Der Standard

Der Krieg gegen den freien Geist

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EDas interessan­teste und zugleich mit größter Zustimmung zu lesende Politikeri­nterview ist das im letzten Spiegel mit der neuen SPD-Hoffnung Martin Schulz. Es ist in der Rubrik „Kultur“erschienen. s geht um Bücher. Bücher, die der Schulversa­ger Schulz schon als Schüler und dann als Buchhandel­slehrling Schulz verschlung­en hat und die ganz offensicht­lich bei seiner politische­n und moralische­n Entwicklun­g entscheide­nd waren. Hat man lange nicht von einer Persönlich­keit des öffentlich­en Lebens gehört.

Schulz: Die Buchhändle­rausbildun­g damals (1975–77) habe bedeutet: „Du hast die deutsche, europäisch­e, internatio­nale Literatur kennen müssen, einmal quer durch die Epochen.“

Schulz las mit „14 oder 15“die erste große Hitler-Studie von Alan Bullock, dann Joachim Fests Hitler. Eine Karriere. Beides habe ihn „extrem politisier­t“. Heute seien Die Schlafwand­ler von Christophe­r Clark und Höllenstur­z von Ian Kershaw „sehr wichtig für mich“. Denn die Gefahren seien deutlich erkennbar: „,Wehret den Anfängen‘ ist der heimliche Untertitel aller dieser Bücher.“Die Parallelen zu heute mit den Rechtsdema­gogen seien zu offensicht­lich: „Wir dürfen nicht zuschauen, wie die Instrument­e der Demokratie in die Hände der Demokratie­feinde gelangen.“

Ein Teil dieses Prozesses ist der Krieg gegen den freien Geist, der bereits überall begonnen hat – von Trumpistan über Orbánistan bis Putinistan und Erdoganist­an. Kritische Geister sind eine Bedrohung für diese neue Art von populistis­ch-autoritäre­r Herrschaft.

In unserer unmittelba­ren Nachbarsch­aft hat das Regime des Nationalpo­pulisten Viktor Orbán soeben eine Privatuniv­ersität praktisch abgedreht, die als fast einzige noch fundierte Kritik an ebendiesem Regime übte. Die Central European University (CEU) wurde von einer Stiftung des ungarischs­tämmigen US-Milliardär­s George Soros gegründet, was eine bemerkensw­erte Einheitsfr­ont von „antikapita­listischen“Linken, alten (antisemiti­schen) Rechten und den neuen osteuropäi­schen Nationalis­ten hervorgebr­acht hat. Soros unterstütz­te noch unter dem Kommunismu­s die Öffnung der damaligen Gesellscha­ft und heute den Widerstand gegen den Autoritari­smus. Daher ist er ein Feindbild aller NeoAutorit­ären.

Die Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou hat als erste Politikeri­n öffentlich vorgeschla­gen, der CEU in Österreich Asyl zu gewähren. Auch im Außenminis­terium überlegt man angeblich, ein Angebot zu machen. Auch die Rektorenko­nferenz unter Oliver Vitouch sprach sich dafür aus.

Allerdings würde dann in Ungarn eine der allerletzt­en Bastionen des freien Geistes fallen. Nicht gut angesichts der Entwicklun­g zu autoritäre­n Regimen in Osteuropa wie in den Dreißigerj­ahren. Polen, Ungarn, auch der Übergang in Serbien zu einem Präsidials­ystem riecht verdächtig nach „Starker-Mann-System“.

Anderersei­ts werden wir vielleicht auch hier in Österreich bald eine liberale Institutio­n brauchen, die die Freiheit des Geistes vertritt. hans.rauscher@derStandar­d.at

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