VW-Aufklärungsmotor stottert vor Gericht
Gut 220 Urteile wurden in der Causa Dieselgate inzwischen gesprochen, die Mehrheit zugunsten des Volkswagen-Konzerns. Keines davon ist bisher rechtskräftig geworden – auch, weil sich VW vergleichsbereit zeigt.
Wien – Eineinhalb Jahre nach Ausbruch des VW-Abgasskandals vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Urteil in Sachen „Dieselgate“ergeht. Hielten sich die Sprüche deutscher Gerichte für und gegen Volkswagen (VW) im Vorjahr noch die Waage, wollen Juristen anhand der jüngeren Urteile eine Tendenz zugunsten der Kläger, also geschädigter Autobesitzer erkennen.
Von 220 Urteilen gingen laut STANDARD- Recherchen allerdings rund drei Viertel zugunsten von VW und/oder deren Autohändlern aus, und nur etwa 25 Prozent für geschädigte Autobesitzer. Diese Größenordnung bestätigt man auch im VW-Konzern. Wie auch immer die Bilanz Ende 2017 ausfällt (da sollten in Österreich die Softwareaktualisierungen von bis zu 388.000 Fahrzeugen abgeschlossen sein): Volkswagen hat seine Händler haftungsfrei gestellt, zahlen würde am Ende ohnehin immer VW.
Hoffnungsschimmer für widerspenstige Fahrzeughalter, denen ein Softwareupdate als Wiedergutmachung nicht genügt, erscheint diesbezüglich das Urteil des Landesgerichts Hildesheim vom Jänner 2017, in dem VW – nicht rechtskräftig – zur Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Wagens verpflichtet wurde. Das Gericht bejahte eine vorsätzliche Schädigung und den Tatbestand des Betrugs durch Manipulation der Motorsteuerung.
Schärfer war im Herbst das Landgericht München II vorgegangen. Es kam zum Ergebnis, dass die Betriebserlaubnis von Fahrzeugen mit manipulierter Software „von Gesetzes wegen erloschen ist“. Die betroffenen Fahrzeuge dürften gemäß Straßenverkehrs-Zulassungordnung eigentlich gar nicht mehr fahren.
Das Schleswig-Holsteinsche Verwaltungsgericht stellte jedoch fest, dass diese Zulassungsvorschrift die EG-Typgenehmigung völlig unberührt lässt. „Diese ist weiter gültig und wirksam.“
Rechtskräftig ist, wie in Deutschland, auch in Österreich kein einziges Urteil. Der Instan- zenzug dauert und VW hilft gern auch mal mit einem Vergleichsangebot nach, sodass sich die Streitparteien außergerichtlich einigen. Während in Österreich immerhin drei Verfahren beim Obersten Gerichtshof (OGH) gelandet sind, ist beim nördlichen Nachbarn noch kein einziges an einem Oberlandesgericht abgeschlossen.
Für VW-, Skoda-, Seat- oder Audi-Besitzer, die ihren Wagen nach dem Software-Update nicht wiedererkennen, Motorengeräu- sche oder schwächere Zugkraft beklagen, stimmt diese Entwicklung nicht wirklich optimistisch.
Frau Verena S. aus Wien ließ ihren Seat-Ibiza nachrüsten, erlebte zwei Monate später aber ein blaues Wunder: Es stank im Fahrgastraum nach Abgas, die Kontrollleuchten gingen an, die Abgasrückführung (AGR) war defekt und musste ausgetauscht werden. Vereinfacht ausgedrückt wurde durch das Softwareupdate wohl der Stickoxidausstoß reduziert, doch es wurde mehr Sprit verbrannt und die Rußpartikel wurden mehr. Dadurch verkrustete das Abgasrückführventil und der Dieselpartikelfilter verstopfte.
Motorschaden möglich
„Die Fahrzeuge werden auf einen Modus umgestellt, der grundsätzlich nur für den Prüfstand gedacht war“, erklärt Rechtsanwalt Thomas Kainz den Vorgang, der Frau S. bei ihrer Klage beim Bezirksgericht für Handelssachen vertritt. Sie begehrt Rückabwicklung des Kaufvertrags, denn VW habe es nicht geschafft, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen, sagt Kainz im STANDARD- Gespräch. Ähnlich argumentiert auch die EU-Kommission, sie hat Motorschäden aufgrund der Umrüstung im Visier.
VW weist fehlerhafte Umrüstungen zurück. Von 350.000 zur Umrüstung freigegebenen Kfz in Österreich seien bereits 220.000 umgerüstet, sagt der Sprecher von Porsche Austria, Richard Mieling. „Die Umrüstung läuft wie erwartet gut“, es gäbe keine signifikante Anzahl von Reklamationen.
Viel Zeit bleibt nicht: Der Verjährungsverzicht seitens VW läuft Ende Dezember ab.