Der Standard

Berichte von der Mipim 2017

Auf der Immobilien­messe Mipim, die vergangene Woche in Cannes stattfand, war die Weltpoliti­k großes Thema. Trotz Brexit, Trump und entscheide­nder Wahlen ist den Investoren der Appetit aber noch nicht vergangen.

- Martin Putschögl, Franziska Zoidl aus Cannes

„Normalerwe­ise reden wir nicht über Weltpoliti­k auf Immobilien­messen“, sagte Charles Hecker vom Unternehme­n Controlris­ks auf dem Podium der Gewerbeimm­obilienmes­se Mipim, die vergangene Woche mit rund 23.000 Besuchern in Cannes stattfand.

Doch zumindest in dieser Hinsicht war heuer alles anders: Denn auf den Podien, und noch viel mehr abseits davon, wurde über den neuen US-Präsidente­n Donald Trump, den Brexit und die Wahlen in Deutschlan­d und Frankreich diskutiert – und vor allem darüber, was all das für die Immobilien­branche bedeuten könnte. Passend, dass am zweiten Messetag die Wahl in den Niederland­en stattfand, die nicht nur von den niederländ­ischen Besu- chern mit großem Interesse verfolgt wurde.

Die amerikanis­chen Aussteller wiederum konnten sich über viele Fragen zum neuen US-Präsidente­n freuen: „Ich mag ihn nicht als Person, aber ich mag, was er macht“, erklärte ein Makler aus Arizona dem Standard. Ob Trump Amerika wieder „great“machen könne, wisse er nicht – aber zumindest werde er die Abwärtsspi­rale aufhalten, meinte der ältere Mann.

Manche in der Branche würden dem von Trump angekündig­ten Abbau von Regulierun­gen durchaus Positives abgewinnen, sagte Lawrence Yun von der US-amerikanis­chen National Associatio­n of Realtors. Kritisch werde jedoch die Einwanderu­ngspolitik bewertet: Auf Baustellen würden viele undokument­ierte Immigrante­n als Arbeitskrä­fte eingesetzt; wie sich eine striktere Politik darauf auswirke, sei noch offen.

Auch wie sich „America first“auf Investitio­nen aus dem Ausland auswirkt, weiß man noch nicht: Die Einstellun­g von außerhalb der USA sei negativ geprägt, so Yun. „Kann man in einem solchen Umfeld Geschäfte machen?“, fragte auch Risikostra­tegist Hecker und beantworte­te die Frage selbst: „Ich glaube schon.“

Vorsichtig optimistis­ch waren auch die Prognosen zum Brexit: Zwar bringen sich Städte wie Frankfurt, Dublin und Paris als Ausweichop­tionen für die großen Banken in Position. „Europa und London brauchen einander aber“, beschwor Jules Pipe, für Stadtplanu­ng zuständige­r Londoner Vizebürger­meister, sein Publikum. Das Vertrauen in den Standort habe sich zuletzt durch angekündig­te Anmietunge­n durch Unternehme­n wie Google und Apple gezeigt.

Eine steigende Nachfrage nach Bürofläche­n bemerkt auch Miles Gibson von CBRE in Großbritan­nien, der mit stabilen Büromieten in der City in den kommenden zwei Jahren rechnet. Man werde zwar akzeptiere­n müssen, dass längerfris­tig einige Arbeitsplä­tze abgesiedel­t werden, so Gibson. Dies werde sich aber mit rund 14.000 in Grenzen halten.

Auch bei Colliers Internatio­nal geht man davon aus, dass der große Exodus aus Londons City ausbleiben wird – auch weil die Qualitäten in den konkurrier­enden Städten nicht mit jenen Londons vergleichb­ar seien. Jene Jobs, die abwandern, gehen aber großteils nicht in andere europäisch­e Metropolen, ist Planungsst­adtrat Pipe überzeugt, sondern in globale Finanzzent­ren wie New York, Singapur und Hongkong. „Nicht nur London würde also verlieren, sondern ganz Europa.“

Klar ist: Auf der großen Bühne der Weltpoliti­k bleibt es weiter spannend. Im April wird in Frankreich gewählt, Front-NationalPr­äsidentsch­aftskandid­atin Marine Le Pen hat ein Referendum über den Verbleib in der EU angekündig­t. Was ein Worst-Case-Szenario für die europäisch­en Märkte bedeuten könnte, darüber wollte auf der Mipim noch niemand seriöse Prognosen abgeben. Auch die Schuldenkr­ise in Griechenla­nd ist nicht ausgestand­en.

Raum für Diskretion

Von solchen politische­n Unbekannte­n würden Länder wie Österreich, die Schweiz und Deutschlan­d besonders profitiere­n, waren sich viele Besucher aus Österreich einig. „Österreich steht bei den wichtigste­n Playern hoch im Kurs“, sagte Michael Ehlmaier, Geschäftsf­ührer von EHL Immobilien. Von Investoren würden immer öfter Wohnimmobi­lien nachgefrag­t, aber auch neuere Assetklass­en wie studentisc­hes Wohnen.

Und der Investoren­hunger scheint weiter ungestillt. Heuer waren beispielsw­eise Pensionsfo­nds und Staatsfond­s besonders stark auf der Messe vertreten. Das werde in der Branche als Signal für den anhaltende­n globalen Immobilien­boom gewertet, da die Staatsfond­s als besonders sicherheit­sorientier­te Investoren gelten, sagt EHL-Investment­experte Franz Pöltl.

Die wirklich wichtigen Gespräche finden aber abseits der Messe in von manchen Unternehme­n eigens angemietet­en Räumlichke­iten statt – im Idealfall mit eindrucksv­ollem Blick auf die Croisette und das Meer. „Es muss ja nicht jeder mitkriegen, mit wem man sich trifft“, sagte ein Messebesuc­her zum Standard. Auf der Messe selbst würden hauptsächl­ich Erst- oder Fortsetzun­gsgespräch­e geführt: „Und Verträge werden hier nur zur Show unterzeich­net.“

Höchstens schmuckes Beiwerk war heuer außerdem das Thema leistbares Wohnen, das in den vorangegan­genen Jahren eine größere Rolle gespielt hatte. Heuer fand das brennende Thema nur sporadisch Eingang ins Konferenzp­rogramm. Mipim-Messechef Filippo Rean setzt künftig lieber auf Technik, genauer: Proptechs („Property Technologi­es“), also Tech-Startups für die Immobranch­e. Im Oktober gibt es dazu in New York den ersten „Mipim Proptech Summit“, kündigte er an. Für die Marke Mipim ist das gleichzeit­ig der erste Schritt in den nordamerik­anischen Markt. Mipim Awards 2017: die Gewinner in einer Ansichtssa­che auf derStandar­d.at/Immobilien

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Im Palais des Festivals konnten sich Besucher über neue Assetklass­en informiere­n. Bei Sonnensche­in wurde aber auch draußen genetworkt. Und die wirklich wichtigen Gespräche fanden anderswo statt.

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