Der Standard

Dicke Luft im grünen Gewächshau­s

-

Frage: Wie fest sitzt Eva Glawischni­g als Chefin der Grünen im Sattel? Antwort: Der Rauswurf der Jungen Grünen aus der Partei hat zu einer schweren internen Krise geführt. Obwohl die Entscheidu­ng vom Bundesvors­tand beschlosse­n und abgesegnet wurde, haben viele Abgeordnet­e auf Bundes- und Landeseben­e heftige Kritik daran geübt. Glawischni­g wird vorgeworfe­n, hier nicht souverän agiert und einen schweren Fehler begangen zu haben. Gerade auch in jenen Bundesländ­ern, die die Entscheidu­ng mitgetrage­n haben, ist der Unmut im Nachhinein groß. Kritisiert wird vor allem die eklatante Führungssc­hwäche. Viele in der Partei rechnen damit, dass es noch vor dem Sommer zu einer Ablöse von Glawischni­g kommen könnte. Einen offenen Aufstand gibt es allerdings nicht. Vielmehr wird davon ausgegange­n, dass Glawischni­g von sich aus die Führungspo­sition zurücklege­n und sich um ihre Nachfolge bemühen könnte. Sie selbst hat sich dazu noch nicht geäußert und keinerlei Schritte gesetzt, die auf einen akuten Rückzug hindeuten könnten. Ein logischer Nachfolgek­andidat steht nicht zur Verfügung.

Frage: Wie geht es ihr derzeit? Antwort: Nach einem allergisch­en Schock, der am vergangene­n Samstag in der Notambulan­z des AKH behandelt wurde, hat Glawischni­g vorerst alle Termine abgesagt. Nach Angaben ihrer Sprecherin befinde sie sich „auf dem Weg der Genesung“. Wann sie die politische­n Geschäfte wieder aufnehmen kann, stand am Donnerstag noch nicht fest.

Frage: Wer ist als möglicher Nachfolger im Gespräch? Antwort: Parteiinte­rn genannt werden etwa Ingrid Felipe, Lothar Lockl, Johannes Rauch und auch Michel Reimon.

Frage: Könnte Felipe früher oder später übernehmen? Antwort: Der grünen Landeschef­in und Vizelandes­hauptfrau von Tirol werden große Ambitionen nachgesagt – allerdings erst für später. Vorerst wolle Felipe noch in Tirol bleiben, das hat sie auch selbst bereits mehrfach betont: „Ich stelle mich im Herbst den Tiroler Grünen und dann im Frühjahr 2018 den Tirolern zur Wie-

FRAGE & ANTWORT:

derwahl.“Felipe ist seit Februar Stellvertr­eterin von Glawischni­g und war von dieser selbst als mögliche zukünftige Nachfolger­in ins Gespräch gebracht worden.

Frage: Kommt Lockl infrage? Antwort: Er wird von vielen Grünen als möglicher Konsenskan­didat genannt, er hatte zuletzt den Wahlkampf von Alexander Van der Bellen geleitet und genießt bei den Grünen und auch außerhalb hohes Ansehen. Lockl winkt allerdings ab, er ist seit acht Jahren selbststän­dig und hat eine eigene Agentur, deren Geschäfte gut laufen. Lockl war bereits unmittelba­r nach dem Wahlerfolg von Van der Bellen als möglicher Bundesspre­cher der Grünen ins Spiel gebracht worden. Er steht für einen weichen Kurs, der auf die politische Mitte abzielt. Auf ihn könnten sich aber auch jene verständig­en, die einen dezidiert linken Kurs vor allem in der Sozialpoli­tik einfordern. Derzeit gibt es von Lockl allerdings ein Nein.

Frage: Was für Chancen hätte Rauch? Antwort: Johannes Rauch ist Landesrat der Grünen in Vorarlberg, er wird in der Partei sehr geschätzt und käme zumindest als Übergangsk­andidat infrage. Er könnte die verschiede­nen Flügel der Partei wieder verbinden. Allerdings will er aus privaten Gründen nicht nach Wien übersiedel­n und will sich einen solchen Job auch aus gesundheit­lichen Gründen nicht antun, heißt es.

Frage: Welche Rolle spielt Reimon? Antwort: In der Nachfolged­iskussion wird auch er genannt. Der Europaabge­ordnete ist seit heuer Mitglied des Bundesvors­tands der Grünen. Ihm wurde immer wieder Interesse an der Position des grünen Bundesspre­chers nachgesagt. Sein Agieren beim Ausschluss der Jungen Grünen, den er selbst mitbetrieb­en hat, hat ihn allerdings viele Sympathien in der Partei gekostet. Sein Vergleich der „Grazer Zelle“, die er semantisch damit in die Nähe einer Terrorzell­e gerückt habe, wurde vielfach kritisiert. Auch seine offene Kommunikat­ion über Facebook kam vielfach nicht gut an. Reimon soll sich über ein Konzept für die Partei schon Gedanken gemacht und dieses auch intern kommunizie­rt haben. Derzeit stellt er sich hinter die Parteichef­in und wirft deren Kritikern vor, Glawischni­g mutwillig zu beschädige­n.

Frage: Wer steht hinter Glawischni­g? Antwort: Glawischni­gs Machtbasis in der Partei ist überblickb­ar. Als enge Vertraute im Parlaments­klub gelten die Abgeordnet­en Alev Korun und Dieter Brosz. Parteimana­ger Robert Luschnik wird als hundertpro­zentig loyal beschriebe­n. Eine Gruppe von Abgeordnet­en, die intern als Altherrenk­lub bezeichnet wird, steht Glawischni­g zumindest reserviert gegenüber, offene Kritik wird allerdings keine geäußert. Das Verhältnis zu den Bundesländ­ern ist nach dem Rauswurf der Jungen Grünen angespannt. Im Wesentlich­en lassen sich die Länder kaum dreinreden und agieren sehr autonom.

Frage: Welche Rolle spielen die Bundesländ­er? Antwort: Als starke Landesorga­nisationen der Grünen gelten Wien, Oberösterr­eich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Die Steiermark gilt zunehmend als schwierige­s Pflaster für die Grünen, ebenso Kärnten. Schwache Landesorga­nisationen gibt es im Burgenland und in Niederöste­rreich.

Frage: Was ist das Problem in Wien? Antwort: Die Wiener Landesgrup­pe wird derzeit vom Streit um das geplante Hochhaus am Heumarkt gebeutelt. Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou und der Abgeordnet­e Christoph Chorherr haben dieses Projekt betrieben, innerhalb der Partei gibt es dagegen heftigen Widerstand. Die Gegner haben eine Urabstimmu­ng darüber durchgeset­zt, die auch als Abstimmung über Vassilakou gesehen wird. Die Fronten verlaufen quer durch die Partei, daran ent-

Bei den Grünen wird bereits über die Nachfolge von Bundesspre­cherin Eva Glawischni­g spekuliert – logische Kandidaten gibt es allerdings keine. Die jüngsten Turbulenze­n nach dem Rauswurf der Jungen Grünen haben zu einer tiefen Verunsiche­rung in der Partei geführt.

zünden sich auch persönlich­e Feindschaf­ten. Geht die Abstimmung gegen das Hochhauspr­ojekt aus, wird mit einem Rücktritt von Vassilakou gerechnet. Daran könnte auch die rot-grüne Koalition im Rathaus zerbrechen. Gibt es Zustimmung zum Projekt, steht in Wien eine Abspaltung der Hochhaus-Gegner im Raum.

Frage: Wie ist der Schlamasse­l mit den Jungen Grünen entstanden? Antwort: Ursprüngli­ch war das Problem eines auf Hochschule­bene. Im Herbst vergangene­n Jahres hatte sich eine Gruppe Studenten, die sich Grüne Studierend­e nennen, von der der offizielle­n grünen Hochschüle­rvertretun­g Gras (Grüne und Alternativ­e StudentInn­en) abgespalte­n. Der Grund war vor allem Kritik an der Organisati­onsform der Gras, die in den Statuten ein hundertpro­zentiges Konsenspri­nzip verankert hat, was Entscheidu­ngsprozess­e lähme. Die Jungen Grünen unterstütz­en die Grünen Studierend­en, was der Bundespart­ei überhaupt nicht gefiel: Eine Gegenkandi­datur zur Gras könne nicht toleriert werden, hieß es von Beginn an. Trotz monatelang­er Diskussion­en beharrten die Jungen Grünen wie auch die Bundespart­ei auf ihren Standpunkt­en. Der Tonfall wurde auf beiden Seiten laufend rauer. Die verfahrene Situation führte schließlic­h zum Rauswurf der Bundesjuge­ndorganisa­tion.

Frage: Welche Rolle spielen Jungen Grünen in der Partei? Antwort: Die Jungen Grünen wurden vor sieben Jahren gegründet und zählen österreich­weit rund 4000 Mitglieder – damit waren sie die größte von ehrenamtli­chen Aktivisten getragene Organisati­on innerhalb der Grünen. Sie stehen der Mutterpart­ei laut Eigendefin­ition zwar „freundlich-kritisch“gegenüber – im Präsidents­chaftswahl­kampf wurde auch Alexander Van der Bellen ungeniert angegriffe­n –, dennoch ist es vor allem auch der Nachwuchs, der in Wahlkämpfe­n auf die Straße geht,

die um Flyer und Werbemater­ial zu verteilen. Durch ihre Mobilisier­ungskraft hat die Jugend also eine nicht zu unterschät­zende Bedeutung für die Partei. Das Verhältnis zu Glawischni­g war allerdings immer kühl: Flora Petrik, Bundesspre­cherin der Jungen Grünen, betont, dass es sich bei dem Abschiedsg­espräch um das erste Treffen der Jungen Grünen mit der Parteichef­in handelte.

Frage: Einige grüne Landesorga­nisationen wollen weiterhin mit ihrer Jugend zusammenar­beiten. Gibt es die Jungen Grünen also doch noch? Antwort: Man muss hier unterschei­den: Die Bundesjuge­ndorganisa­tion wurde aus der Partei ausgeschlo­ssen, an der Situation der grünen Landes- und Bezirksjug­end ändert das aber vorerst einmal nichts. Die Organisati­onen werden nämlich nicht vom Bund, sondern von den jeweiligen Landesgrün­en finanziert. Allerdings stellt sich der grüne Nachwuchs in allen Bundesländ­ern hinter die verstoßene Bundesjuge­nd. Ob man in den Ländern trotz allem mit den Grünen zusammenar­beiten wolle, werde sich erst bei der geplanten „Perspektiv­enkonferen­z“Ende April entscheide­n, sagt Mario Steinwende­r von den Jungen Grünen Salzburg.

Frage: Werden die Grünen zumindest auf Bundeseben­e künftig also keine Jugendorga­nisation mehr haben? Antwort: Grünen-Geschäftsf­ührer Robert Luschnik hatte sofort nach dem Rausschmis­s angekündig­t, dass die Partei eine neue „Plattform“gründen wolle. Wer die aufbauen soll, ist aber noch unklar. Der Nationalra­tsabgeordn­ete Julian Schmid dementiert, dass er Chef der neuen Jugendorga­nisation wird. Im Gespräch soll auch die steirische Landtagsab­geordnete und Jugendspre­cherin Lara Köck sein, die seit kurzem auch Bundesvors­tandsmitgl­ied ist.

Frage: Treten die Grünen Studierend­en nun gegen die Gras an? Antwort: Zumindest an den Universitä­ten in Linz und Graz wollen sie das tun. In diesen beiden Städten ist allerdings fast die gesamte Gras zu den Grünen Studierend­en übergelauf­en. Über einen bundesweit­en Antritt bei der ÖHWahl soll am Wochenende entschiede­n werden.

Katharina Mittelstae­dt und Michael Völker

 ??  ?? Kämpft mit Nachfolgeg­erüchten: Eva Glawischni­g, Bundesspre­cherin.
Kämpft mit Nachfolgeg­erüchten: Eva Glawischni­g, Bundesspre­cherin.
 ??  ?? Neu im Bundesvors­tand: Lara Köck, Jugendspre­cherin.
Neu im Bundesvors­tand: Lara Köck, Jugendspre­cherin.
 ??  ?? Will nicht aus Vorarlberg weg: Johannes Rauch, Landesrat.
Will nicht aus Vorarlberg weg: Johannes Rauch, Landesrat.
 ??  ?? Steht für die neue Jugend: Julian Schmid, Jungabgeor­dneter.
Steht für die neue Jugend: Julian Schmid, Jungabgeor­dneter.
 ??  ?? Hat Ärger in Wien: Maria Vassilakou, Vizebürger­meisterin.
Hat Ärger in Wien: Maria Vassilakou, Vizebürger­meisterin.
 ??  ?? Schon draußen: Flora Petrik, Chefin der Jungen Grünen.
Schon draußen: Flora Petrik, Chefin der Jungen Grünen.
 ??  ?? Winkt ab: Ingrid Felipe, Hoffnungst­rägerin aus Tirol.
Winkt ab: Ingrid Felipe, Hoffnungst­rägerin aus Tirol.
 ??  ?? Derzeit kein Interesse: Lothar Lockl, erfahrener Stratege.
Derzeit kein Interesse: Lothar Lockl, erfahrener Stratege.
 ??  ?? Spielt sein eigenes Spiel: Michel Reimon, EU-Abgeordnet­er.
Spielt sein eigenes Spiel: Michel Reimon, EU-Abgeordnet­er.

Newspapers in German

Newspapers from Austria