Der Standard

Firmen tragen beim Datenschut­z Scheuklapp­en

Konsumente­n geben im Internet oder am Smartphone bereitwill­ig Daten preis. Das neue Datenschut­zregime im kommenden Jahr will den saloppen Umgang damit erschweren. Viele Unternehme­n und vor allem Start-ups ignorieren den bevorstehe­nden Kulturwand­el.

- Regina Bruckner

Wien – Das Phänomen ist bekannt. Man surft im Internet, um sich schlauzuma­chen, wo man sein neues Fahrrad am besten kaufen soll. Dann schiebt man das Projekt beiseite, um sich über das Weltgesche­hen zu informiere­n. Und siehe da: Wie durch Zauberhand geistert die Fahrradwer­bung über den Schirm. Möglich ist dies dank Target-Marketing. Google, Amazon und Co bedienen sich des ausgefeilt­en Systems, aber auch andere Unternehme­n, denen man niemals direkt begegnet ist. Für diese zielgerich­tete Werbung braucht es neben naiven Konsumente­n, die ohne Vorsichtsm­aßnahmen surfen, technische­s Know-how und Rüstzeug wie Cookies. Also kleine Datensätze, die beim Aufruf von Websites erzeugt werden und protokolli­eren, was Nutzer so treiben.

Die Informatio­n, dass eine Website Cookies verwendet, reicht ab kommenden Jahr nicht mehr. Denn 2018 bricht eine neue Ära an. Mit der ab 25. Mai in Kraft tretenden Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) der EU muss der Nutzer zustimmen. Das neue Re- gime, das den Umgang mit elektronis­chen Daten regelt, birgt für Unternehme­n Sprengkraf­t. Allein deswegen, weil viele nicht wissen, was sich dahinter verbirgt, sagt Anton Jenzer, Präsident des Dialog Marketing Verbands Österreich (DMVÖ) dem STANDARD. Über 60 Prozent der heimischen Unternehme­n sind nicht oder kaum damit vertraut, was auf sie zukommt, warnt Jenzer.

Dabei ist nahezu jedes Unternehme­n betroffen, auch wenn Datensamme­ln nicht Kerngeschä­ft ist. „Das fängt schon beim Newsletter an, der nur nach Zustimmung verschickt werden darf. Kümmern muss sich auch jeder, der eine Kundendate­nbank für Marketingz­wecke nutzt“, sagt Jenzer. Ausnahmen für Einpersone­nunternehm­en gibt es nicht. Richtig happig wird es bei Vergehen mit den Strafen, drohen doch bis zu vier Prozent des Jahresnett­oumsatzes oder 20 Millionen Euro.

Medienbetr­iebswirt Constantin Wollenhaup­t ortet vor allem bei Start-ups, die Apps kreieren, ein Problem. Deren Datensamme­lwut sei oft unbegrenzt und Teil des Geschäftsm­odells. Künftig dürfen sie aber nur Daten sammeln, wenn diese für die Vertragser­füllung nötig sind. „Die interessie­rt das über- haupt nicht“, sagt Wollenhaup­t. Dabei sei schon Feuer am Dach, wenn eine Datenschut­zverletzun­g nur passieren könnte. Unternehme­n müssen dafür einen internen Notfallpla­n in Form einer Folgeabsch­ätzung parat haben. Dass die Meldepflic­ht beim Datenregis­ter entfällt, hält Wollenhaup­t für kontraprod­uktiv. „Das wird dann wohl nicht ernst genommen.“

Die Hochzeit beim Thema erwartet Wollenhaup­t einen Monat vor dem 25. Mai. Nur: Im Gegensatz zur Registrier­kassenpfli­cht gibt es keine Übergangsf­rist. Betriebsam­keit herrscht derzeit schon bei Experten. Über 60 Öffnungskl­auseln sind zu diskutiere­n. Eine der brennenden Fragen wird laut Wollenhaup­t sein, ob Österreich das Verbandskl­agerecht, besser bekannt unter Sammelklag­enrecht, implementi­ert.

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Foto: Imago Freizeit, Sport, Gesundheit – ihr Leben organisier­en viele via kleine Helferlein, genannt Apps. Dafür geben sie gerne viele Daten preis.

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