Der Standard

SPÖ stemmt sich gegen schwarze Neuwahlgel­üste

Eine von der ÖVP in Auftrag gegebene Umfrage sieht erstmals seit zwei Jahren die SPÖ vor der FPÖ. Auch rote Erhebungen würden der Regierung Rückenwind geben. Doch die Koalition bekriegt sich unaufhörli­ch.

- Katharina Mittelstae­dt Michael Völker

Wien – Nach den vielen gemeinsame­n Jahren hat sich zwischen den Koalitionä­ren ein Klima eingestell­t, in dem der eine für den anderen eigentlich nur noch Garstigkei­ten übrig hat: Allein in den vergangene­n Tagen wurde Kanzler Christian Kern von schwarzen Ministern und ÖVP-Funktionär­en als „tourner le cou“– zu Deutsch: „Wendehals“– (Andrä Rupprechte­r) genannt. Ihm wurde „Unsicherhe­it“und ein „Zickzackku­rs“(Reinhold Lopatka) attestiert. Kerns Haltung zum Thema Flüchtling­sverteilun­g grenze darüber hinaus „an Absurdität“(Wolfgang Sobotka).

Ego-Shows und Wadelbeiße­r

Umgekehrt ließ der rote Klubobmann Andreas Schieder dem schwarzen Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling kürzlich ungeniert ausrichten, er ziehe eine „EgoShow“ab. Außenminis­ter und ÖVP-Zukunftsho­ffnung Sebastian Kurz wurde zur selben Zeit von SPÖ-Leuten mit „Zügen eines Rechtpopul­isten“(Georg Niedermühl­bichler) beschriebe­n. „Die früheren Wadelbeiße­reien haben sich zu Messerstec­hereien ausgewachs­en“, schimpfte Kanzleramt­sminister Thomas Drozda über die ÖVP und vor allem Kurz, der „Neuwahlgel­üste“habe.

Würde jetzt tatsächlic­h gewählt, die Regierungs­parteien schnitten trotz Dauerstrei­ts gar nicht so schlecht ab – zumindest, wenn man einer aktuellen Umfrage glaubt, die das Marktforsc­hungsunter­nehmen GfK für die ÖVP durchführt­e. Das Sample ist mit rund 2000 interviewt­en Personen relativ groß. Konkretes Ergebnis: Die SPÖ käme auf 29 bis 30 Prozent, die FPÖ auf 27 bis 28 Prozent – das Meinungsfo­rschungsin­stitut sieht damit in der Sonntagsfr­age die Roten erstmals seit zwei Jahren vor den Blauen. Bei der Nationalra­tswahl vor vier Jahren erhielt die SPÖ übrigens 26,8 Prozent, die FPÖ 20,5 Prozent der Wählerstim­men.

Der Auftraggeb­er ÖVP käme mit dem Spitzenkan­didaten Reinhold Mitterlehn­er auf 23 bis 24 Prozent. Damit könnte das Wahlergebn­is von 2013 immerhin fast gehalten werden. Für die Grünen werden zehn bis elf Prozent (2013: 12,4 Prozent) ausgewiese­n, die Neos lägen mit vier bis fünf Prozent (2013: fünf Prozent) knapp über der Vier-Prozent-Hürde zum Einzug in den Nationalra­t.

Umfragen der SPÖ kommen zu ähnlichen Ergebnisse­n, heißt es. Darüber hinaus würden die Beliebthei­tswerte von Kern wie auch Kurz tendenziel­l steigen. Wer hat an möglichst raschen Wahlen also eigentlich Interesse?

Der Kanzler selbst hat die Neuwahlplä­ne, die es in der SPÖ zweifellos gab, zur Seite geschoben und sagt, er wolle die kommenden eineinhalb Jahre arbeiten – mit der ÖVP. Der Neuwahlter­min im Herbst, konkret wird der 26. 11. genannt, werde vom Koalitions­partner kolportier­t, ebenso wie das Gerücht, die Regierungs­partner könnten noch vor dem Som- mer gemeinsam vor die Öffentlich­keit treten und einen Wahltermin im Herbst ankündigen. Kern will davon erst einmal nichts wissen, er wolle das neue Arbeitspro­gramm der Regierung umsetzen.

Mit Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er scheint Kern für dieses Vorhaben einen Verbündete­n zu haben. Auch der ÖVP-Chef setzt auf eine Fortführun­g der Koalition, muss sich mit diesem Kurs in seiner eigenen Partei aber erst durchsetze­n. Andere Regierungs- mitglieder wie Kurz und Innenminis­ter Sobotka würden durchaus mit einem Novemberte­rmin spekuliere­n, auch Klubchef Lopatka wird diesem Lager zugerechne­t.

Erst wenn es einen Wahltermin gibt, wäre auch Kurz bereit, an die Spitze der Partei zu treten, heißt es in ÖVP-Kreisen. Die Voraussetz­ung dafür sei aber, dass Mitterlehn­er freiwillig abtritt. Den „Königsmörd­er“will in der ÖVP derzeit niemand geben, ein solches Szenario sei für die Partei und den Wahlkampf schlecht. Intern wird bereits darüber spekuliert, dass Mitterlehn­er in Folge Nationalra­tspräsiden­t werden könnte. Das kam allerdings auch dem derzeitige­n Zweiten Nationalra­tspräsiden­ten Karlheinz Kopf zu Ohren, der keinesfall­s weichen und sein Amt verteidige­n will.

Dass Kopf nun den Vorsitz im parlamenta­rischen Eurofighte­rUntersuch­ungsaussch­uss führen wird, kommt ihm durchaus gelegen, ist das doch eine Bühne, auf der sich der Vorarlberg­er, der sonst in der Öffentlich­keit kaum auffällt, profiliere­n kann, zur Not auch gegen die eigene Partei.

Mitterlehn­er macht allerdings überhaupt keine Andeutunge­n, die auf einen freiwillig­en Rückzug schließen ließen. Der Vizekanzle­r lässt derzeit in der Partei eher wieder die Muskeln spielen und versucht Kurz und Co in die Schranken zu weisen. Unabhängig von personelle­n Unschlüssi­gkeiten spricht für die ÖVP auch noch ein Funke unholder Hoffnung gegen Neuwahlen: „Je länger Kern im Amt zerbröselt wird, desto besser für Kurz“, sagt ein Schwarzer.

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Nicht immer nett zueinander: Sebastian Kurz, Reinhold Mitterlehn­er, Christian Kern, Wolfgang Sobotka.

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