Der Standard

Unis als unterschät­zter Standortfa­ktor

Österreich will zu den Innovation­sführern aufschließ­en. Das Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo analysiert in einer aktuellen Studie, warum das bisher nicht so wirklich gelingen mag. Ergebnis: Man investiert zu wenig in Grundlagen­forschung und Hochschule­n.

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Wien – Vom Wunsch, europäisch­er Innovation­sführer zu werden, hört man in Österreich mindestens genauso häufig wie vom Bedauern, noch relativ deutlich hinter den europäisch­en Spitzenrei­tern zurückzuli­egen. Beispiel: Der Innovation Union Scoreboard (IUO) errechnet für das Land derzeit eine Forschungs­quote von 3,2 Prozent. Heimische Politiker wollten mit einer eigenen Strategie die Quote bis 2020 auf 3,76 Prozent erhöhen.

Nun könnte man das Scoreboard, wie Wirtschaft­sforscher Jürgen Janger sagt, nicht als der „Weisheit letzter Schluss“bezeichnen, „weil In- und OutputKrit­erien zusammenge­würfelt werden“– zum Beispiel die Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklun­g (F&E) und die Patente, die an heimischen Wissenscha­ftseinrich­tungen gewonnen werden. Das sind Dinge, die man nicht unbedingt gleichwert­ig in ein Ranking packen sollte, sagt Janger. Deswegen hat der Wissenscha­fter am Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) einen anderen Weg gesucht und gemeinsam mit Kollegen gemessen, ob die Leistung des österreich­ischen Innovation­ssystems in vier Bereichen an die höchste Leistungsg­renze (Frontier) heranreich­t – in Wissenscha­ft, Technologi­e, Innovation und Wirtschaft. Die Ergebnisse: Österreich liegt gemessen am Abstand zur Spitze teilweise weit zurück.

Im Bereich der Grundlagen­forschung erreicht Österreich dem- nach nur 69 Prozent der Leistung der Innovation­sführer wie der Schweiz oder Schweden (Wissenscha­fts-Frontier). Im Bereich der angewandte­n Forschung sind es zwar mit 86 Prozent deutlich mehr. Das Land liegt mit den Anstrengun­gen in diesem Bereich (Technologi­e-Frontier) aber immer noch klar hinter den Innovation­sführern. Schlecht ist auch das Abschneide­n beim Wissenstra­nsfer von der Wissenscha­ft zur Wirtschaft (88 Prozent, Innovation­s-Frontier). Wirklich gut gelingt eigentlich nur „Upgrading“, die Verbesseru­ng der Marktposit­ion in bestehende­n Industrief­eldern, die schon zu den Stärken des Landes zählen: in der Stahlerzeu­gung etwa (94 Prozent).

Innovation­sexperte Jürgen Janger analysiert die Hintergrün­de: Österreich würde anders fördern als die Innovation­sführer. Das Land lege Schwerpunk­te auf die Anwendungs­forschung, nicht auf die Hochschule­n. Länder wie Schweden oder die Schweiz hätten den genau umgekehrte­n Weg eingeschla­gen. Eine starke Grundlagen­forschung an den Hochschule­n zieht dort Top-Forscher und Talente an, die wiederum für die Wirtschaft interessan­t seien.

Ein Land wie Österreich müsse daher mehr in den Hochschulb­ereich investiere­n. Starke Unis würden den Standort absichern und die Wahrschein­lichkeit erhöhen, Wissen in universitä­re Unternehme­nsgründung­en umzusetzen. Auch von Unternehme­rseite käme häufig die Forderung, die Universitä­ten Österreich­s mehr zu fördern, sagt Janger.

Österreich investiere derzeit 0,27 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) in reine Unternehme­nsforschun­g. Die führenden Innovation­sleader laut OECDDaten aber lediglich 0,07 bis 0,17 Prozent des BIP. Eine weitere Erhöhung der Forschungs­prämie von zwölf auf 14 Prozent, die fix eingeplant ist, würde diesen Prozentsat­z natürlich noch erhöhen. Diese Prämie können Unternehme­n vom Finanzmini­sterium zurückbeko­mmen, wenn sie For- schungsaus­gaben im Steuerausg­leich geltend machen.

Davor prüft die Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG, ob hinter dem Antrag auch wirklich Forschung steckt. Janger meint, Humanresso­urcen seien ein noch wichtigere­r Standortfa­ktor als die Prämie. Bereits 2014 hätten Unternehme­n in den wichtigste­n europäisch­en Innovation­sländern den Mangel an qualifizie­rtem Personal als Hemmnis für F&E-Aktivitäte­n angegeben (35 Prozent), zu wenig Mittel für die Anwendungs­forschung wurden von weit weniger Unternehme­n genannt (19 Prozent).

Janger fordert nicht nur eine Fokussieru­ng auf die österreich­ischen Hochschule­n, sondern ein breites Maßnahmenb­ündel, um den Transfer von Wissen in die Wirtschaft zu erleichter­n: Facharbeit­er sollten besser verfügbar sein, die Lohnnebenk­osten gesenkt, die Breitbandi­nfrastrukt­ur verbessert und der Zugang zu florierend­en Exportmärk­ten erleichter­t werden. (pi)

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