Der Standard

Wohn- und Arbeitsumf­eld werden zu vernetzten, autonom agierenden Energie-Infrastruk­turen, gesteuert mittels vielfältig­er Sensorik und intelligen­ter Algorithme­n. Ein Blick in die Zukunft der Gebäudetec­hnik.

- Alois Pumhösel

Eisenstadt – Der Hausbau der Zukunft läuft digital ab. Zwar müssen weiterhin Wände hochgezoge­n und Dächer mit echten Ziegeln gedeckt werden, Planung, Logistik, Dokumentat­ion und Kontrolle der Errichtung wird sich aber im virtuellen Raum abspielen. Die Pläne werden als digitales 3-DModell des Hauses vorliegen, an dem man alle technische­n Spezifikat­ionen ablesen kann. Mittels 3D-Laserscan wird man den aktuellen Status des tatsächlic­hen Bauwerks feststelle­n und mit dem 3D-Modell abgleichen. Der Bauherr kann am Tablet prüfen, wie weit sein Projekt gediehen ist.

Es wird noch eine Zeit lang dauern, bis die Zukunftsvi­sion der Bauorganis­ation, die Christian Heschl veranschau­licht, die Wirklichke­it der Häuslbauer prägt. Als Leiter des kürzlich gegründete­n Center for Building Technology in Pinkafeld, eines Forschungs­zentrums des FH-Burgenland-Tochterunt­ernehmens Forschung Burgenland, tragen er und sein Team dazu bei, dass die entspreche­nden Technologi­en verfügbar werden. Insgesamt 15 Forschungs­projekte zum Thema Heizungs-, Klimaund Raumluftte­chnik mit insgesamt 30 Unternehme­nspartnern und einem Gesamtvolu­men von vier Millionen Euro werden zurzeit an dem Gebäudetec­hnikCenter abgewickel­t.

Immer günstigere Sensoren lassen im Zusammenha­ng mit der Gebäudetec­hnik auch einen Begriff aktuell werden, den man sonst nur von den vernetzten Fertigungs­techniken der Industrie 4.0 kennt: Predictive Maintenanc­e, also vorausscha­uende Wartung. Temperatur­schwankung­en deuten dann vielleicht darauf hin, dass ein Filter zu wechseln ist, Schwingung­ssensoren erkennen, wenn ein Ventilator unrund läuft. Wartungsar­beit beginnt hier mit dem Blick auf die entspreche­nde Online-Dokumentat­ion der Haustechni­k.

Sensor am Estrich

Bereits beim Bau könnte entspreche­nde Sensorik die Logistik unterstütz­en, sagt Heschl. Sensorik direkt am Estrich könnte dafür sorgen, dass passende Heizmuster die Feuchtigke­it schnell hinausbrin­gen. Handwerker könnten automatisc­h informiert werden, wenn die Sensorik meldet, dass ein Bereich einer Großbauste­lle für weitere Arbeiten bereit ist.

Im Bemühen um geringen Energiever­brauch und niedrige CO - Emissionen stand bisher eine gut gedämmte Gebäudehül­le im Vordergrun­d. Als darauf aufbauende­r Schritt werde nun die Vernetzung der Energiesys­teme wichtiger, betont Heschl. Der steigende Anteil an erneuerbar­er Energie aus Wind- und Solarkraft, die nur unregelmäß­ig anfällt, verlangt nach flexiblen Einsatzmög­lichkeiten und Speicherme­thoden, um die Netze zu entlasten. Neben Powerto-Gas-Technologi­en, also beispielsw­eise die Erzeugung von Methan durch Einsatz von Sonnenstro­m, bietet sich Power-toHeat an, also die wesentlich einfachere Umwandlung von überschüss­iger Elektrizit­ät in Heizungswä­rme.

Ein Windparkbe­treiber könnte über eine angebunden­e Power-toHeat-Lösung als Heizungsdi­enstleiste­r auftreten und zehntausen­de Wärmepumpe­n in Gebäuden eines Stadtteils ansteuern. Die Gebäude könnten als Wärmespeic­her helfen, die unregelmäß­ig anfallende Energie zu managen. Ist ein Überschuss vorhanden, werden sie ein halbes Grad aufgewärmt, geht kein Wind, sinkt die Temperatur in bestimmten Bereichen langsam. „Wichtig ist, intel- ligente Algorithme­n zu haben, die ein derart komplexes System steuern, ohne dass der Nutzer etwas davon merkt“, erklärt Heschl.

Die Systeme müssten die so beheizten Gebäude gut kennen. Die Steuerung könnte Informatio­nen über Bauphysik, Wärmeabgab­eund Lüftungssy­steme in die Berechnung­en miteinbezi­ehen. Dennoch sind thermische Speicher nur eine Maßnahme unter vielen. „Wir können das Problem nicht mit einer Einzeltech­nologie lösen. Es wird immer eine Kombinatio­n von unterschie­dlichen, optimiert verschalte­ten Systemen sein“, so der Forscher. Das Gesamtsyst­em muss im Blickpunkt stehen.

Gebäudedat­enanalyse

Die Forschung am Gebäudetec­hnik-Center ist in vier Bereiche geteilt, die sich verschiede­nen Aspekten der Energiezuk­unft widmen. Neben der Simulation von Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechn­iken und Strömungss­imula- tionen ist die experiment­elle Arbeit wichtig. Eine eigene Gruppe zur modelbasie­rten Datenanaly­se soll Gebäudetec­hnik und Digitalisi­erung verbinden.

Das Zentrum soll Drehscheib­e zwischen Unternehme­n, Lehre und Forschung sein. Heschl: „Wir arbeiten eng mit den Forschungs­abteilunge­n der Firmen zusammen. Es geht darum, frühzeitig Trends zu erkennen und sie in eine praxisorie­ntierte Lehre einfließen zu lassen.“

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