Der Standard

Europa als abgesoffen­e Utopie

Der letzte Teil der „Goodbye Europe“-Reihe im Kosmos-Theater erzählt von einer postapokal­yptischen Welt

- Eva Walisch

Wien – Drei androide Nymphen mit aquatürkis­em Haar und Ganzkörper­anzügen leben mit einem Fisch, den sie Vater nennen, weit unter der Wasserober­fläche, irgendwann in der Zukunft. Ein schwarzes, stinkendes Loch steht bedrohlich am Himmel. Die Menschen haben sich schon lange gegenseiti­g ersäuft, aufgeweich­te Menschenle­iber treiben im Meer und vergiften das Wasser. Europa ist untergegan­gen, womöglich die Apokalypse eingetrete­n. Doch die Toten sprechen noch aus den Nymphen. Ein Attentäter, der im Boot nach Europa übersetzen wollte, oder ein Fahnenträg­er, der im Krieg gefallen ist, erzählen so bruchstück­artig ihre Geschichte. Alterio Spinellis Vision eines vereinten Europas hallt noch immer unbeirrt im Raum, während die Nymphen nach Ursachen suchen und über mögliche Auswege philosophi­eren.

Aus heiterem Himmel ist der dritte und letzte Teil der Goodbye Europe- Reihe der Gruppe [artfusion] im Kosmos-Theater. Während in den ersten zwei Teilen Vergangenh­eit und Gegenwart von Europa thematisie­rt wurden, widmet sich das Stück nun der Zukunft. Autorin und Regisseuri­n Bärbel Strehlau zeigt ein postapokal­yptisches Europa, das Ergebnis einer ausweglose­n Utopie. Die Kostüme, die Musik und die fragil wirkenden Projektion­en schaffen eine surreale Stimmung. Die Körper der Schauspiel­erinnen formen sich in Choreograf­ien zu Figuren, die wie Seeanemone­n im Wasserstro­m zu treiben scheinen und schon im nächsten Augenblick stocken und stottern. Die Darsteller­innen spielen mit viel Feingefühl.

Mehr Fragen als Antworten

Das Stück ist textlastig, die Dialoge wirr und komplex, und die Spielweise wirft mehr Fragen auf, als sie beantworte­t. Gerade wenn man denkt, die Handlung durchschau­t zu haben, überrascht diese wieder mit einem dramaturgi­schen Bruch. Zum Beispiel, wenn plötzlich der Scheinwerf­er wie zufällig auf eine der Sitzreihen gerichtet wird und die Nymphen einen jungen Mann auf die Bühne holen. Bei jeder Vorstellun­g wird so ein Gast aus Politik, Kunst oder Wissenscha­ft in das Stück „gebeamt“, bei der Uraufführu­ng am Dienstag war es der Rapper Skero. Er soll an der Festtafel erzählen, wie er die Welt verändern möchte und was er auf einen Kometen malen würde. Trotz solcher Auflockeru­ngselement­e schafft es das Stück nicht, eine konstante Spannung zu erzeugen. Spätestens nach der Pause und nachdem ein Zeitreisen­der ins Spiel kommt, fällt das Folgen schwer. Man bleibt ratlos zurück, zögerliche­r Applaus.

 ?? Foto: Luca Fuchs ?? Lise Huber, Christina Scherrer und Maria Spanring als Nymphen.
Foto: Luca Fuchs Lise Huber, Christina Scherrer und Maria Spanring als Nymphen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria