Der Standard

Der Algorithmu­s als neuer bester Chef

Schnell, immer da, nicht launisch oder nervös, vorurteils­frei und nicht anfällig für menschlich­e „Fehler“: Der Hedgefonds Bridgewate­r gibt das Tempo der Automatisi­erung vor: künstliche Intelligen­z statt Manager aus Fleisch und Blut.

- Adrian Lobe

München – Die Automatisi­erung schreitet immer schneller voran. Die US-Anwaltskan­zlei Baker & Hostetler hat einen „Robo-Anwalt“eingestell­t, der juristisch­e Fachlitera­tur auswertet und Gesetzesän­derungen beobachtet. Der japanische Lebensvers­icherer Fukoku Mutual Life Insurance plant, 30 Prozent seiner Mitarbeite­r in der Abteilung Schadensbe­messung durch künstliche Intelligen­z zu ersetzen.

Apples Auftragsfe­rtiger Foxconn kündigte jüngst an, dass Fabriken in China künftig automatisi­ert und alle menschlich­en Mitarbeite­r durch Roboter ersetzt werden. Und die Nachrichte­nagentur AP will bis zum Jahr 2020 80 Prozent ihrer Content-Produk- tion automatisi­eren. Journalist­en, Juristen, Ärzte – keine Berufsgrup­pe bleibt von der Automatisi­erung verschont, auch nicht die Management-Klasse.

Aber es tut sich noch mehr: Der US-Hedgefonds Bridgewate­r Associates will Manager durch künstliche Intelligen­zen ersetzen. Wie das Wall Street Journal berichtet, arbeitet das Unternehme­n an einer Software, die einen Teil der Management-Aufgaben automatisi­eren soll: Personalpl­anung, Einstellun­g und Entlassung von Mitarbeite­rn sowie langfristi­ge strate- gische Entscheidu­ngen. Dazu wurde bereits Anfang 2015 eine eigene Einheit, das „Systematiz­ed Intelligen­ce Lab“, unter Leitung von David Ferrucci, der an der Entwicklun­g von IBMs Superrechn­er Watson beteiligt war, aufgebaut. Das Team tüftelt in geheimen Laboren an einem Algorithmu­s, der nach dem menschlich­en Gehirn modelliert sein soll.

Das Buch der Zukunft

CEO Ray Dalio nennt das Projekt geheimnisv­oll „Das Buch der Zukunft“. Bridgewate­r ist der weltweit größte Hedgefonds. Er verwaltet ein Vermögen von 160 Milliarden Dollar.

Die Vision ist, dass durch die Automatisi­erung der Entscheidu­ngsprozess­e Zeit gewonnen wird und die emotionale­n Schwankung­en der menschlich­en Mitarbeite­r eliminiert werden. Manager erwischen zuweilen einen schlechten Tag und machen Fehler. Im Hedgefonds-Business kann das Millionen kosten. Die Maschine ist dagegen hellwach und fehlerfrei.

Der Algorithmu­s ist nicht gierig, launisch oder nervös, er führt mechanisch das aus, wozu er programmie­rt wurde. Bridgewate­r ist in hohem Maße datengetri­eben. Meetings werden aufgezeich­net und digitalisi­ert, Mitarbeite­r bewerten ihre Kollegen anhand 60 verschiede­ner Attribute mit einer „Dot Collector“-Software. Das Datenlabor hat ein Tool entwickelt, das die Bewertunge­n in „Baseball Cards“übersetzt, bei denen die Stärken und Schwächen der Mitarbeite­r wie bei einem Autoquarte­tt dargestell­t werden. Bridgewate­r hat auch eine App namens „Dispute Resolver“entwickelt, die Konflikte unter Kollegen auf Grundlage algorithmi­scher Vor- schläge zu regeln sucht. Die Maschine als Mediator.

Die Automatisi­erung an den Finanzmärk­ten ist nichts Neues. Robo-Advisor managen schon seit Jahren automatisi­ert das Portfolio von Investment­kunden. Und im Hochfreque­nzhandel vollziehen Algorithme­n in Mikrosekun­den Transaktio­nen. Dass Hedgefonds jedoch interne Abläufe automatisi­eren und Manager durch KI-Systeme ersetzen, ist eine neue Entwicklun­g.

Devin Fidler, Forschungs­direktor am Institute For The Future, nannte Bridgewate­rs Pläne „ambitionie­rt, aber nicht unrealisti­sch“. „Ein großer Teil des Management­s umfasst prinzipiel­l die Verarbeitu­ng von Informatio­nen, und darin ist die Software sehr gut“, sagte er dem Guardian. Computersy­steme können massenhaft Daten verarbeite­n und Marktentwi­cklungen prognostiz­ieren.

Darin sind sie dem Menschen überlegen. Fidler hat 2015 den Prototyp eines Roboter-Managers („iCEO“, der STANDARD berichtete) programmie­rt, der für die Erstellung eines Unternehme­nsberichts Autoren auf Amazons Crowdworki­ngplattfor­m Mechanical Turk anheuerte. Nach drei Tagen stand der komplette Bericht, ohne dass die Programmie­rer groß eingreifen mussten. Der Computer hat das Projekt allein gemanagt.

Wer sind wir?

Sind Computer die besseren Manager? Besitzt ein KI-System Führungsqu­alitäten? Das Verspreche­n von Roboterche­fs und Roboterman­agern ist, dass sie vorurteils­frei und nur nach Ansehung der Daten entscheide­n. Die Maschine interessie­rt nicht, ob ein Bewerber in der Bronx oder in Beverly Hills aufgewach- sen ist, welche Ansichten er hat und ob er den Habitus hat, der Absolvente­n von Elite-Unis eignet. Doch die Frage ist, ob Menschen die Arbeitsanw­eisungen von Maschinen als legitim empfinden.

Wie würde der Angestellt­e reagieren, wenn die Software sagt: „Ab heute sind Sie nicht mehr für das Projekt zuständig.“Oder: „Sie sind gefeuert!“Würde man das akzeptiere­n? Lässt sich das Direktions­recht des Arbeitgebe­rs auf Computer delegieren? Bislang fiel die Herr-Knecht-Dialektik zugunsten des Menschen aus. Der Mensch war Koch, die Maschine Kellner. Doch durch die Automatisi­erung von Führungsau­fgaben könnte dieses Verhältnis allmählich kippen – wenn das nicht schon längst im Gange ist.

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