SPÖ stemmt sich gegen schwarze Neuwahlgelüste
Eine von der ÖVP in Auftrag gegebene Umfrage sieht erstmals seit zwei Jahren die SPÖ vor der FPÖ. Auch rote Erhebungen würden der Regierung Rückenwind geben. Doch die Koalition bekriegt sich unaufhörlich.
Wien – Nach den vielen gemeinsamen Jahren hat sich zwischen den Koalitionären ein Klima eingestellt, in dem der eine für den anderen eigentlich nur noch Garstigkeiten übrig hat: Allein in den vergangenen Tagen wurde Kanzler Christian Kern von schwarzen Ministern und ÖVP-Funktionären als „tourner le cou“– zu Deutsch: „Wendehals“– (Andrä Rupprechter) genannt. Ihm wurde „Unsicherheit“und ein „Zickzackkurs“(Reinhold Lopatka) attestiert. Kerns Haltung zum Thema Flüchtlingsverteilung grenze darüber hinaus „an Absurdität“(Wolfgang Sobotka).
Ego-Shows und Wadelbeißer
Umgekehrt ließ der rote Klubobmann Andreas Schieder dem schwarzen Finanzminister Hans Jörg Schelling kürzlich ungeniert ausrichten, er ziehe eine „EgoShow“ab. Außenminister und ÖVP-Zukunftshoffnung Sebastian Kurz wurde zur selben Zeit von SPÖ-Leuten mit „Zügen eines Rechtpopulisten“(Georg Niedermühlbichler) beschrieben. „Die früheren Wadelbeißereien haben sich zu Messerstechereien ausgewachsen“, schimpfte Kanzleramtsminister Thomas Drozda über die ÖVP und vor allem Kurz, der „Neuwahlgelüste“habe.
Würde jetzt tatsächlich gewählt, die Regierungsparteien schnitten trotz Dauerstreits gar nicht so schlecht ab – zumindest, wenn man einer aktuellen Umfrage glaubt, die das Marktforschungsunternehmen GfK für die ÖVP durchführte. Das Sample ist mit rund 2000 interviewten Personen relativ groß. Konkretes Ergebnis: Die SPÖ käme auf 29 bis 30 Prozent, die FPÖ auf 27 bis 28 Prozent – das Meinungsforschungsinstitut sieht damit in der Sonntagsfrage die Roten erstmals seit zwei Jahren vor den Blauen. Bei der Nationalratswahl vor vier Jahren erhielt die SPÖ übrigens 26,8 Prozent, die FPÖ 20,5 Prozent der Wählerstimmen.
Der Auftraggeber ÖVP käme mit dem Spitzenkandidaten Reinhold Mitterlehner auf 23 bis 24 Prozent. Damit könnte das Wahlergebnis von 2013 immerhin fast gehalten werden. Für die Grünen werden zehn bis elf Prozent (2013: 12,4 Prozent) ausgewiesen, die Neos lägen mit vier bis fünf Prozent (2013: fünf Prozent) knapp über der Vier-Prozent-Hürde zum Einzug in den Nationalrat.
Umfragen der SPÖ kommen zu ähnlichen Ergebnissen, heißt es. Darüber hinaus würden die Beliebtheitswerte von Kern wie auch Kurz tendenziell steigen. Wer hat an möglichst raschen Wahlen also eigentlich Interesse?
Der Kanzler selbst hat die Neuwahlpläne, die es in der SPÖ zweifellos gab, zur Seite geschoben und sagt, er wolle die kommenden eineinhalb Jahre arbeiten – mit der ÖVP. Der Neuwahltermin im Herbst, konkret wird der 26. 11. genannt, werde vom Koalitionspartner kolportiert, ebenso wie das Gerücht, die Regierungspartner könnten noch vor dem Som- mer gemeinsam vor die Öffentlichkeit treten und einen Wahltermin im Herbst ankündigen. Kern will davon erst einmal nichts wissen, er wolle das neue Arbeitsprogramm der Regierung umsetzen.
Mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner scheint Kern für dieses Vorhaben einen Verbündeten zu haben. Auch der ÖVP-Chef setzt auf eine Fortführung der Koalition, muss sich mit diesem Kurs in seiner eigenen Partei aber erst durchsetzen. Andere Regierungs- mitglieder wie Kurz und Innenminister Sobotka würden durchaus mit einem Novembertermin spekulieren, auch Klubchef Lopatka wird diesem Lager zugerechnet.
Erst wenn es einen Wahltermin gibt, wäre auch Kurz bereit, an die Spitze der Partei zu treten, heißt es in ÖVP-Kreisen. Die Voraussetzung dafür sei aber, dass Mitterlehner freiwillig abtritt. Den „Königsmörder“will in der ÖVP derzeit niemand geben, ein solches Szenario sei für die Partei und den Wahlkampf schlecht. Intern wird bereits darüber spekuliert, dass Mitterlehner in Folge Nationalratspräsident werden könnte. Das kam allerdings auch dem derzeitigen Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf zu Ohren, der keinesfalls weichen und sein Amt verteidigen will.
Dass Kopf nun den Vorsitz im parlamentarischen EurofighterUntersuchungsausschuss führen wird, kommt ihm durchaus gelegen, ist das doch eine Bühne, auf der sich der Vorarlberger, der sonst in der Öffentlichkeit kaum auffällt, profilieren kann, zur Not auch gegen die eigene Partei.
Mitterlehner macht allerdings überhaupt keine Andeutungen, die auf einen freiwilligen Rückzug schließen ließen. Der Vizekanzler lässt derzeit in der Partei eher wieder die Muskeln spielen und versucht Kurz und Co in die Schranken zu weisen. Unabhängig von personellen Unschlüssigkeiten spricht für die ÖVP auch noch ein Funke unholder Hoffnung gegen Neuwahlen: „Je länger Kern im Amt zerbröselt wird, desto besser für Kurz“, sagt ein Schwarzer.