Kein Inselparadies für nirgendwen
Uraufführung von Felix Mitterers „Galápagos“im Theater in der Josefstadt
Wien – Nicht einmal am anderen Ende der Welt hat man seine Ruh’. An sämtlichen tropischen Paradiesen ist Friedrich Ritter schnurstracks vorbeigesegelt, um auf Floreana zu landen. Mit deutscher Gründlichkeit auf das Leben in der Abgeschiedenheit vorbereitet und das komplette Gebiss gezogen, bevor er in den Pazifik übersiedelt ist. Zwischen Stahlbeißerchen giftet Raphael von Bargen nun seiner Jüngerin Dore zu.
Warum er gekommen ist? Um sein philosophisches Hauptwerk zu schreiben, eine Mixtur aus Nietzsche, Laotse und lebensreformatorischen Grundsätzen. Über ein paar Anekdoten sollte er damit nicht hinauskommen. Als erfolgreicher zwar erwies sich sein Bestreben, auf dem abgelegenen Fels in jahrelanger Plackerei eine lebensspendende Flora zu kultivieren. Mit Inselromantik hat er aber ebenso wenig zu schaffen wie mit Krankheit. Hätte das der am Stock humpelnden Dore (mit die beste Leistung: Eva Mayer) bloß früher einer gesagt.
Es ist eine wahre Geschichte, die Felix Mitterer in Galápagos, seinem neuen Auftragsstück für das Josefstadttheater, verarbeitet und Stephanie Mohr in Szene gesetzt hat. Ereignet hat sie sich zwischen 1929 und 1934. Bis dahin war noch weiteres Personal dazugekommen. Erst Heinz (Peter Scholz) und Margret (Pauline Knof) aus Köln. Sie sind vor der Wirtschaftskrise und dem auf- kommenden Nationalsozialismus auf das felsige Eiland gezogen.
Damit bescheidet sich das historische Verweisen. Die Adaptierung von Christian Krachts Imperium im Schauspielhaus vor einem Jahr hatte bei ähnlich gelagerter Thematik mehr Substanz.
In der Leere des Bühnenkastens (Miriam Busch) entwickelt sich zwischen Zeitungspapierknäueln dennoch ein reizvolles Kammerspiel der Paare. Schlecht begonnen, wird Heinz zum Zuhörer für Friedrichs Thesen und für Dore zum menschlichen Faktor. Sogar Witze kann er erzählen, nicht so wie ihr verbissener Zahnarzt.
Und es hätte vielleicht – im doppelten Sinn – gut ausgehen kön- nen, wäre nicht eine Wiener Baronin noch hinzugekommen. Denn mit Ruth Brauer-Kvam als Eloise Wagner de Bousquet und ihren Toyboys (Matthias Franz Stein, Roman Schmelzer) zieht eine mit nichts anderem als mit der historischen Korrektheit zu entschuldigende Seichtheit in die Geschichte ein. Trotz ihrer Überzeichnung sind sie vor allem fade.
Antipathie und Revierstreitigkeiten nehmen zu. Montageartig sind die Szenen verknüpft, um die auf rätselhafte Todesfälle sich zuspitzende Geschichte einem Ermittler (Ljubiša Lupo Grujčić) nachträglich darzulegen. Kulissenposter vom Schnürboden
Historisches Spekulieren
Hatte der Aussteiger Ritter die Welt, die er verachtet, erst in Briefen und Artikeln über das Leben im Abseits informiert gehalten, spekulierten nach Bekanntwerden der Toten Zeitungen weltweit. Die bis heute ungeklärten Todesfälle begeisterten und unterhielten die Hierarchie der Glaubwürdigkeit hinunter bis in die Schundheftln.
Von einem solchen ist Mitterers Stück zwar weit entfernt. Aber ebenso weit bleibt es zu einem großen Wurf auf Distanz. Toll sind an der Produktion Regie und Ensemble, sie beherrschen ihr Handwerk. Dem Text aber fehlt es letztlich an Drama und Tragweite. Die 130 Minuten reine Spielzeit ziehen sich zuweilen. Wenn man wenigstens mehr wüsste, wozu. Nächste Termine am 23. und 24. 3.