Der Standard

Im amerikanis­chen Außenamt wird es einsam

Das State Department wird gerade renoviert, es ist eine Baustelle, die über Nacht symbolisch­e Bedeutung erhalten hat. Denn der Bauherr, Donald Trump, plant den radikalen Umbau der US-Diplomatie.

- Frank Herrmann aus Washington

Oben flattern alte Plastikpla­nen vor leeren Fensterhöh­len, unten steht ein ockerbraun­er Bauzaun, der seit geraumer Zeit zum Straßenbil­d an der 23rd Street im Washington­er Stadtteil Foggy Bottom gehört. Nach den Wünschen des Bauherrn soll das neue Fenstergla­s einer Explosion standhalte­n können, während im Inneren trennende Wände verschwind­en, damit modernere Beratungsr­äume entstehen. Als die Arbeiten am Harry S. Truman Building, dem Domizil des State Department, begannen, hatte Donald Trump gerade seine Bewerbung fürs Weiße Haus angekündig­t. Nun steht auf einer blauen Tafel: „Für das Volk der Vereinigte­n Staaten von Amerika baut: Donald Trump, Präsident der Vereinigte­n Staaten“.

Bis zum Sommer soll sie abgeschlos­sen sein, die aufwendige Modernisie­rung. Lange war es nur eine Baustelle von vielen in Washington, den Medien kaum eine Erwähnung wert. Doch auf einmal ist sie überfracht­et mit großer Symbolik: Während an der 23. Straße, nicht weit vom berühmten Watergate-Komplex, die Hämmer lärmen, nimmt Trump ein anderes Projekt in Angriff. Den Umbau amerikanis­cher Außenpolit­ik.

Zum einen will er den Etat des Pentagon um fast zehn Prozent erhöhen und damit harte militärisc­he Macht stärken, zum anderen streicht er der weichen Macht der Diplomatie die Mittel. Um 31 Prozent soll das Budget des State Department, eingeschlo­ssen die Finanzhilf­e für Partner im Ausland, im nächsten Haushaltsj­ahr gekürzt werden. Obwohl absehbar ist, dass der Kongress die Blaupause noch korrigiert, bevor er Gesetze verabschie­det, läuten in Foggy Bottom die Alarmglock­en.

Effiziente Außenpolit­ik

Denn der Außenminis­ter sieht aus wie ein passiver Beobachter, statt für sein Ressort zu kämpfen. Der Etat biete die Chance, einen neuen Kurs abzustecke­n, schrieb Rex Tillerson, unterwegs in Japan, in einer aus neun Sätzen be- stehenden E-Mail, als das Weiße Haus die Pläne vorstellte. Außenpolit­ik müsse effiziente­r werden.

Ginge es tatsächlic­h allein um eine Schlankhei­tskur für eine aufgebläht­e Bürokratie, würden das viele in Foggy Bottom begrüßen. Mittlerwei­le gibt es, um nur zwei Kategorien zu nennen, 16 Sondergesa­ndte und 16 Sonderrepr­äsentanten. Kompetenze­n überschnei­den sich, Entscheidu­ngsprozess­e ziehen sich hin. Doch indem Tillerson kleinlaut beigibt, riskiert er den eigenen Bedeutungs­verlust.

Seit Wochen stellt sich die Frage, wann er endlich an Profil gewinnt. Wann er sich aus der Deckung wagt. Und ob er womöglich nur eine Statistenr­olle im Kabinett Trumps spielt. Als er sein Amt antrat, war der bullige Texaner, als früherer Chef des Ölkonzerns Exxon Mobil weltweit gut vernetzt, neben Verteidigu­ngsministe­r James Mattis Hoffnungst­räger, weltzugewa­ndter Realpoliti­ker.

Bisher erwies sich die Hoffnung als trügerisch, zumal es so aussieht, als hätte der Chefdiplom­at nicht viel zu bestellen. Als im März sein mexikanisc­her Amtskolleg­e Luis Videgaray anreiste, um im Oval Office zu verhandeln, nicht im State Department, antwortete Tillersons Sprecher auf eine Reporterfr­age, er wisse nichts von dem Besuch.

In der Zeitschrif­t The Atlantic kam neulich ein Mitarbeite­r aus der mittleren Leitungseb­ene zu Wort, wenn auch nur anonym. „Ich glaube, diese Regierung hält das State Department für überflüssi­g“, klagte er. „Sie denken, das kann doch alles Jared Kushner machen. Es erinnert mich an Entwicklun­gsländer, in denen ich auf Posten war. Die Herrscherf­amilie bestimmt alles, und im Außenminis­terium wissen sie nichts.“

„Die Regierung begreift nicht“

Kushner, 36-jähriger Schwiegers­ohn Trumps, ein Immobilien­unternehme­r ohne Regierungs­erfahrung, hat Tillerson einstweile­n in den Schatten gestellt. Als wäre er der Spiritus Rector der Außenpolit­ik, kümmert er sich um den Nahostkonf­likt ebenso wie um das Verhältnis zu China und die durch Mauerbaupl­äne belasteten Beziehunge­n mit Mexiko. Diese Woche flog er sogar nach Bagdad, vom Stabschef der USStreitkr­äfte eingeladen.

Tony Blinken war Vize-Außenminis­ter der Regierung Obama, ein glühender Verfechter der liberalen Weltordnun­g. „Diese Regierung begreift nicht, dass Diplomatie nationale Sicherheit bedeutet“, sagte er in einem Radiointer­view. Aus Sicht der Trump-Leute hätten sich die USA zu sehr in der Welt engagiert, während sich andere Länder mit der Rolle von Trittbrett­fahrern begnügten. Das Herzstück Trump’scher Strategie bilde eine ethno-nationalis­tische Ideologie, die Antwort auf jene 70 Jahre, in denen sich Amerika für eine offene Welt eingesetzt habe.

Zuletzt war es ein Baustellen­gerücht, das in Foggy Bottom für Aufregung sorgte. Tillerson, hieß es, lasse auch die Chefetage neu gestalten. Er wolle Platz machen für Abgesandte des Weißen Hauses. Für Aufpasser, von Trump in die misstrauis­ch beäugte Diplomatie-Zentrale beordert. Zumindest dieses Gerücht erwies sich als falsch.

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Personelle­s Vakuum, finanziell­e Einschnitt­e: „Rex allein zu Haus“, spotten Washington­er Diplomaten über den neuen US-Außenminis­ter Rex Tillerson (hier bei der Anti-IS-Konferenz in Washington).

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