Neue Gesundheitshotline
In Wien, Niederösterreich und Vorarlberg sind seit Freitag geschulte Pflegekräfte telefonisch unter 1450 erreichbar, um medizinische Probleme abzuklären. Das Projekt läuft bis Ende 2018 und kostet 5,5 Millionen Euro.
In drei Bundesländern können seit Freitag medizinische Probleme übers Telefon abgeklärt werden.
Wien – Wenn man in Wien, Niederösterreich oder Vorarlberg die Nummer 1450 wählt, sollte man binnen 20 Sekunden eine geschulte Pflegekraft am Hörer haben, die ihre Einschätzung zu einem gesundheitlichen Problem abgibt. Am Freitag hat dieses Pilotprojekt gestartet, es soll bis Ende 2018 laufen und, so die Evaluierung einen erfolgreichen Verlauf zeigt, auf ganz Österreich ausgerollt werden. Notfallnummern wie 144 für die Rettung bleiben bestehen.
Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) nannte die telefonische Beratung „hochinnovativ“, wenngleich es Ähnliches bereits in Ländern wie in der Schweiz, in Schweden und in den Niederlanden gibt. Rendi-Wagner ergänzte, dass die Hotline „keine Ferndiagnosestelle“sei, sondern „bei Beschwerden eine Entscheidungshilfe“anbiete sowie darüber informieren könne, welcher Arzt gerade im Dienst steht und welche Apotheke geöffnet hat.
Jeder Zehnte nutzt es
24 Stunden am Tag, sieben Tage pro Woche sitzt geschultes, Diplompflegepersonal am Telefon, das im Zweifel telefonisch einen Arzt hinzuziehen kann. In Wien und Niederösterreich rechnet man je mit 100.000 bis 200.000 Anrufen im Jahr, da internationalen Erfahrungen zufolge etwa zehn Prozent der Bevölkerung das Telefonservice nutzen.
Insgesamt 20 Mitarbeiter sind derzeit in Wien, wo der Fonds Soziales Wien die Hotline betreibt, tätig, neun sind es in Niederösterreich und sechs in Vorarlberg. Sie greifen auf ein Computersystem mit rund 250.000 medizinischen Begriffen zurück, wie Volker Schörghofer vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger erläuterte. Das Telefonservice ist nur auf Deutsch konzipiert.
Letztverantwortlich für die Einschätzungen, die bei der Hotline getroffen werden, sind jeweils die leitenden Ärzte. Im Pilotstatus kostet es rund 5,5 Millionen Euro, davon kommen je 2,5 Millionen von Sozialversicherungsträgern und Ländern sowie 500.000 Euro vom Gesundheitsministerium.
70 Prozent der Anrufer würden die Dringlichkeit ihres Anliegens falsch einschätzen, zeigten internationale Evaluierungen laut Ingrid Reischl, Chefin der Wiener Gebietskrankenkasse. 80 Prozent hätten keine notfallsmäßige Konsultation gebraucht, 35 bis 50 Prozent keine ärztliche Betreuung.
Patientenanwalt Gerhard Bachinger ist von dem Projekt überzeugt: Es sei eine „Anlaufstelle für Ersteinschätzungen“, und sie er-
mögliche den Patienten, gleich zum „best point of service“zu kommen. Auch der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres sprach von einem „positiven Schritt in die richtige Richtung“.
Burkhard Waller von der Vorarlberger Ärztekammer äußerte Zweifel an der Effizienz, da man mit rund 15 Minuten Dauer je Anruf rechne.
Die Telefonberatung 1450 hat das Potenzial, viele unnötige Spitalsambulanzbesuche zu verhindern. Zwar soll und kann das geschulte Pflegepersonal keine Ferndiagnosen stellen, die Dringlichkeit eines Anliegens aber wohl einschätzen und Anrufer an die richtige Anlaufstelle verweisen – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, auch in der Peripherie. So man im niedergelassenen Bereich die Alternativen zu Spitalsambulanzen weiterentwickelt, ist das am Freitag in Wien, Niederösterreich und Vorarlberg gestartete Politprojekt ein guter Schritt.
Denn warum fahren so viele Menschen ins Spital? Einige wollen nicht mehrere Wochen lang auf einen Termin beim Facharzt warten, sich sorgend, dass dieser sie ohnehin nur zum Kollegen eines anderen Faches weiterschickt. Sie befürchten, das Bauchweh ihres Kindes sei diesmal etwas Schlimmes. Oder sie wissen es einfach nicht besser.
Gerade die Nichtwissenden könnte die Hotline auf alternative Wege als jene ins Krankenhaus lenken. Allerdings wird das Service nur auf Deutsch angeboten, was – gerade in Wien – verkennt, dass hier viele Menschen leben, die sich in dieser Sprache nicht im Gesundheitssystem zurechtfinden. Für sie ist die Hotline keine Anlaufstelle. Dass bei deren Entwicklung, bei der Österreich schon von einer Reihe von Ländern abschauen konnte, nicht daran gedacht wurde, systematisch Dolmetschprogramme oder sprachlich versierte Fachkräfte einzubinden, ist enttäuschend.