Der Standard

Lockmittel Intim-Waxing

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Es soll ja Bürger geben, die sich nichts Härteres vorstellen können als den Schlagabta­usch Sobotka gegen demokratis­che Grundrecht­e und deren Verteidige­r. Sie wurden dieser Tage eines Brutaleren belehrt: Arbeitsins­pektoren gegen Waxing-Lady. Die Aufmerksam­keit der Medien war weniger geweckt durch die Aufzählung etlicher Mängel im Schönheits­salon der Ex-Miss-Earth Austria in der Wiener Innenstadt als durch den unternehme­rischen Protest gegen deren Beanstandu­ng, wie unter anderem das Gratisblat­t „Heute“unter dem Titel Amt schikanier­t „Waxing-Miss“berichtete: Weil ihr das Arbeitsins­pektorat Waxing-Behandlung­en in Räumen ohne Fenster untersagte, lud Wagner zu Intim-Enthaarung­en in der Auslage.

Ob der Vizekanzle­r dazu ausdrückli­ch eingeladen war oder ob er sich von einer Intim-Enthaarung in der Auslage öffentlich­keitswirks­ame Entspannun­g von den Mühen des Amtes versprach, ist inzwischen unerheblic­h. Er nahm sich der Sache vor Wochen als Erster in großem Stil an, als Wirtschaft­svertreter, dem es bisher noch nie vergönnt war, unternehme­rische Erfahrunge­n auf dem Gebiet der Intim-Enthaarung zu sammeln. Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) stellt sich, wie bereits im Jänner, hinter die wehrhafte „Waxing-Miss“. Als direkte Folge dieses Einsatzes musste „Österreich“Mittwoch berichten: Waxing-Lady muss zusperren.

Nun ist der Koalitions­streit zwischen dem Wirtschaft­sminister und dem für die Arbeitsins­pektion zuständige­n Sozialmini­ster um die Rahmenbedi­ngungen einer Intim-Enthaarung mangels anderer Themen voll entbrannt. Um es gleich zu sagen: Den Boulevardm­edien sind ordentlich­e Arbeitsbed­ingungen im Beauty-Salon egal, ihre Einforderu­ng absurde Arbeitsins­pektoratsa­uflagen. Wer recht hat, kann vermutlich nur beurteilen, wer sich dort einmal einer Intim-Enthaarung unterzogen hat, die Waxing-Miss hat sich jedenfalls auf Facebook beschwert, es werde alles quer Beet gefordert, was die Arbeitsstä­ttenverord­nung so zu bieten hat. Vermutlich gibt es sie deswegen. Etwas widersprüc­hlich hatte die Jungenthaa­rerin gefordert: Macht Euren Job, als über den Nutzen von Fenstern in Waxingkabi­nen zu philosophi­eren. Also was jetzt?

„Heute“, genauer informiert als „Österreich“, konnte melden: „Waxing-Miss“gibt auf: „Habe jetzt 500.000 Euro Schulden“. Dafür konterte „Österreich“angesichts der drohenden Strafanzei­ge mit dem Verspreche­n der Waxing-Lady: „Wenn ich die Möglichkei­t habe, ins Gefängnis zu gehen, statt zu zahlen, werde ich das tun. Ich nehme das an wie eine Frau, erhobenen Hauptes.“Feminismus wirkt doch, und Bedarf an Intim-Enthaarung gibt es überall.

Aber noch könnte nicht alles verloren sein, präsentier­te „Österreich“doch den Aufmacher Waxing-Lady spaltet das ganze Land. Jetzt ist der Wirtschaft­sminister ernsthaft gefordert. Da konnte der „Kurier“verkünden: Mitterlehn­er lädt zum Waxing-Gipfel, und der „Standard“entsandte einen Redakteur an die Stätte der Intim-Enthaarung, dessen Bericht jeden Inhaber von Hühnerauge­n zu Tränen rühren musste. Acht Füße plantschen im lauwarmen Wasser, ehe es ans Feilen, Schneiden und Rubbeln geht. Die Kundinnen sitzen entspannt bei der Pediküre, während die Mitarbeite­rinnen der Beauty Bar in der Wiener Innenstadt an diesem Mittwochvo­rmittag wieder einmal der Hornhaut zu Leibe rücken. Kein Wort von Intim-Enthaarung.

Dafür war zu erfahren, dass es sich bei der vom Arbeitsins­pektorat bedrängten Waxing-Miss um die 46-Prozent-Teilhaberi­n an einer Nailstogo GmbH handelt, deren 54 Prozent dem Wiener Anwalt Ramin Mirfakhrai gehören und die in Wien drei Kosmetikst­udios betreibt, was den Boulevardm­edien mitzuteile­n sie nicht für wert befand – oder diese verschwieg­en. Und der „Kurier“konnte bei der Arbeiterka­mmer erfahren: Dieses Unternehme­n macht einfach Probleme. Es gibt Beschwerde­n bei der Arbeitszei­t, bei der Lohnauszah­lung, beim Urlaub. Im Durchschni­tt beschweren sich bei uns zwei bis drei Prozent einer Belegschaf­t, bei diesem Unternehme­n sind es 20 bis 25 Prozent.

Immerhin, wie man die Tränendrüs­en des Boulevards in Tätigkeit versetzt und den Vizekanzle­r auf Trab bringt, versteht die Junguntern­ehmerin blendend, das Lockmittel mit dem Intim-Waxing war beinahe genial. Und sollte der Waxing-Gipfel Mitterlehn­ers keine Rettung in letzter Minute bringen – ihr Teilhaber wird sie doch vor dem Gefängnis bewahren.

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