Der Standard

Familie setzte „ungläubige­n“Vater vor die Tür

Jihadisten­prozess: Vater zeigte radikalisl­amischen Sohn wegen Reise nach Syrien an

- Walter Müller

Graz – Der Staatsanwa­lt verschärft die Gangart. Natürlich wird er es schon länger geplant haben, aber dieses ständige Lächeln des Angeklagte­n, als der Videofilm abläuft, auf dem zwei seiner Freunde beim Ringen zu sehen sind, und dies demonstrat­iv in T-Shirts mit ISSymbolen, mag wohl den Beschluss des Staatsanwa­ltes beschleuni­gt haben.

Er weitet die Anklage gegen Emrullah K. aus. Der Angeklagte wird jetzt im Grazer „Jihadisten­prozess“nicht nur beschuldig­t, mit seiner Reise nach Syrien geplant zu haben, sich der Terrormili­z IS anzuschlie­ßen, sondern auch Freunde für den IS angeworben zu haben.

Der Angeklagte gibt an, nach Syrien gefahren zu sein, nicht um zu kämpfen, sondern um sich wegen einer möglichen Ansiedelun­g für sich, seine Frau und die drei Kinder umgeschaut zu haben – „für die Zeit nach dem Bürgerkrie­g“.

Emrullah K. ist auch am dritten Verhandlun­gstag irgendwie vergnügt, lächelt viel, ist aufgeräumt – so, als gehe ihn das alles nicht wirklich etwas an, als werde ihm da ganz Absurdes vorgeworfe­n.

Der Staatsanwa­lt beginnt an diesem Donnerstag aber das Netz immer dichter zu flechten. Er analysiert mit Zeugenauss­agen das radikale Umfeld des Angeklagte­n und holt dazu auch den zu zwanzig Jahren Haft erstinstan­zlich verurteilt­en „Popstar“unter den Islamisten, Mirsad O. alias Ebu Tejma, via Videokonfe­renz in den Grazer Schwurgeri­chtsaal.

Mirsad O. ist mittlerwei­le kahlgescho­ren, der lange Bart blieb aber ausgespart. Er sitzt mürrisch im Gefängnisv­ideoraum, will zu Fragen bisweilen keine Antwort mehr geben oder antwortet nur knapp. Ja, er kenne den Angeklagte­n, und ja, er habe gehört, dass dieser nach Syrien gefahren sei.

Und nicht nur er. Etliche andere junge Muslime hatten seine Pre- digten besucht und sich nach Syrien aufgemacht. Drei Jahre lang hatte der Salafisten­prediger in Wien auch an einer öffentlich­en Schule unterricht­et.

Schließlic­h kommt ein gebrochen wirkender Mann mittleren Alters im abgetragen­en Jeansanzug in den Zeugenstan­d. Er hatte seinen Sohn aus Sorge beim Verfassung­sschutz angezeigt, weil dieser mit Emrullah K. und anderen jungen Islamisten nach Syrien gefahren sei.

Sein Sohn sei durch die Besuche jener Moscheen, in denen auch Mirsad O. gepredigt hatte, immer radikaler geworden. Letztlich habe sich die Familie, erzählt er vor Gericht, von ihm getrennt, weil er nach Ansicht seines Sohnes „zu wenig gläubig“gewesen sei. Der Sohn habe verlangt, dass er die strenggläu­bige Familie verlasse.

Der Prozess wurde am Donnerstag vertagt, da sowohl die Staatsanwa­ltschaft als auch Emrullah K.s Verteidigu­ng neue Zeugen hören wollen.

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Foto: APA / Robert Jäger Gesundheit­s-Landesrat des Burgenland­s Norbert Darabos.

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