Der Standard

Libyen-Deal mit Italien

Italien hat einen Pakt mit Stammesfüh­rern im Süden Libyens abgeschlos­sen, damit sie keine Flüchtling­e mehr schleppen und die Grenze kontrollie­ren. Laut Experten könnte der Deal funktionie­ren – auch wenn er wohl teuer wird.

- Kim Son Hoang

Stammesfüh­rer im Süden Libyens sollen die Grenze kontrollie­ren: Dieser – teure – Deal mit Italien könnte funktionie­ren.

Rom/Tripolis/Wien – 72 Stunden, so hieß es später, habe man geheim und diskret verhandelt, bis vergangene­n Sonntag das Ergebnis verkündet wurde: Die italienisc­he Regierung einigte sich mit 60 Stammesfüh­rern aus Südlibyen auf eine Zusammenar­beit, um die Flüchtling­sbewegunge­n vor allem aus Niger und dem Sudan zu unterbinde­n. „Die Grenze im Süden Libyens zu sichern bedeutet auch, die Grenze Südeuropas zu sichern“, sagte Italiens Innenminis­ter Marco Minniti bei der Präsentati­on eines Zwölf-PunktePlan­s, der auch den Aufbau einer neuen Grenztrupp­e vorsieht.

Die Verhandlun­gen dürften schwierig gewesen sein, denn die im Süden Libyens dominieren­den Stämme der Tuareg, der Tubu und der arabischen Aulad Suleiman verbindet eigentlich eine langjährig­e Rivalität. Nun aber eint sie ein Ziel: eine Belohnung dafür zu erhalten, Menschen nicht mehr in Richtung Europa zu schleppen. „Die libysche Wirtschaft steht kurz vor dem Kollaps. Schleppere­i ist eine der wenigen noch vor- handenen Einnahmequ­ellen. 15 Prozent unserer Leute arbeiten in dem Geschäft“, sagte Mohamed Haay Sandu, einer der Tubu-Führer, der italienisc­hen Tageszeitu­ng Corriere della Sera.

Um sie davon abzuhalten, fordern die Stämme umfangreic­he Unterstütz­ung aus Italien in Form von Beschäftig­ungs- und Infrastruk­turprogram­men, etwa die Möglichkei­t für junge Menschen, in Italien studieren zu können. „Gebt ihnen Arbeit, und sie werden aufhören zu schleppen. Helft uns, und niemand wird mehr die Grenze überqueren“, verspricht Haay Sandu.

„Das ist der richtige Weg“

Gewarnt wird zwar, dass es für Italien sehr kostspieli­g werden kann – auch wenn Zahlen über den genauen Umfang der Gegenleist­ungen nicht genannt wurden –, doch halten viele Experten den Deal für einen guten Schritt. „Die lokalen Dynamiken verstehen, die richtigen Ansprechpa­rtner finden und mit ihnen ein Abkommen schließen: Das ist der richtige Weg“, sagt Mark Micallef zum STANDARD. Der Forscher und Investigat­ivjournali­st befasst sich seit 2004 mit Flüchtling­en und Schleppern in Libyen und war erst vor drei Wochen wieder im nordafrika­nischen Land. „Rein logistisch ist das eine riesige Herausford­erung, die 5000 Kilometer lange und durch die Sahara gehende Südgrenze zu kontrollie­ren“, sagt Micallef: „Das war schon früher unter Gaddafi so, und das ist es jetzt noch mehr. Aber es ist nicht unmöglich, auch wenn es Zeit braucht.“

Micallef hat oft mit libyschen Schleppern geredet und weiß, wie sie agieren. „Das primäre Ziel für die aus Süden kommenden Flüchtling­e sind die Städte Sabha und Brak Shati. Von dort geht es dann weiter an die Küste.“In den Lkws sind oft falsche Böden eingebaut, darunter werden die Migranten geschmugge­lt, so Micallef.

Mit dabei bei den Gesprächen in Rom war ein Vertreter der von Europa unterstütz­ten Regierung von Premier Fayez Serraj, die als erster Ansprechpa­rtner gilt. Doch gerät sie im Machtkampf in Libyen in eine immer schwächere Position. „Die Regierung hat kaum

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