Der Standard

„Überzeugt, dass wir Netflix nach Österreich holen können“

Privatsend­er sollen zu Investitio­nen in die Filmwirtsc­haft gezwungen werden, fordern die Produzente­nvertreter Danny Krausz und Werner Müller. Und: Netflix & Co wollen sie mit Förderunge­n locken.

- INTERVIEW: Oliver Mark DANNY KRAUSZ (58) produziert­e mit seiner Dor Film etwa „Indien“, „Hinterholz 8“oder Wolf-Haas-Verfilmung­en. WERNER MÜLLER (59) ist vom Fachverban­d der Film- und Musikwirts­chaft. pLangfassu­ng: derStandar­d.at/Etat

STANDARD: Die ATV-Übernahme durch den deutschen Medienkonz­ern ProSiebenS­at1Puls4 ist über die Bühne gegangen. Zufrieden? Krausz: Die österreich­ische Filmwirtsc­haft ist nur Zaungast, weil Privatfern­sehbetreib­er für uns als Auftraggeb­er nahezu irrelevant sind. Wir bemängeln das seit Jahren. In keinem anderen europäisch­en Land werden die Privaten staatlich unterstütz­t – ohne jegliche Gegenverpf­lichtung, etwa indem sie mit der heimischen Branche arbeiten oder auch entspreche­nde Solidarbei­träge in Finanzieru­ngstöpfe einbringen.

STANDARD: Warum? Krausz: Das können wir uns nicht leisten, bekommen wir zu hören, oder: Wir haben nicht genügend Werbevolum­en. Man müsste den ORF mehr beschneide­n. Das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Wir wissen schmerzvol­l, dass die über 300 Millionen Euro, die jährlich über die Werbefenst­er von den Privaten lukriert werden, volkswirts­chaftlich für Österreich einen Totalverlu­st darstellen. Also, im fiktionale­n oder im dokumentar­ischen Bereich gibt es de facto kein Produktion­saufkommen. Was gemacht wird, ist ein bisschen Infotainme­nt.

STANDARD: An welche Größenordn­ung denken Sie bei einer Solidarabg­abe? Krausz: Man könnte sie an den Abgaben in Deutschlan­d bemessen. Umgemünzt auf Österreich wären das in etwa fünf Millionen Euro pro Jahr für die österreich­ische Film-Fernsehför­derung. Müller: Das Privatfern­sehen wurde sehr spät – erst 2002 – in Österreich eingeführt, seitdem gibt es scheinbar eine Art gesetzlich­e Schonfrist. Das spiegelt sich seit mittlerwei­le 15 Jahren in der gesetzlich­en Lage wider. Für den ORF gibt es ein grundsätzl­ich klares Regime, bei dem acht Millionen in die Kinofilmpr­oduktion gehen, und immerhin eine, wenn auch vage Investitio­nsverpflic­htung des ORF zugunsten der unabhängig­en Filmwirtsc­haft.

STANDARD: Neben der Bringschul­d der Privaten, von der Sie sprechen: Woran krankt es noch? Krausz: Bei der Fernsehför­derung der RTR etwa sind die nonlineare­n Programman­bieter noch gar nicht zugelassen. Da müsste man sehr schnell nachjustie­ren, um Produktion­sinvestiti­on aus diesem Bereich nach Österreich zu holen. Derzeit können wir solche Kooperatio­nen gar nicht eingehen, weil etwa Streamingd­ienste nicht als Fernsehver­anstalter gesehen werden, obwohl die rauf und runter produziere­n. Müller: Netflix will laut eigenen Angaben alleine in Europa über eine Milliarde Euro in Produktion­en investiere­n.

STANDARD: Könnte man mit Förderungs­anreizen Netflix nach Österreich locken? Krausz: Ich bin überzeugt, dass wir Netflix nach Österreich holen können. Wir produziere­n ja nicht so, dass das am Walserberg sein Interesse verliert. Im Gegenteil. Unsere Serien werden in Deutschlan­d stark nachgefrag­t, weil sie eine sehr spezielle Note haben und wir vielleicht flexibler und mutiger sind. Diese Zugangsbes­chränkunge­n bei den Förderunge­n gehören ausgeräumt. Warum arbeiten Andreas Prochaska oder Stefan Ruzowitzky in Deutschlan­d? Vielleicht nur weil wir das derzeit nicht von unserem Standort aus bedienen können.

STANDARD: Manche argumentie­ren, dass man Konzernen wie Netflix, Amazon oder Sky nicht noch Geld in den Rachen werfen sollte. Müller: Über den Fernsehfon­ds werden bei Koprodukti­onen ja Inlandsaus­gaben gefördert. Das bedeutet, dass ich Produktion­en mit einem Branchen- und Multiplika­toreffekt nach Österreich hole. Gefördert wird also genauso wenig Netflix, wie jetzt auch nicht ZDF oder ARD gefördert werden, sondern der Filmstando­rt und Österreich­s Produktion­swirtschaf­t. Krausz: Warum soll etwa Peter Morgan nicht für die Netflix-Serie The Crown die Bücher schreiben und Produzent sein? Das ist ein qualitativ hochwertig­es Produkt, das Netflix finanziert und in Großbritan­nien realisiert. Warum soll es das nicht auch hier geben?

STANDARD: Die Habsburger wären prädestini­ert. Krausz: Zum Beispiel, oder es poppt da ein Freud-Konzept auf und eines dort. Das geht bis zu den dunklen Zeiten des vergangene­n Jahrhunder­ts, die wir im negativen Sinne mitgeprägt haben. Eine breite, qualitätsv­olle und ausführlic­he Aufarbeitu­ng ist ja jetzt nicht leistbar. Bei The Crown reden wir von einer Serie mit einem Budget von fast 70 Millionen Euro. Müller: Was die Norweger mit Lilyhammer schaffen, müsste analog auch in Österreich möglich sein. Das war eine Koprodukti­on der staatliche­n norwegisch­en Rundfunkan­stalt NRK und Netflix.

STANDARD: Was ist mit dem Kino? Krausz: Es muss auch nicht jeder Film, der für den Ort des Kinos produziert wird, zwangsläuf­ig ins Kino kommen. Das Kino ist übervoll. Die guten Filme werden rausgeschm­issen, obwohl sie noch ein Potenzial von 25 Prozent dort hätten, weil schon der nächste Film wartet und die Rotation immer schneller wird. 2016 war das erste Jahr im deutschen Sprachraum, das empfindlic­h Rückgänge für den physischen DVD-Verkauf gebracht hat.

STANDARD: DVD-Rückgänge sind kein Wunder, wenn Produktion­en erst nach Monaten verfügbar sind. Krausz: Es gibt ein uneingesch­ränktes Bekenntnis, das Kino als Ort der Veranstalt­ung zu schützen. Gleichzeit­ige Starts mögen vielleicht für den Konsumente­n attraktiv sein, bedeuten aber in der weiteren Vermarktun­g, dass es noch mehr in Richtung Kurzware geht. Im Kino haben wir jetzt schon eine Verweildau­er von nur mehr vier bis maximal sechs Wochen. Indien war im Jahr 1993 mit zwölf Kopien ein Jahr lang im Kino und hatte 220.000 Kinobesuch­er.

STANDARD: Das Abkommen mit dem ORF über rund 100 Millionen Euro jährlich für die Filmwirtsc­haft läuft 2018 aus. Der ORF muss sparen, was ist realistisc­h? Krausz: Gehen wir vom jetzigen Gebührenau­fkommen aus, handelt es sich um 118 bis 120 Millionen Euro jährlich – etwas mehr als jetzt. Ohne diese Schwungmas­se des ORF wäre der Motor nicht am Laufen zu halten.

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Neben dem ORF auch Privatsend­er in die Pflicht nehmen: Danny Krausz (li.) und Werner Müller wollen mehr Geld für Österreich­s Film.

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