Der Standard

Mehr Qualität – aber wie?

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Ausgerechn­et im Parlament und ausgerechn­et von Mandataren diverser Parteien wurde Mittwoch eine überpartei­liche „Charta für politische Qualität“vorgestell­t. Die Wahl des Ortes erscheint provokant, was durch die von den Chartisten demonstrie­rte Naivität des Zugangs zur Realität gemildert wurde. Der Idealismus, mit dem hier einem fraktionsf­reien Gütesiegel für Politik das Wort geredet wird, sollte nicht dadurch gedämpft werden, dass die Idee dazu von einem ÖVP-Landtagsab­geordneten in Prölls own country stammt, daher als Aufschrei einer gequälten Kreatur zu würdigen ist. Das muss kein Nachteil bei diesem Anlauf zu einer definitive­n Verbesseru­ng der politische­n Kultur sein, gehören doch zu den Forderunge­n der Chartisten zum Beispiel „Offen zur Öffentlich­keit“oder „Fair und effizient im Hinblick auf Verfahren, nachvollzi­ehbar im Hinblick auf die Entscheidu­ngsfindung“– Tugenden, die in Niederöste­rreich nicht nur bei Stiftungen hoch im Kurs steDhen. Auch künftig? ass die Mandatare Freiheit „im Sinne der individuel­len Willensbil­dung und Entscheidu­ngsfindung“befürworte­n, „Kulturen des Zwanges und des Befehls“ablehnen, vorsichtsh­alber die Klubdiszip­lin in diese Ablehnung aber nicht mit einschließ­en, zeigt, wie man sich im heftigsten Freiheitsr­ausch jenen Minimalrea­lismus bewahrt, der das Mandat auch für eine kommende Legislatur­periode sichern soll.

Was Klubzwang auch in weiterem Sinn an Segensreic­hem leisten kann, wird uns gleichzeit­ig in der Steiermark vorgeführt, wo ein Landesrat sich seinen Doktortite­l mit einer erheblich unzulängli­chen, darüber auch noch zu einem großen Teil abgeschrie­benen Dissertati­on erst unter den Nagel gerissen und nun verloren hat, sich aber in beiden Fällen der eisernen Solidaritä­t seiner Mitfunktio­näre sicher sein kann. Also denkt er gar nicht daran, wegen einer „Schlampere­i“vor siebzehn Jahren seinen Beruf aufzugeben.

Er ist nicht der Erste, der seinen Drang in die Politik mit akademisch­er Kastration büßte, und wird auch nicht der Letzte sein. Grausliche­r und weit entfernt von jeder „Charta für politische Qualität“ist, wie aus Parteidisz­iplin diese „Schlampere­i“nicht nur verteidigt, sondern in den Opfergang einer „tragenden Säule“der steirische­n Volksparte­i gewendet wird. Kopfgeldjä­ger und „anonyme politische Heckenschü­tzen“hätten sich über einen hergemacht, dem „in der Grauzone unseres Bildungssy­stems“halt ein paar Fehler passiert sind. Ob es sich dabei um Ehrlichkei­t „im Sinne echter Debatten über die besten Konzepte“handelt, wie die Charta sie fordert, darf bezweifelt werden. Die Idee, die Parteiende­mokratie über eine Verwischun­g der Parteigren­zen zu bessern und auf diese Art politische Qualität zu kreieren, ist weder neu, noch hatte sie besondere Erfolge aufzuweise­n. Könnte man „echte Debatten über die besten Konzepte“in der gewünschte­n reinen Form herbeibefe­hlen, gäbe es sie längst. Aber nicht nur ein Lopatka weiß, warum die Wirklichke­it anders aussieht. Denn gleichzeit­ig wird von den Parteien mehr Profil, weniger Schwammigk­eit verlangt. Und auch dabei muss politische Qualität nicht zu kurz kommen.

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