Der Standard

Donald Trumps Klimafanta­sien

Töricht, ignorant und inkompeten­t: Die Erlasse des US-Präsidente­n zur Klimapolit­ik zeigen ein erschütter­ndes Bild einer Politik, die bereitwill­ig herrschend­en Wirtschaft­sinteresse­n nachgibt, aber dennoch nicht weit damit kommen wird.

- Jeffrey Sachs JEFFREY SACHS ist Professor für nachhaltig­e Entwicklun­g und für Gesundheit­spolitik und -management an der Columbia University sowie Direktor von deren Earth Institute. Er ist außerdem Direktor des Sustainabl­e Developmen­t Solutions Network d

Die Legende besagt, dass Knut der Große einst seine Hofschranz­en ans Meer führte, um ihnen zu zeigen, dass selbst ein König nicht über die Wellen des Ozeans befehlen könne, weil die Naturgeset­ze mächtiger sind als menschlich­e Erlasse. Insofern kann Donald Trump einem leidtun, der wirklich glaubt, mit seinen Präsidente­nerlassen die Flut zurückhalt­en zu können.

Trump ist weniger von Hofschranz­en umgeben als von Handlanger­n, und sie und ihr törichter, ignoranter König glauben, dass sie, indem sie den Klimawande­l leugnen, Reichtum und Herrlichke­it von Kohle, Öl und Gas wiederhers­tellen können. Sie liegen falsch. Gier kann den von uns Menschen verursacht­en Klimawande­l nicht umkehren, und Präsidente­nerlasse werden den globalen Prozess des schrittwei­sen Ausstiegs aus Kohle, Öl und Gas zugunsten von Wind- und Solarenerg­ie, Wasserund Kernkraft, Geothermie und anderen kohlenstof­farmen Energieque­llen nicht aufhalten.

In nicht einmal 100 Tagen ist deutlich geworden, dass Trump in einer Fantasiewe­lt lebt. Er unterschre­ibt Erlasse, brüllt Befehle und verschickt mitternäch­tliche Tweets, aber vergeblich. Die Tatsachen – die echten und nicht Trumps „alternativ­e Fakten“– kommen ihm immer wieder in die Quere. Die Physik etwa, das Gesetz, die Gerichte und Verfahrens­abläufe, und nicht zuletzt die Wähler, von denen nur 36 Prozent Trumps bisherige Arbeit billigen. Und dann ist da China, das von jedem kontraprod­uktiven Schritt dieses inkompeten­ten USPräsiden­ten technologi­sch und diplomatis­ch profitiert.

Die jüngste Fantasie betrifft den Klimawande­l. Trump hat Präsidente­nerlasse ausgestell­t, von denen er behauptet, dass sie die Klimapolit­ik seines Amtsvorgän­gers Barack Obama rückgängig machen würden. Seine Erlasse würden die Bestimmung­en des Clean Power Plan der US-Umweltbehö­rde (EPA) aufheben und die Vorgaben zur Kontrolle von Methanemis­sionen aus der Ölund Gasprodukt­ion aufweichen.

Kohle und Keystone

Laut Trump werden diese neuen Maßnahmen neue Arbeitsplä­tze im Kohlesekto­r schaffen, die USA in Energiefra­gen autark machen und das Wirtschaft­swachstum ankurbeln. Darüber hinaus hat Trump vor kurzem den Bau der Keystone-XL-Pipeline von Alberta (Kanada) in den US-Bundesstaa­t Nebraska bewilligt, die eine Verbindung zwischen Kanadas Ölsänden und den Ölraffiner­ien in den USA schaffen soll. Obama hatte das Projekt mit der Begründung abgelehnt, dass es die globale Erwärmung verschärfe­n würde.

Trumps vorherrsch­ende Motivation ist es, den Wirtschaft­sinteresse­n der amerikanis­chen Kohle-, Öl- und Gasindustr­ie zu dienen, die die Republikan­er im Kongress und in den Regierunge­n der USBundesst­aaten mit jeder Menge Wahlkampfs­penden und Medienunte­rstützung versorgen. Dies ist, um es auf den Punkt zu bringen, politische Korruption: Regierungs­politik im Tausch gegen Wahlkampfs­penden.

Exxon Mobil, Chevron, die USHandelsk­ammer und Koch Industries spielen dabei alle eine wichtige Rolle, und fast alle republikan­ischen Mitglieder des Kongresses beteiligen sich an diesem schändlich­en Verhalten. Sie sind bereit, in der Öffentlich­keit den Idioten zu geben und die Klimawisse­nschaft und die globale Erwärmung zu bestreiten, solange dies dafür sorgt, dass die Wahlkampfs­penden weiter fließen.

Doch wie bei so vielen von Trumps Entscheidu­ngen gilt auch hier: Es ist mehr Getöse als Realität, mehr Lärm als Wirkung. Erstens kann Trump die Wellen – sprich: den Anstieg des Meeresspie­gels im Zuge der globalen Erwärmung – nicht aufhalten. Die wissenscha­ftlichen Belege sind solide, egal, wie freudig Trump seine wissenscha­ftliche Ignoranz zur Schau stellt.

Zweitens weiß die Welt, dass sie solide sind. Jeder einzelne UN-Mitgliedss­taat hat 2015 das Pariser Klimaabkom­men unterzeich­net. Der Planet hat gerade die drei heißesten Jahre seit Beginn der Aufzeichnu­ngen erlebt. Die Ozeane erwärmen sich drastisch (was zuletzt zu einer Beschädigu­ng von 93 Prozent des australisc­hen Great Barrier Reef geführt hat). Trumps Zynismus wird niemanden zur Änderung seiner Meinung veranlasse­n und ihm auf der Welt keine Anhänger verschaffe­n.

Zudem werden Trumps Maßnahmen vor Gericht angefochte­n werden, und er wird fast mit Sicherheit verlieren. Er wird damit ein paar Wähler in West Virginia motivieren und von Koch Industries gelobt werden. Doch die EPAVorschr­iften zu den CO -Emissionen wird er damit nicht kippen.

Diese Normen werden durch den Clean Air Act geschützt, und Trump fehlen die Stimmen im Kongress, um dieses Gesetz zu ändern. Und die US-Wähler befürworte­n mit großer Mehrheit eine Umstellung von fossilen Brennstoff­en auf erneuerbar­e Energien. Selbst in der korrupten US-Politik spielen die Ansichten der Wähler noch immer eine Rolle.

Genauso wenig kann Trump den sterbenden Kohlesekto­r wiederbele­ben. Der Kohlebergb­au – Stichwort Arbeitsplä­tze – wird für künftige Beschäftig­ungstrends keine wesentlich­e Rolle spielen, egal, ob mit oder ohne Trump.

Auch die Keystone-XL-Pipeline, die mehrere Milliarden Dollar kosten würde, wird nie gebaut werden. Angesichts der dringenden globalen Notwendigk­eit, auf kohlenstof­ffreie Energieque­llen umzustelle­n, braucht die Welt die kanadische­n Ölsande nicht. Kanadas Ölsande sind in der Erschließu­ng teuer, enorm umweltschä­dlich und liegen weit von den Märkten entfernt. Unabhängig von Trumps Genehmigun­g dürften die Investoren eine Pipeline, die vermutlich lange vor ihrem geplanten Einsatzdat­um pleitegehe­n würde, vermutlich ablehnen.

China, Europa und sogar die Golfregion werden sich von Trumps Schritten nicht beeinfluss­en lassen. China ist entschloss­en, seine CO -Emissionen zu senken, die Luftversch­mutzung zu verringern und der Vorreiter des 21. Jahrhunder­ts für Fotovoltai­k und Elektrofah­rzeuge zu werden. Europa ist auf gutem Wege, sich zu einer emissionsf­reien Volkswirts­chaft zu entwickeln. Die Golfstaate­n bauen ihre Kapazitä- ten im Bereich der erneuerbar­en Energien stark aus, insbesonde­re der Solarenerg­ie.

Letztlich können wir die Torheit des US-Präsidente­n und die Korruption der republikan­ischen Partei nur mit Verblüffun­g zur Kenntnis nehmen. Aber wir sollten nicht glauben, dass Trumps Klimafanta­sien an der globalen Realität oder der Umsetzung des Pariser Klimaabkom­mens etwas ändern. Aus dem Englischen: Jan Doolan Copyright: Project Syndicate

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Kinder, Mütter, Eisbären: Demos für den Klimaschut­z vor dem Weißen Haus in Washington. Präsident Donald Trump zeigte sich dennoch unbeeindru­ckt von den Bedenken.
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Foto: Reuters Jeffrey Sachs: Tatsachen überflügel­n „alternativ­e Fakten“.

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