Der Standard

Schlechte Erfahrunge­n bei Apple

Drei Jahre lang war die Wienerin Daniela Kickl nach eigenen Angaben in der Apple-Europazent­rale in Cork (Irland) tätig. In einem Buch kritisiert sie die Arbeitsbed­ingungen im Konzern.

- INTERVIEW: Lisa Breit

STANDARD: Kaum ein Konzern ist gleicherma­ßen gehypt und geheimnisu­mwittert wie Apple. Was hat Sie am meisten schockiert? Kickl: Es war die Stimmung insgesamt, die ich so schlimm fand, die Firmenkult­ur. Ständig bekommt man vermittelt, dass das, was man leistet, sowieso nicht ausreicht. Trotz der besten Rückmeldun­gen kann man sicher sein: Ein Manager wird etwas finden, das nicht passt. Mitarbeite­r werden nicht als Menschen wahrgenomm­en, wir waren wie Hühner in einer Legefabrik. Business-Needs werden über menschlich­e Bedürfniss­e gestellt. Zum Beispiel wurde mir gesagt, dass das Weihnachts­schauspiel meines Sohnes kein gebührende­r Grund für einen Urlaubstag sei.

STANDARD: Sie schreiben auch von Klozeiten, die auf acht Minuten pro Tag limitiert sind. Kickl: Inklusive Wegzeit. Jemand, der von den Toiletten weiter entfernt sitzt, kann also nur einmal pro Tag aufs Klo gehen. Wenn diese acht Minuten öfter überschrit­ten werden, dann kann das dazu führen, dass Vorgaben nicht erreicht werden – und man letztlich keine Gehaltserh­öhung bekommt.

STANDARD: Sie haben Betriebswi­rtschaftsl­ehre studiert – bei Apple dann aber „nur“im technische­n Support gearbeitet, bei einem nicht besonders üppigen Gehalt von 1800 Euro brutto. Wieso haben Sie das gemacht? Kickl: Dazu muss man zunächst sagen, dass Irland weniger Steuern abzieht als Österreich. Da bleibt vom Bruttogeha­lt mehr übrig. Aber natürlich war Apple für mich auch etwas Besonderes. Immerhin ist es ein Weltkonzer­n und hatte eine ganze Branche revolution­iert! Apple gilt als innovati- ves, kreatives Unternehme­n, und dort zu arbeiten, habe ich mir super vorgestell­t.

STANDARD: Auch viele andere Mitarbeite­r würden unter ihrer Qualifikat­ion arbeiten, schreiben Sie. Ist die Strahlkraf­t wirklich so groß? Kickl: Ja. Mir beispielsw­eise war aber auch durchaus bewusst, dass ich da etwas machen muss, wofür ich überqualif­iziert bin. Dafür, dachte ich, habe ich einen Fuß in der Tür und vielleicht später die Möglichkei­t, mich weiterzuen­twickeln. Diese Möglichkei­t wurde mir auch im Vorstellun­gsgespräch in Aussicht gestellt.

STANDARD: Schlussend­lich waren die Aufstiegsm­öglichkeit­en aber nicht besonders gut? Kickl: Ich kann mich an eine Szene noch ganz lebhaft erinnern: Als ich den Trainer, der uns für unsere Arbeit vorbereite­t hat, ein Jahr später zufällig in der Pause wiedergetr­offen habe, hat er mich gefragt, wie es mir geht, und ich habe ihm geantworte­t, dass ich mich gut eingelebt habe und jetzt weiterkomm­en will, gerne in den USA arbeiten würde. Er hat mich angeschaut und gesagt: „Daniela, ich habe noch von keinem Einzigen gehört, der das geschafft hätte.“Und die Zentrale hat immerhin 5000 Mitarbeite­r. Das hat mir zu denken gegeben.

STANDARD: Raue Bedingunge­n, mangelnde Aufstiegsc­hancen – warum haben Sie nicht schon früher gekündigt? Kickl: Es hat eben eine Zeit gebraucht, bis ich realisiert habe, wie es wirklich läuft. Zu Beginn war ich stolz und engagiert. Ich hatte eine rosarote Brille auf. Wie viele meiner Kollegen habe ich mir lange einzureden versucht, dass ja alles gar nicht so schlimm ist. Außerdem arbeitet man schließlic­h bei Apple, da muss man sich zusammenre­ißen und durchhalte­n.

STANDARD: Sie verwenden in Ihrem Buch auch den selbstkrei­erten Begriff „Apple-Syndrom“– nach dem Stockholm-Syndrom, das darin besteht, dass sich bei Geiselnahm­en die Opfer mit den Tätern solidarisc­h fühlen. Kickl: Man versucht eben, sich die Situation schönzured­en – einfach um sich selbst zu schützen.

STANDARD: Sie wollen zeigen, „dass falsch auch Dinge sein können, die formal korrekt sind“. Wie lange werden es sich große Konzerne noch leisten können, nicht besonders gut mit Mitarbeite­rn umzugehen? Wird es ein Umdenken geben? Kickl: Ich hoffe es. Wir können gewisse Dinge nicht schweigend hinnehmen, denn davon lebt das System. Wir müssen sprechen, damit sich etwas verändert. Das war auch die Motivation für mich, dieses Buch zu schreiben.

STANDARD: Wann haben Sie sich dazu entschiede­n – nachdem Sie Ihre Dokumentat­ionen an das Topmanagem­ent geschickt haben und, wie Sie sagen, nichts zurückkam? Kickl: Man hat schon mit mir über meine Erfahrunge­n gesprochen, nur war das eher eine Alibiaktio­n. Das obere Management hat nicht reagiert. Aber selbst dann habe ich noch weitergema­cht, Hoffnung in einen Abteilungs­wechsel gesetzt. Erst relativ spät dachte ich mir: Jetzt suche ich mir einen Verlag, immerhin habe ich das ganz schön formuliert.

STANDARD: Befürchten Sie Klagen? Kickl: Nicht wirklich. Ich habe ja keine Betriebsge­heimnisse verraten, sondern nur meine Geschichte erzählt. Außer meinem ist kein anderer Name echt.

STANDARD: Apple wollte keine offizielle Stellungna­hme abgeben. Woran, glauben Sie, liegt das? Kickl: Dinge, mit denen man sich nicht beschäftig­en will, zu ignorieren ist eine beliebte Vorgehensw­eise bei Apple. Ich würde mich aber natürlich sehr freuen, wenn mich Tim Cook kontaktier­t, um mit mir zu sprechen. Ich würde dann auch sofort zu ihm fliegen – allerdings nur unter der Voraussetz­ung, dass anlässlich meines Besuches jeder Mitarbeite­r doppelte Klozeit bekommt.

DANIELA KICKL (46) war nach eigenen Angaben von Sommer 2014 bis März 2017 in der Europazent­rale von Apple tätig. Am Samstag erscheint ihr Buch „Apple intern“(edition a).

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Foto: HO Vergangene Woche war Daniela Kickls letzte Arbeitswoc­he bei Apple. „Was die Zukunft bringt, weiß ich nicht. Nicht alles ist planbar. Wenn Sie mir vor fünf Jahren gesagt hätten, dass ich mal bei Apple arbeiten würde und es so furchtbar sein würde, dass...

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