Die 71-jährige Helferin und die vier Sparbücher
Eine Pensionistin soll einem von ihr Betreuten Geld herausgelockt haben
Wien – Waltraud K. soll eine Erbschleicherin sein. Was man kaum glauben mag, wenn man die distinguierte 71-Jährige vor Richter Georg Olschak sitzen sieht. Aber die jahrelang bei einem reichen Unternehmer als Haushaltshilfe angestellte Unbescholtene soll einem 90-jährigen Verwandten von diesem Geld herausgelockt haben.
In einem ersten Prozess gab es einen Freispruch, der Oberste Gerichtshof sah aber so viele Widersprüche, dass er eine Neudurchführung angeordnet hat. Auch im neuen Verfahren sagt die Pensionistin nicht ganz stringent aus. Aufgekommen ist die Geschichte, als die Erben nach dem Tod des von Frau K. betreuten Greises vier Sparbücher vermissten. „Die hat er mir zum 70. Geburtstag und aus Dankbarkeit geschenkt“, beteuert sie. Und zwar Ende April 2016, da sie an ihrem eigentlichen Jubeltag in Baden zur Kur weilte.
„Warum sind Sie extra aus der Steiermark nach Wien gefahren?“, will der Richter wissen. „Baden ist ja viel näher.“– „Man darf ja den Bezirk nicht verlassen“, lautet die Antwort. Später muss sie eingestehen, dass sie ihren Gönner während der Kur doch drei Mal besucht hat.
Wirklich interessant ist, dass der alte Herr noch am 5. Mai 5000 Euro abgehoben hat. Bei der Polizei hat Frau K. das zunächst nicht erwähnt. Als es dann nachgewiesen wurde, erzählte sie, das habe er gemacht, um ihr eine Autoreparatur zu zahlen. Eine Geschichte, die die Staatsanwältin für „haarsträubend“hält.
Die Angeklagte bleibt dabei. Sie kam aus der Steiermark und nahm eines der Sparbücher mit. „Das habe ich ihm dann gegeben, und er ist zur Bank gegangen.“Der Grund: die Parkschäden. Sie fuhr ohne Termin zu einer Werkstatt, um einen Kostenvoranschlag einzuholen. „Sie fahren also ohne Termin auf gut Glück nach Wien?“, wundert sich der Richter.
Auch die Anklägerin hat eine nachvollziehbare Frage: „Sie haben ja die Sparbücher angeblich schon gehabt. Warum haben Sie das Geld dann nicht selbst behoben?“– „Ich hätte auf der Fahrt nicht stehen bleiben können“, lautet die überraschende Antwort.
Völlig überraschend sagt die Angeklagte auch, am 5. Mai von ihrem Lebensgefährten begleitet worden zu sein. „Das haben Sie bisher noch nie gesagt!“, hält Olschak ihr vor. „Ich bin nicht danach gefragt worden“, behauptet Frau K. darauf.
Eine Antwort, die nachweislich falsch ist, wie sich aus dem Protokoll des ersten Prozesses ergibt. Damals hatte sie nur ihre Tochter als Zeugin genannt. „Aber wenn Ihr Partner mit gewesen ist, ist das doch der Erste, den ich angebe!“, ist die Staatsanwältin fassungslos.
Für die Zeugen wird vertagt.