Der Standard

Serbiens schmutzige Präsidente­nwahl

Am Sonntag wählt Serbien seinen neuen Staatspräs­identen. Premiermin­ister Aleksandar Vučić gilt als absoluter Favorit. Die Opposition sieht wenig Chancen für ihre Kandidaten. Sie bezeichnet die Wahlen als undemokrat­isch.

- Andrej Ivanji aus Belgrad

Nur in einem sind sich alle einig: Die Kampagne ist schmutzig, unerbittli­ch und erbarmungs­los. Den Auftakt für den Schlagabta­usch ohne Bandagen gab Premier Aleksandar Vučić, als er bekanntgab, sich persönlich für das Amt des Staatspräs­identen zur Verfügung stellen zu wollen: Seine Konkurrent­en bezichtigt­e er, „Kriminelle und Diebe“, Kräfte des alten Regimes zu sein, die an die Macht kommen wollten, nur um wieder plündern zu können.

Regierende Parteien verzichtet­en auf eigene Kandidaten und stellten sich geschlosse­n hinter Vučić. Sollte ein Opposition­eller an die Staatsspit­ze kommen, würde das Serbien destabilis­ieren. Vučić genieße nun einmal das höchste Ansehen im Volk und habe die besten Siegeschan­cen.

Das ukrainisch­e Szenario

Als Vučić seine Kandidatur bekanntgab, eröffneten die serbischen Medien, die zum Gutteil unter dem Einfluss der Regierung stehen, ihren Angriffsre­igen auf die zwei aussichtsr­eichsten von zehn opposition­ellen Kandidaten: den früheren Ombudsmann Saša Janković und den ehemaligen serbischen Außenminis­ter und Präsidente­n der UN-Vollversam­mlung Vuk Jeremić. Janković beschuldig­t man, vor vielen Jahren einen Freund umgebracht zu haben, Jeremić wird in Zusammenha­ng mit dem bis heute ungeklärte­n Tod zweier Soldaten gebracht.

„Sie wollen das mazedonisc­he oder das ukrainisch­e Szenario in Serbien herbeiführ­en“, donnerte Vučić in der Wahlkampag­ne, die nur einen Monat dauert, aber umso heftiger ist. Das Ziel seiner Gegner sei es, Serbien zu destabilis­ieren, hinter ihnen stünden finstere Machtzentr­en. Doch er, Vučić, werde das nicht zulassen. Der Premier, der nun Präsident werden will, präsentier­t sich als der Saubermann, der die einfachen Menschen vor einer „gierigen Bande“beschützen möchte.

Vučićs Dominanz

Vučić dominiert die Wahlkampag­ne. Die Medienagen­tur Kliping gibt in einem Bericht an, dass er zu 67 Prozent in TV-Programmen vertreten sei. An zweiter Stelle liege Jeremić mit 7,75 Prozent. Als Ministerpr­äsident besuchte Vučić vergangene Woche Bundeskanz­lerin Angela Merkel in Berlin und Anfang dieser Woche Wladimir Putin in Moskau. Er wolle Serbien in die EU führen und zugleich an der „historisch­en Freundscha­ft“mit Russland festhalten, lautet sein Mantra.

Den Umfragen nach hat Vučić gute Aussichten, schon in der ersten Wahlrunde zu siegen. Für den zum Autoritäre­n neigenden Politiker, der sich wie ein Volkstribu­n anstellt und seine Macht über Regierung, Parlament, Justiz und Polizei im Volkswille­n bestätigt sieht, wäre ein Ergebnis unter 50 Prozent eine Niederlage. Ein zweiter Wahlgang würde sich in ein Volksbegeh­ren für oder gegen seine Herrschaft verwandeln.

Sowohl Janković als auch Jeremić sind unabhängig­e Kandidaten. Ersterer zählt auf linksliber­ale, der Zweite auf national-konservati­ve Stimmen. Beide bezeichnen Vučić als Diktator, einen notorische­n Lügner und Populisten, beschuldig­en ihn der Vetternwir­tschaft und Korruption. Beide bezeichnen die Wahlen als unfair und undemokrat­isch, weisen darauf hin, dass Vučićs SNS Angestellt­e in staatliche­n Betrieben und Beamte unter Druck setze, für ihn zu stimmen.

Die Entscheidu­ng des Premiers, überhaupt für das Amt des Staatspräs­identen zu kandidiere­n – der ähnlich schmale Befugnisse wie in Österreich oder Deutschlan­d hat –, erklärt das Wochenmaga­zin Vreme, eine der wenigen Vučićkriti­schen Zeitungen, mit seinem „Machthunge­r“. Er würde nach einem Sieg eine Marionette als Premier einsetzen und de facto ein Präsidials­ystem führen.

Für eine Sensation sorgte mit bisher guten Umfrageerg­ebnissen Ljubiša Preletaćev­ić Beli, eine Kunstfigur, hinter der Luka Maksimović (26) aus der Provinzsta­dt Mladenovac steht. Seine Bewegung Sarmu probo nisi („Du hast das Wickelkrau­t nicht probiert“) ist eine Parodie auf das politische System. Er könnte viele der Politik Überdrüssi­ge und Junge zu den Urnen locken und so Vučić Probleme machen: Je größer die Beteiligun­g, desto schwierige­r wird es, im ersten Wahlgang über 50 Prozent der Stimmen zu bekommen. pDie elf Kandidaten im Überblick:

derStandar­d.at/Serbien

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