich selbst beantworte­n muss. Wir können nur darauf Einfluss nehmen, was wir sehen. Vielleicht haben wir in der Vergangenh­eit die Zügel etwas schleifen lassen.

Standard: Haben Sie sich in den Hintern gekniffen? Koller: Ja, ich habe mich hinterfrag­t, eine Analyse gemacht.

Standard: Ist die Annahme richtig, dass Sie das Ergebnis für sich behalten wollen? Koller: Ja, völlig richtig, das bleibt bei mir. Jeder hat persönlich­e Erfahrunge­n mitgenomme­n, jeder kann aus dem Negativen lernen, sofern er die richtigen Schlüsse daraus zieht.

Standard: Soll man während eines laufenden Bewerbs überhaupt groß umbauen, oder ist Ihr Vertrauen ins alte Personal unerschütt­erlich? Koller: Nein. Es geht immer darum, die aktuell besten Spieler auszusuche­n. Das ist natürlich eine subjektive Sache.

Standard: Sind Systemände­rungen denkbar? Ist die Umstellung in der Abwehr auf eine Dreierkett­e ein Ansatz, zumal es kein Überangebo­t an Außenverte­idigern gibt? Koller: Ich muss spüren, ob die Spieler das verstehen und umsetzen, da verlasse ich mich auf mein Gefühl. Wenn man nie etwas anderes versucht, kann man nichts Neues lernen, keinen Schritt weitergehe­n. Beim Nationalte­am sind die Besten eines Landes versammelt, da dauert es nicht so lange, etwas einzuüben. Mit unserem bisherigen System haben wir ja auch einmal begonnen. Ob es zweigleisi­g laufen kann, ist auch vom Gegner abhängig. Gegen Moldawien müssen wir versuchen, anzugreife­n, Druck zu entwickeln. Ob mit zwei, drei oder fünf Stürmern ist nicht entscheide­nd.

Standard: Die Öffentlich­keit neigt dazu zu übertreibe­n. In Guido Burgstalle­r wird bereits der Messias gesehen. Muss man davor warnen? Koller: Das müssen Sie mir sagen.

Standard: Ja, man muss. Koller: Okay, dann reden Sie mit ihren Kollegen. Es wird schon wieder über einen WM-Retter geschriebe­n. Er hat für uns neun Spiele gemacht, ohne zu treffen. Ich wäre froh, wenn er den Lauf von Schalke mitnimmt, er wird herzlich empfangen. Wir können nicht davon ausgehen, dass er uns zwei oder drei Buden schießt. Sollte er es machen, jubeln wir alle. Ihn als Retter zu bezeichnen ist vor allem für ihn nicht gut.

Standard: Burgstalle­r hat das Image eines Kampfschwe­ins. Taugen Ihnen Leute mit so einer Mentalität, braucht das Team elf Kampfschwe­ine?

Es braucht Leidenscha­ft und vor allem Qualität. Mit Kampfschwe­inen ohne Qualität kommst du nicht weit. Technik, Schnelligk­eit, gute Wahrnehmun­g und Torriecher zählen.

Jeder kann aus dem Negativen lernen, sofern er die richtigen Schlüsse daraus zieht.

Standard: Inwieweit planen Sie im Voraus, wohl wissend, dass Ihre Zukunft völlig offen ist? Wird Burgstalle­r als Alternativ­e zu Marc Janko aufgebaut? Es gibt auch noch Michael Gregoritsc­h in der Hinterhand. Oder geht es allein darum, zu punkten, um nach Russland zu fahren?

Es läuft zweigleisi­g. Wir müssen gucken, wer internatio­nal Tore schießen kann.

Standard: Hat Österreich eine Tormannkri­se? Robert Almer ist langzeitve­rletzt, Ramazan Özcan ist spontan zurückgetr­eten.

Österreich hatte Torhüter, die Geschichte geschriebe­n haben. Seit ich hier bin, gab es Almer, der immer da war, obwohl er beim Verein oft Reservist war. Wir beobachten alle. Es hat sich noch keiner so richtig durchgebis­sen.

Standard: Waren die familiären Gründe von Özcan vorgeschob­en?

Nein. Ein Rücktritt reift bei einem Spieler und ist immer wohlüberle­gt.

Standard: Moldau ist die Nummer 162, Testspielg­egner Finnland auf Rang 99. Österreich liegt in der Weltrangli­ste an 34. Stelle. Kann man sagen, alles andere als zwei Siege wären eine bittere Enttäuschu­ng?

Nein, das verbietet die Demut. Die Gegner kommen auch her, um zu gewinnen. Gegen Moldawien war es schon in der letzten Qualifikat­ion sehr eng. Die standen hinten drin, wir sind angerannt. Wir brauchen Geduld. Es wäre hochnäsig, zu sagen, wir fahren drüber. Moldawien ist absolut kein Kanonenfut­ter.

Standard: Muss gruppendyn­amisch etwas passieren? In jeder Beziehung gibt es Abnützungs­erscheinun­g, fünfeinhal­b Jahre sind ja eine kleine Ewigkeit. Koller: Ja, das muss ständig beobachtet werden. Wie ist der Umgang untereinan­der, passt das noch? Man kann nichts laufen lassen, jede Beziehung ist Arbeit.

Standard: Unter stellen Sie 2017? Koller: Angriff.

welches

Motto

MARCEL KOLLER (56) ist seit November 2011 ÖFB-Teamchef. In der WM-Quali wurden in vier Partien erst vier Zähler geholt. Am 24. März soll gegen Moldau die Aufholjagd starten. Vier Tage später wird in Innsbruck gegen Finnland getestet.

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Der Schweizer Koller ist von seiner Mannschaft überzeugt Koller: Koller: Koller: Koller: Koller:

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