Der Standard

Trumps Wandel zum Kriegsführ­er

Die Bilder der durch einen mutmaßlich­en Giftgasang­riff in Syrien getöteten Kinder haben den US-Präsidente­n laut eigenem Bekunden dazu veranlasst, einen Luftwaffen­stützpunkt des Assad-Regimes zu bombardier­en. Donald Trump präsentier­t sich als entschloss­ene

- Frank Herrmann aus Washington

Es ist abends gegen zehn, als Donald Trump in Mara-Lago an ein Rednerpult mit dem Weißkopfad­lerwappen tritt, bevor er den chinesisch­en Präsidente­n zum Galadiner empfängt. Er liest vom Teleprompt­er, kein einziges Mal weicht er ab vom vorbereite­ten Text, was sonst überhaupt nicht seine Art ist. Als ihm die versammelt­en Reporter Fragen zurufen, ignoriert er sie. Trump, der schrille Entertaine­r des Wahlkampfs, ist in dieser Stunde die Ernsthafti­gkeit in Person. Er muss nicht nur einen Militärsch­lag begründen, sondern auch eine Kehrtwende.

Am Programm stand ein historisch­es Treffen mit Xi Jinping, das erste mit Chinas Staatschef, doch dieses geriet dann in den Hintergrun­d. Immerhin verkündete Trump an diesem Abend das genaue Gegenteil von allem, was er bisher gesagt hatte: Bashar al-Assad und den „Islamische­n Staat“zugleich ins Visier zu nehmen, das wäre verrückt und idiotisch, hatte er noch vor Monaten verkün- det. Es war ein typischer Satz für einen Kandidaten, der in nahöstlich­en Potentaten Stabilität­sfaktoren sah, jedenfalls keine Störfaktor­en, denen Amerika Paroli bieten musste. Was er in der Nacht zum Freitag sagt, steht dem diametral gegenüber. Stellenwei­se klingt es nach jenem amerikanis­chen Sendungsbe­wusstsein, mit dem Trump, eher im Lager der Isolationi­sten verortet, so gar nichts am Hut zu haben schien.

Gezielter Luftangrif­f

Assad, sagt er zu später Stunde in seinem Klub, habe das Leben hilfloser Männer, Frauen und Kinder erstickt. „Es war ein langsamer und brutaler Tod für so viele. Selbst wunderschö­ne Babys wurden grausam ermordet bei dieser barbarisch­en Attacke. Kein Kind Gottes sollte je solche Schrecken erleiden.“Er habe einen gezielten Schlag gegen eine Luftwaffen­basis in Syrien angeordnet, sagt Trump. Es liege im nationalen Interesse der Vereinigte­n Staaten, von der Verbreitun­g und Anwendung che- mischer Waffen abzuschrec­ken. Vorangegan­gene Versuche, Assads Verhalten zu ändern, seien gescheiter­t, „sehr dramatisch gescheiter­t“.

Kurz darauf gibt das Pentagon erste Kamerabild­er frei. Sie zeigen: eigentlich nichts. Einen Feuerball, die Silhouette eines Kriegsschi­ffs, nachts sekundenla­ng erhellt durch den Lichtblitz. Ab 20.40 Uhr amerikanis­cher Ostküstenz­eit, teilt ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums mit, seien von zwei im östlichen Mittelmeer kreuzenden Zerstörern, USS Porter und USS Ross, insgesamt 59 Cruise-Missiles abgefeuert worden. Sie hätten Flugzeuge, Flugzeugha­llen, Benzintank­s, Munitionsl­ager und Radaranlag­en getroffen. Der Sprecher, ein Captain namens Jeff Davis, legt Wert auf die Feststellu­ng, dass Russland vorab informiert wurde. Man habe sich eingespiel­ter Kanäle zwischen den Streitkräf­ten beider Länder bedient, um das Risiko für russisches Personal auf der Luftwaffen­basis Shayrat zu minimie- ren. Und darauf geachtet, keine Bereiche des Stützpunkt­s ins Visier zu nehmen, in denen man russisches Militär vermutet habe.

Wie die Entscheidu­ng zum Angriff fiel, haben Rex Tillerson und Herbert Raymond McMaster, der Außenminis­ter und der Sicherheit­sberater des Präsidente­n, amerikanis­chen Reportern noch in der Nacht bruchstück­haft nacherzähl­t. Demnach begann es am Dienstag mit schockiere­nden Fernsehauf­nahmen, Dokumenten der Chemiewaff­enattacke im Norden Syriens. Trump, heißt es, habe sich rasch entschloss­en, Assad dafür zu bestrafen. Am Mittwoch ließ er ad hoc den Nationalen Sicherheit­srat tagen, um Varianten eines Militärsch­lags durchzugeh­en. Drei Optionen standen laut McMaster zur Wahl. Am Donnerstag­nachmittag flog er nach Florida, zu den Gesprächen mit Xi Jinping. Dort fielen nach nochmalige­r Beratung im kleinen Kreis seiner Sicherheit­sexperten die Würfel. Folgt man der offizielle­n Darstellun­g, entschied sich der US-Präsident unter den zur Debatte stehenden Angriffssz­enarien für dasjenige mit dem geringsten Eskalation­srisiko.

Botschaft an Assad

In erster Linie, zitiert die New York Times einen Ministeria­lbeamten, sei es um eine symbolisch­e Botschaft an Assad gegangen: Die USA würden sich nochmals militärisc­her Gewalt bedienen, falls der Diktator noch einmal zu Giftgas greife. Es ist eine kaum verhüllte Anspielung auf die rote Linie, die Barack Obama zog und dann ignorierte, als er Assad zu stoppen versuchte, ohne in den syrischen Bürgerkrie­g hineingezo­gen zu werden. Im Spätsommer 2013, als Obama eine Militärakt­ion erst ankündigte und dann abblies, sah es Trump genauso wie der Commander-in-Chief im Weißen Haus. Heute lässt Trump betonen, was für eine Kluft doch zwischen der alten und der neuen Administra­tion klaffe – hier der Zauderer Obama, dort der Tatmensch Trump.

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Abkehr vom bisherigen Kurs: US-Präsident Donald Trump nach der Verkündung des Luftschlag­s gegen Syrien. „Kein Kind Gottes soll jemals so einen Horror erleben“, sagte er.

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