A4-Flüchtlingsdrama: Ungarn schloss Ermittlungen ab
Polizei schlägt vor, Anklage gegen neun Tatverdächtige zu erheben – Ein Beschuldigter wird noch gesucht
Budapest – Angekündigt wurde er schon öfter, etwa im Oktober 2016, am Freitag verkündete die ungarische Polizei nun tatsächlich den Abschluss der Ermittlungen im Zusammenhang mit den 71 toten Flüchtlingen, die im August 2015 in einem Lkw an der Ostautobahn (A4) im Burgenland entdeckt wurden. Die Ergebnisse gab die Exekutive an die Staatsanwaltschaft weiter und empfahl, Anklage gegen insgesamt neun Tatverdächtige zu erheben.
Die neun Männer werden der Schlepperei beschuldigt, vier von ihnen zusätzlich des Totschlags. Allen wird angelastet, die Delikte im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen zu haben. Acht der Männer – ein Afghane und sieben Bulgaren – befinden sich in Ungarn in Untersuchungshaft. Ein weiterer beschuldigter Bulgare wird noch gesucht. Die Staatsanwaltschaft muss nun über die Erhebung einer Anklage entscheiden. Dafür gibt es eine Frist von 30 Tagen, die um 30 weitere Tage erweitert werden kann.
Die 71 Leichen waren am 27. August 2015 in einem Kühllastwagen entdeckt worden, der verlassen an der A4 bei Parndorf stand. Die Flüchtlinge waren im völlig überfüllten Laderaum qualvoll erstickt, und zwar noch auf ungarischem Staatsgebiet, wie ein Gutachten später ergab. Deshalb trat die Staatsanwaltschaft Eisenstadt das Verfahren im Oktober 2015 an Ungarns Behörden ab.
Noch am Tag des Fundes der 71 Leichen wurden in Ungarn vier Männer festgenommen, drei Bulgaren und ein Afghane mit ungarischer Identitätskarte. In den Tagen darauf erfolgten die weiteren Festnahmen.
Beerdigungen in Österreich
Von den 71 Opfern – 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder – konnten 70 identifiziert werden. 21 stammten aus Afghanistan, 29 aus dem Irak, 15 aus Syrien und fünf aus dem Iran. Die meisten von ihnen konnten in ihre Herkunftsländer überführt werden, 15 Menschen wurden in Österreich beerdigt.
Später wurde bekannt, dass es 81 Menschen ebenfalls am 27. August 2015 gelungen war, sich nahe Parndorf aus einem Lkw und einer lebensbedrohlichen Situation zu befreien. Für die Schleppung waren dieselben Männer verantwortlich wie im Fall der erstickten Flüchtlinge. (APA, red)